Das Tal ist fruchtbar, aber niemand lebt hier. Erst oben in den Hügeln haben die Bauern ihre Lehmhütten errichtet, obwohl es dort viel weniger Wasser gibt und das Land weniger fruchtbar ist. Bald wird es ganz unbrauchbar sein: hoffnungslos überweidet und ausgelaugt vom Maisanbau. Die Bauern bleiben aber aus Angst vor der Tsetse-Fliege dort oben. Diese Stechfliege überträgt bei ihrer Blutmahlzeit den einzelligen Parasiten Trypanosoma, der die Blut-Hirn-Schranke passieren kann und ins zentrale Nervensystem eindringt. Beim Menschen verursacht er die Schlafkrankheit, bei Tieren Nagana. Udo Feldmann von der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien:
Es hat bereits mehrere Methoden gegeben, diese Fliege zu reduzieren, zu bekämpfen, um die Übertragung der Trypanosome auszuschließen, und wir haben jetzt eine weitere Methode entwickelt, um dem Problem in bestimmten Gegenden möglichst ein Ende zu bereiten.
Die Sterile Insektentechnik, die schon bei der Ausrottung der Schraubenwurmfliege und der Mittelmeerfruchtfliege erfolgreich war. Es ist eine Art "Geburtenkontrolle bei Schadinsekten". Zunächst werden die Insekten dafür in "Fliegenfabriken" produziert. Feldmann:
Da werden die – in diesem Fall Tsetse-Fliegen – auf Membranen mit Blut gefüttert, und ein Großteil, etwa 80 Prozent der Männchen, werden aus der Produktion herausgenommen und mit Gammastrahlen sexuell sterilisiert, so dass die Spermien gestört, aber noch beweglich sind.
Dafür sorgt nach dem Schlüpfen ein kurzer Puls von Gammastrahlen aus einer Kobalt-60-Quelle. Zuvor wurde in der freien Wildbahn die Zahl der Tsetsefliegen so weit wie möglich reduziert: durch Insektizide auf dem Rücken des Viehs und insektizidimprägnierten Fallen. Die Übriggebliebenen werden dann mit den sexuell aktiven, aber unfruchtbaren Männchen regelrecht überschwemmt. Feldmann:
Im Augenblick lassen wir die Fliegen in kleinen Kartons frei. Die Kartons öffnen sich, sobald die aus dem Flugzeug herausfallen und verteilen sich gleichmäßig in dem Zielgebiet. Diese Überzahl der freigelassenen, sterilen Männchen machen einen Wettbewerb mit den wenigen vorhandenen Wildmännchen durch, um die wenigen noch vorhandenen Wildweibchen zu inseminieren. Durch die zahlenmäßige Höhe der freigelassenen sterilen Männchen ist die Chance, dass eine fruchtbare Wild-Wild-Kopulation zustande kommt, sehr gering.
Zehn sterilisierte Männchen kommen auf ein fruchtbares. Da bei Tsetsefliegen die natürliche Populationsdichte gering ist, reichen zwischen zehn und 70 Fliegen pro Quadratkilometer und Woche. Feldmann:
Das müssen wir über mehrere Generationen aufrecht erhalten, bei Tsetsefliegen sind das etwa 18 Monate, und danach werden wir keine Fliegen mehr finden in der Wildbahn.
Sansibar ist seit 1997 frei von Tsetsefliegen. Nach diesem Vorbild soll jetzt der Sprung auf den Kontinent gelingen. Die ersten Zielgebiete sind in Äthiopien und Westafrika. Die Bekämpfung gelingt aber nur, wenn die Gesamtfliegenpopulation abgedeckt wird. Mit Hilfe von Satellitendaten wird auf speziellen Karten die Wahrscheinlichkeit eingetragen, ob, wann und wo eine bestimmte Fliegenart auftritt. Mit diesen Karten führen die Forscher populationsgenetische Studien durch. Feldmann:
Wir versuchen festzustellen, wie der Genfluss zwischen Nachbarpopulationen ist. Und wenn da überhaupt kein Genfluss stattfindet, können wir davon ausgehen, auch keine Fliegen da wechseln. Wenn wir die eine herausnehmen, würde es keine Re-Infizierung von der anderen geben.
Vielleicht wagen sich die äthiopischen Bauern danach wieder hinunter in die fruchtbaren Täler. Man rechnet dort mit Kosten 1000 Dollar pro Quadratkilometer, in Westafrika mit 300 Dollar, weil dort weniger Fliegen ausgesetzt werden müssen. Aber die Investition lohnt sich: In Sansibar hat sich die Milchproduktion seit der Ausrottung der Tsetsefliege verdreifacht und die lokale Rindfleischproduktion verdoppelt.