Die römische Historikerin Assunta Di Sante hat eine kleine Kulturgeschichte über die Rolle von Frauen in der vatikanischen Dombauhütte geschrieben:
"Die meisten Frauen, die im Laufe der Jahrhunderte in der Dombauhütte von Sankt Peter gearbeitet haben, waren Witwen oder Waisen. Das heißt: Sie haben ihren Beruf sozusagen geerbt, von ihren Ehemännern oder Vätern. Bei Francesca Bresciani war das nicht der Fall: Sie lebte Mitte des 17. Jahrhundert und war weder Witwe noch Waise. Sie hatte nach dem Tod ihres Mannes einen belgischen Künstler in zweiter Ehe geheiratet. Er hielt die Kontakte zur Dombauhütte, aber die eigentliche Unternehmerin war sie."
Unbekannte Frauengeschichten
Die römische Historikerin Assunta Di Sante arbeitet im vatikanischen Archiv. Dort stieß sie, zusammen mit ihrer Kollegin Simona Turriziani, auf zahlreiche bisher unbekannte Frauengeschichten. Auf Schicksale von Frauen, die für, in und mit der Dombauhütte von Sankt Peter arbeiteten, der sogenannten Fabbrica di San Pietro. Keine Ausnahmefrauen, sondern, wie die beiden Historikerinnen in ihrer jüngsten Publikation nachweisen, die Regel zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert.
Die Unternehmerin Francesca Bresciani, um bei diesem Beispiel zu bleiben, machte sich unter den tonangebenden Männern der Dombauhütte in Rom vor allem als Künstlerin einen Namen. Niemand, auch kein noch so begabter Mann, konnte es mit ihr aufnehmen. Berühmt wurde sie für die kostbaren Lapislazuli-Arbeiten, die sie für den Haupttabernakel des Petersdoms schuf.
Francesca Bresciani scheint eine resolute Frau gewesen sein. Die beiden Historikerinnen haben Dokumente zur Arbeit Francesca Brescianis an der Dombauhütte gefunden, aus denen hervorgeht, dass sie sich sogar mit Gian Lorenzo Bernini anlegte, dem Star der damals dort beschäftigten Künstler. Bernini unterließ nichts, die ihm verhasste Bresciani aus der Dombauhütte zu vertreiben, doch es gelang ihm nicht. Zu sehr schätzten der Papst und die Kardinäle die Arbeit Francesca Brescianis.
"Sie verhandelte mit Kardinälen und Monsignori"
Die Historikerin Simona Turriziani: "Ein ähnlicher Fall ist der von Paola Blado im frühen 16. Jahrhundert. Sie war die Frau eines berühmten Typographen, der seine Werkstatt am Campo de‘ Fiori hatte. Nach dem Tod ihres Mannes übernahm sie die Geschäfte. Sie arbeitete vor allem für die Dombauhütte und für die Verwaltung. Sie war für den Druck sämtlicher päpstlicher Dokumente zuständig. Und sie war es auch, die mit Kardinälen und Monsignori verhandelte und ihr Unternehmen selbstbewusst leitete."
Sicherlich, auch im 20. oder 21. Jahrhundert gab und gibt es erfolgreiche Frauen. Unbekannt war aber, dass Frauen in der Dombauhütte keine Ausnahmeerscheinungen waren. Während erst seit einigen Jahrzehnten Laienfrauen auch in verschiedenen Bereichen der vatikanischen Verwaltung arbeiten dürfen, vor allem seit der Amtsübernahme von Papst Franziskus, scheint dies im Kirchenstaat, so wie er bis 1870 als Territorialstaat existiert hat, nichts Ungewöhnliches gewesen zu sein. Jedenfalls nicht in der Dombauhütte.
"Dombauhütte war seit ihrer Gründung für Frauen offen"
Die beiden Historikerinnen suchen seit Jahren nach Frauengeschichte im Vatikanarchiv. Das von ihnen herausgebrachte Buch enthält Porträts zahlreicher Frauen, die in der Dombauhütte tätig waren oder für sie arbeiteten.
Simona Turriziani: "Die Dombauhütte von Sankt Peter war seit ihrer Gründung im frühen 15. Jahrhundert immer auch für Frauen offen und damit einmalig im Vergleich zu anderen Institutionen dieser Art. Das beweisen historische Dokumente. Frauen arbeiteten dort in allen Bereichen: Sie transportierten Materialien, auch schwere Steine, sie waren Maurerinnen, fertigten Zement an, sie arbeiteten als Künstlerinnen, sie entwarfen Kunstwerke und Dekorationen oder waren für die Glasfenster der Basilika verantwortlich."
Und, das belegen die von den beiden Historikerinnen vorgelegten Dokumente, sie arbeiteten Hand in Hand mit ihren männlichen Kollegen. Offenbar gab es auch keine Vorgaben der Dombauhütte, die ihren weiblichen Mitarbeitern bestimmte Beschränkungen auferlegten. Unterschiede in der Entlohnung? Ebenfalls Fehlanzeige. Die Frauen erhielten in der päpstlichen Dombauhütte zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert die gleichen Gehälter wie Männer.
Doch die Frauen stellten nur einen kleinen Teil der Beschäftigten der Dombauhütte, erklärt Assunta Di Sante: "Sie waren keine große Gruppe. Genaue Zahlen kennen wir nicht. Aber es reißt auch nie ab. Im Laufe der Jahrhunderte sind immer wieder Frauen an der Dombauhütte beschäftigt worden. Was einzig an dieser Dombauhütte zählte: Qualität und Resultate."