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Mitgestalten statt demonstrieren

Zehn Jahre nach Start der europäischen Hochschulreform, dem sogenannten Bolognaprozess, räumt die österreichische Wissenschaftsministerin, Beatrix Karl, ein, "dass es an manchen Universitäten Probleme bei der Umsetzung gibt". Sie forderte die Studierenden auf, die Reform aktiv mitzugestalten.

Beatrix Karl im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Vor zehn Jahren begannen die europäischen Bildungsminister mit einem ehrgeizigen Vorhaben. Um grenzüberschreitend studieren zu können, sollten Studienpläne und Abschlüsse einheitlich gestaltet werden. Europäische Hochschulreform oder Bolognaprozess hieß der Plan. Eine Folge sind die auch in Deutschland eingeführten Bachelor- und Masterstudiengänge.

    Viele Studierende in Deutschland und Europa begrüßen zwar das Ziel, aber sie sind mit der Umsetzung nicht einverstanden und protestieren zum Teil seit Monaten. Deshalb fällt die heutige Jubiläumskonferenz des Bolognaprozesses in Budapest auch nicht nur glanzvoll aus.

    Wir haben es gehört: In Österreich fielen die Proteste gegen die Studienbedingungen in den letzten Monaten besonders krass aus. Zugeschaltet ist uns die österreichische Wissenschaftsministerin, Beatrix Karl von der ÖVP. Sie ist ebenfalls schon nach Budapest gereist. Guten Morgen!

    Beatrix Karl: Guten Morgen!

    Engels: Österreich war immer stolz, zu den führenden Ländern im europäischen Bolognaprozess zu gehören. Sind Sie das nach zehn Jahren immer noch?

    Karl: Wir haben den Bolognaprozess weitgehend umgesetzt, sehen aber jetzt natürlich auch, dass es an manchen Universitäten Probleme bei der Umsetzung gibt, wobei man auch sagen muss, dass viele Probleme, die an den Universitäten unabhängig von Bologna bestehen, auch Bologna in die Schuhe geschoben werden.

    Engels: Wir haben ja eben gehört: Die Proteste der Studierenden halten bei Ihnen an. Dort protestieren vor allen Dingen die Studenten gegen die Zugangsbeschränkungen an den Hochschulen. Das hat nichts mit Bologna zu tun?

    Karl: Das hat nichts mit Bologna zu tun. Wir bieten den Studierenden morgen bei der Konferenz in Wien an, dass sie aktiv mitgestalten können. Wir haben morgen einen Public Space für die Studierenden eingerichtet, wo sie mitdiskutieren können, aktiv mitgestalten können.

    Unser Motto ist, dass die Studierenden mitgestalten sollen, statt zu demonstrieren. Außerdem sind ja auch die Studierenden in den Delegationen vertreten. In meiner Delegation ist die Vorsitzende der österreichischen Hochschülerschaft mit dabei.

    Engels: Es sollte ja der Bolognaprozess vor allen Dingen der Vereinheitlichung dienen, damit man grenzüberschreitend studieren kann. Hat man darüber aber den finanziellen Ausbau der Hochschulen zu sehr vergessen?

    Karl: Man muss natürlich auf beides achten. Gute Qualität in der Ausbildung kostet natürlich auch. Aber Sie haben einen ganz wichtigen Aspekt der Bologna-Architektur angesprochen. Bologna bietet den Studierenden ein Mehr an Chancen, weil durch die Anrechenbarkeit und Vergleichbarkeit von Studienleistungen und akademischen Abschlüssen natürlich ein Mehr an Mobilität und Internationalität gegeben ist.

    Engels: Rund sieben Prozent der in Österreich Studierenden sind mittlerweile Deutsche. Viele vermeiden auf diesem Weg Numerus-clausus-Fächer und Studiengebühren. Auch das ist zwischenzeitlich zum Problem geworden. Auch eine Folge des Bolognaprozesses?

    Karl: Wir müssen auf europäischer Ebene über den Hochschulzugang nachdenken. Ich bin froh über jeden deutschen Studierenden, der nach Österreich kommt, weil er die österreichischen Universitäten für sehr gut hält. Ich selbst war ja auch drei Jahre in Deutschland und habe meine Zeit in München sehr geschätzt.

    Engels: Auf der anderen Seite ist das Problem, dass dann oftmals nicht genug Plätze für alle da sind. Muss Bologna einfach auch stärker möglicherweise regulieren, oder überlässt man das dem Wettbewerb, dass einfach die Studierenden dahin gehen, wo es ihnen am besten gefällt, aber möglicherweise Hochschulen überfordert sind?

    Karl: Die Studierenden sind natürlich mobiler geworden und werden sich natürlich auch ihre Hochschulen aussuchen. Der europäische Hochschulraum soll auch dazu dienen, dass die Studierenden die Möglichkeit haben, zum Beispiel ein Bachelorstudium in dem einen Land abzuschließen und dann in ein anderes Land zu gehen, um dort ein Masterstudium anzuhängen.

    Diese Möglichkeiten sollen ja durch Bologna gegeben werden. Wir sehen natürlich aber auch, dass es in manchen Ländern Probleme mit dem Hochschulzugang gibt, und das wird ein Thema sein, das wir auf europäischer Ebene diskutieren müssen.

    Engels: Ein weiteres Problem besteht darin, dass vielfach der Bologna-Prozess zu einer Art Verschulung des Studiums geführt hat. Viele Studierende beklagen, sie hätten gar keine Zeit mehr für Auslandsaufenthalte, weil sie in einem strengen Korsett stecken. Muss da Bologna grundsätzlich noch mal überdacht werden?

    Karl: Die Verschulung des Studiums hat nichts mit Bologna zu tun, weil: Bologna verschreibt die Verschulung nicht vor. Ich kenne an den österreichischen Universitäten auch viele verschulte Studienpläne in jenen Studien, die noch gar nicht auf die Bologna-Architektur umgestellt haben. Das ist, wie gesagt, eines der Probleme, das Bologna in die Schuhe geschoben wird. Ich möchte noch mal betonen: Bologna schreibt keine Verschulung vor.

    Engels: Haben Sie denn weitere Forderungen, wo der Prozess noch weiterentwickelt werden muss, wo möglicherweise auch Geld grenzüberschreitend ausgetauscht werden muss?

    Karl: Im Moment geht es auf österreichischer Ebene darum, dass die Studienpläne, die teilweise nicht so gut ausgestattet worden sind, wie wir es uns erwartet hätten, von den Universitäten weiterentwickelt werden müssen. Unsere Universitäten sind ja autonom. Das heißt, die Zuständigkeit für die Erstellung der Studienpläne fällt in die Senate und die von ihnen eingerichteten Kurrikula-Kommissionen.

    Hier besteht teilweise Bedarf zu einer Weiterentwicklung der Studienpläne, und das halte ich für sehr wichtig und das sollte so schnell wie möglich angegangen werden.

    Engels: Schauen wir noch einmal auf die ausländischen Studenten in Österreich. Österreich ist eines der Länder, wo deutsche Studierende am liebsten hingehen, um zu studieren. Was würden Sie denken, ist es dann einfach Vermeidung von Studiengebühren? Heißt: Muss man - umgekehrt - da einheitliche Regelungen schaffen?

    Karl: Es ist natürlich teilweise ein Vermeiden der Studiengebühren, teilweise - Sie haben es ja schon angesprochen - auch eine Umgehung des deutschen Numerus clausus. Diese Phänomene beobachten wir in Österreich. Wie gesagt wichtig ist, dass wir auf europäischer Ebene auch eine Diskussion über den europäischen Hochschulzugang führen, und wir werden sehen, zu welchen Ergebnissen hier kommen.

    Engels: Muss man dann möglicherweise auch noch einmal die Bildungsstandards gleicher, ähnlicher machen?

    Karl: Der europäische Hochschulraum wächst immer mehr zusammen. Das ist eine sehr wichtige Entwicklung. Wir brauchen einen sehr starken europäischen Hochschulraum, einen sichtbaren europäischen Hochschulraum, und natürlich befinden sich im europäischen Hochschulraum auch unsere Hochschulen in einem Wettbewerb, genauso wie sich die Studierenden dann später auch im Berufsleben in einem Wettbewerb befinden, der heute natürlich immer internationaler ausgerichtet ist.

    Engels: Der Bolognaprozess ist ja verlängert worden. Ursprünglich sollte er bereits abgeschlossen sein. Welches ist Ihr Hauptziel? Was wünschen Sie sich in den nächsten ein bis zwei Jahren? Was muss besser werden für die Studierenden?

    Karl: Ich wünsche mir, dass die Umsetzung auf nationaler Ebene den Zielen der Bologna-Architektur gerecht wird, dass die Bologna-Idee sowohl auf europäischer Ebene, als auch auf nationaler Ebene gelebt wird.

    Engels: Beatrix Karl von der ÖVP. Sie ist die Wissenschaftsministerin von Österreich und nimmt heute an der Konferenz in Budapest teil. Dort wird an zehn Jahre Bolognaprozess erinnert. Vielen Dank für das Gespräch.

    Karl: Danke.