Unter den festen Schuhen von Kenan Beqiri knirscht der Schnee – während er entspannt über die Brücke geht, von Süd- nach-Nord-Mitrovica.
"Ich gehe oft hier her", meint der Kosovoalbaner, "meine Schwiegereltern leben im serbischen Norden". Kenan Beqiri arbeitet für die Nichtregierungsorganisation CBM, die sich für ein Zusammenleben in Mitrovica stark macht. In zwei, drei Minuten ist Kenan Beqiri drüben, auf der serbischen Seite.
"Das ist sie die berühmte Mauer!"
Etwa 20 Meter lang und 1,30 Meter hoch ist das politisch heikle Bauwerk – das auf Druck teilweise abgetragen werden musste. Die Mauer soll eine entstehende Fußgängerzone schützen, vor möglichen Angriffen vom Süden her – so die serbische Lesart. Sie muss abgerissen werden. Das hingegen ist ein Beschluss des Parlaments in Pristina.
"Normalerweise ist es ruhig hier, aber es kann hier eben innerhalb einer Stunde eskalieren. Wenn jemand davon profitiert das es Unruhen gibt, dann passieren auch welche."
Eine wachsende Kluft
Kenan Beqiri geht noch ein Stück weiter. Viele grüßen ihn, und er nickt zurück. Anders als er haben viele Bewohner von Mitrovica keine Kontakte mehr auf die jeweils andere Seite und die Kluft wächst. Vor allem bei Jugendlichen, wie eine Studie kürzlich zeigte. Auch diese beiden Jugendlichen kennen niemanden im Süden der Stadt.
"Wir wollen später bei einer Bank oder so arbeiten, das Leben hier ist nicht so gut. Ich will dann ein in ein anderes Land ziehen, das besser entwickelt ist. Nach Sacramento vielleicht. Zu Jungen auf der anderen Seite haben wir keine Kontakte, warum wissen wir auch nicht. Wir haben einfach keine."
Nord-Mitrovica wirkt heruntergekommen, die Post ist ein Trümmerhaufen, Autos fahren ohne Nummernschild und nach Expertenmeinung blüht hier die organisierte Kriminalität. Die Arbeitslosigkeit ist hoch.
Dieses Problem haben sie auch ein paar hundert Meter entfernt im Süden. Dort hat Agim Bahtiri sein Büro. Seit drei Jahren ist der albanischer Bürgermeister von Mitrovica. Wirtschaftliche Entwicklung ist ihm ein besonderes Anliegen und Agim Bathiri nimmt auch an dem Brüsseler Dialog teil, der die Beziehungen von Serbien und dem Kosovo verbessern soll. Sein Thema dort: die Brücke über den Ibar. Die Barrikaden seien nach und nach verschwunden, die Brücke werde renoviert und auch die neue illegale Mauer auf der serbischen Seite müsse noch weg.
"Wir wollen keine Berliner Mauer. Die Menschen sollen sich frei bewegen können. Und die Mauer hat nun verhindert, dass die Brücke im Januar geöffnet werden kann. Natürlich hat uns das zurückgeworfen. Aber wir arbeiten hart daran, dass die Brücke bald für den Verkehr geöffnet wird."
Der Aufbau gesamtkosovoarischer Strukturen wird nicht nur politisch torpediert. Anfang Januar explodierte ein Sprengsatz in Nord-Mitrovica vor einem künftigen gesamtkosovarischen Gerichtsgebäude. In den Fensterscheiben bis heute zwei Einschusslöcher.
"Für den serbischen Bürgermeister Kollegen ist es schwieriger als für mich. Denn er hat noch mit den Parallelstrukturen zu kämpfen, die ihm von Serbien aus diktiert werden. Diese sollen verhindern, dass wir gemeinsam und gut zusammenarbeiten und deswegen passiert auch so etwas."
Leider hat der serbische Bürgermeister keine Zeit für ein Gespräch wie es heißt. Trotzdem. Dank der Kontakte mit dem serbischen Bürgermeister im Nordteil gäbe es weit weniger ethnisch motivierte Gewalt. Nur sieben Zwischenfälle seien es in den letzten drei Jahren gewesen.
Hoffen auf den politischen Willen
Zurück zu Kenan Beqiri. Nach seinem Brückenspaziergang wärmt er sich in einem Café auf. Seine NGO CBM will die Lokalpolitik zum demokratischen Austausch mit den Bürgern motivieren und die Korruption bekämpfen – sie bringt Schüler zusammen aus ganz Mitrovica oder unterstützt Start-ups für Frauen. Irgendwie strahlt der Mann einen unverbesserlichen Optimismus aus.
"Wenn man sich die Wirtschaft anschaut – beide Seiten machen Geschäfte miteinander und wenn der politische Wille da wäre, dann könnten wir gut miteinander auskommen. Wenn man uns in Ruhe arbeiten lassen würde, wäre das kein Problem."
Und wenn wir das mit der Brücke nicht hinkriegen, grinst er zum Abschied, dann machen wir für ausländische Touristen eben ein Museum draus.