Die Mitte der Gesellschaft wird immer empfänglicher für menschenfeindliche Positionen. Rund acht Prozent der Befragten haben ein rechtsextremes Weltbild. Das ist das Ergebnis der aktuellen Mitte-Studie.
Und speziell der Vereinsfußball hat ein gravierendes Problem. Denn ein weiteres Ergebnis der Studie lautet, dass rassistische Aussagen von Mitgliedern von Fußballvereinen – im Vergleich zu Mitgliedern anderer Sportvereine oder Menschen ohne Mitgliedschaft in einem Verein – weit überdurchschnittlich bejaht werden. Es geht um Aussagen wie diese: "Weiße sind zu Recht führend in der Welt." Oder: "Wenn sich schwarze Menschen mehr anstrengen würden, würden sie es auch zu etwas bringen."
Vereinsfußball ist Spitze "in Sachen schlechtes Benehmen"
Einen möglichen Grund dafür erklärt Hannes Delto, Sozialpsychologe an der Universität Osnabrück und Co-Autor der Mitte-Studie: "Im Fußball ist es so eine Art Zusammenspiel aus Wettbewerb, Männlichkeit und Körperlichkeit, das den Vereinsfußball am Ende zu einem Ort des exklusiven Zusammenhalts machen kann, der Menschen mit diesen Einstellungen hervorbringen kann und Menschen mit ihren gemeinsamen rassistischen Einstellungen abholen und zusammenbringen kann. Und das sind unter anderem die Faktoren und Konstellationen, die rassistische Einstellungen im Fußball auf jeden Fall begünstigen."
Christian Gaum, Sportpädagodik-Professor an der Ruhr-Uni Bochum, sieht ebenfalls eine Verflechtung "in Sachen schlechtes Benehmen" und "Fußballkultur" – etwa bei Beleidigungen und Provokationen.
Für Gaum ist aber zumindest "ein Stück weit überraschend", dass sich gerade im Fußball ein solches Bild bietet: "Weil dort zumindest von der Organisation unglaublich viel Arbeit in Kampagnen investiert wird, um dem entgegenzuwirken. Das scheint nicht so ganz zu fruchten."
Gaum: Trainerinnen und Trainer sollten nicht überlastet werden
Wie können also im Fußball-Alltag Werte vermittelt werden, ohne dass Vereinsarbeit überfrachtet wird? Christian Gaum betont im Dlf-Interview, es sei "unglaublich schwierig zu messen", was der Sport in Sachen Wertevermittlung, integrativem Potential und demokratischer Bildung bewirken könne.
In jedem Fall sollten Übungsleiterinnen und -leiter nicht überlastet werden: "Für die praktische Arbeit sind zwei Dinge ganz wichtig. Das erste ist: Wenn Trainerinnen, Übungsleiter als Vorbilder agieren sollen, dann dürfen wir sie auch nicht überfordern." Denn zunächst hätten diese bereits Stress damit, den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten.
Sportpädagoge fordert frühe Reaktionen auf "Fehlüberzeugungen"
Es sei allerdings wichtig, frühzeitig zu reagieren "wenn Personen dort Dinge kundtun, wo wir sagen: Das wollen wir nicht haben". Der Sportpädagogik-Professor betont: "Das Ignorieren, nach dem Motto, das wird schon wieder weggehen, ist sehr problematisch. Erstens wird somit das nicht Gewollte, das nicht Sagbare, wieder sagbar. Und dann auch irgendwann zur Überzeugung, dass das völlig okay ist."
Und auch die anderen im Verein müssten im Blick behalten werden, so Gaum: "Zweitens verliere ich auch sehr viele von den Menschen, die eben nicht in solche ideologischen Entgleisungen oder auch Fehlüberzeugungen hineinlaufen. Die gehen tatsächlich. Und genau die müssten wir ja halten." In diesem Sinne müsse man klare Grenzen ziehen.
Ignoranz bietet menschenfeindlichen Haltungen Raum zur Etablierung
Eine Stoßrichtung, die auch die Professorin Beate Küpper, Co-Autorin der Mitte-Studie, zuletzt im ZDF-Heute-Journal andeutete. Gegen Radikalisierung helfe mehr Aufmerksamkeit für die, die sich für Demokratie engagieren und weniger für die, die Demokratie verachten.
Sportpädagoge Gaum fragt selbst: "Wie viel Aufmerksamkeit gebe ich einer oftmals sehr lauten Gruppe, die dann aber doch oft gar nicht so dominant ist in ihrer Anzahl? Wir können es aber nicht ignorieren, dass die dort Dinge schreien, die wir nicht haben wollen. Dann ist genau dieses Problem, dass solche Gruppierungen ihre Deutungshoheit dadurch auch erst gewinnen."
Vorbilder, wie etwa Vereine, in denen zum Beispiel "Menschen ganz unterschiedlicher Einstellungen, unterschiedlicher Merkmale, zusammen Sport treiben", sollten in den Vordergrund gestellt werden. Mit Nachdruck verweist Christian Gaum aber auf die Notwendigkeit, "die anderen nicht im Stillen vor sich hin werkeln zu lassen. Dann bilden sich solche Nischensektoren und teilweise, insbesondere in der Fankultur, tatsächlich auch Unterwanderung."