Fragile Mitte, gespaltene Mitte, das waren die Titel der Bielefelder Mitte-Studie im letzten und vorletzten Jahr. In diesem Jahr steigern die Autoren die Warnung weiter: Verlorene Mitte nennen sie die Auswertung, die sie alle zwei Jahre im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung vorlegen.
Dabei sind einige Nachrichten gut. So gibt die große Mehrheit der knapp 2.000 Befragten der Demokratie gute Noten. Und ist außerdem sensibel für deren Bedrohung. Der Leiter der Studie, Andreas Zick, nennt Beispiele aus der Befragung.
"'Es ist unerlässlich, dass Deutschland demokratisch regiert wird.' - Dem stimmen 86 Prozent der Befragten zu. 'Die deutsche Demokratie funktioniert im Großen und Ganzen ganz gut.' – Dem stimmen immerhin noch 65 Prozent zu. 60 Prozent der von uns Befragte sind der Meinung: 'Der Rechtspopulismus in unserer Gesellschaft bedroht die Demokratie.'"
West und Ost gleichauf
Dass die Studie trotz solcher positiver Aussagen ein warnendes Fazit zieht, liegt daran, dass die Autoren festzustellen meinen, dass sich rechtspopulistische Einstellungen und menschenfeindliche Vorurteile in der Bevölkerung verfestigen.
Dabei sind laut Studie die Zustimmungswerte für rechtsextremistische Aussagen gesunken, und zwar besonders deutlich im Osten, Ost und West liegen jetzt gleichauf bei Zustimmungswerten von 2,4 Prozent.
Fremdenfeindlichkeit allerdings machen die Autoren bei fast neun Prozent der Befragten aus. Gemessen wird dieser Indikator, wie alle anderen, durch die Antworten auf mehrere Fragen. Und so ist auch die Antwort auf die Frage, die Zick konkret nennt, nur ein Indikator neben anderen:
"'Es leben zu viele Ausländer in Deutschland.' Dem stimmen 35 Prozent der Befragten. Zu viele Ausländer - das in einem Land, in dem ja nun der Anteil von Menschen, die sich so bezeichnen, hoch ist."
Jeder Zehnte vertritt rassistische Positionen
Von einer so verstandenen Fremdenfeindlichkeit trennen die Autoren den Rassismus. "Einen Rassismus, der ethnisch, der biologisch ist, teilt etwa jeder zehnte Befragte."
Etwa gleichgeblieben ist die Einstellung zu Sinti und Roma, die mehr als 18 Prozent ablehnen. Der Antisemitismus nimmt ab, auch wenn hier die Zahlen zu den Vorjahren aus statistischen Gründen schwer vergleichbar sind. Zunimmt - so nennen es die Autoren - ein israelbezogener Antisemitismus.
Der erschöpft sich nicht in der Ablehnung israelischer Politik, sondern setzt sie zum Teil mit NS-Praktiken gleich.
Seit 2002 misst das Bielefelder Institut die Werte für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in konkreten Ausprägungen. Teilweise gibt es da gute Nachrichten. So teilen immer weniger Befragte sexistische oder schwulenfeindliche Aussagen.
Dass die deutsche Gesellschaft durch den Islam unterwandert wird, hält dagegen die Hälfte der Bevölkerung wenigstens für möglich. Mindestens teilweise stimmen mehr als 40 Prozent der Befragten der Aussage zu, die meisten Flüchtlinge würden in ihrer Heimat nicht verfolgt.
Geteilte Reaktionen
In den vergangenen Jahren stieß die Studie in ihrer Anlage teilweise auf Kritik. Im TV-Auftritt der Welt moniert heute auch der Berliner Extremismusforscher Klaus Schröder, Aussagen wie, es lebten zu viele Ausländer in Deutschland, oder, eine Mehrheit der Flüchtlinge werde nicht verfolgt, hätten für sich allein genommen, ohne Gründe und Argumente des Befragten zu kennen, keinen Wert. Auch die Zuschreibung als rechtspopulistisch hält er für vereinfacht.
"Es gibt auf der linken Seite genauso Populismus. Gerade beim israelbezogenen Antisemitismus gehe ich davon aus, dass das auf der linken Seite stärker verankert ist als auf der rechten Seite, oder gleich stark."
Im Sender n-tv begrüßt dagegen - auch entgegen der Wertung der Autoren - der Extremismusforscher Hajo Funke die Ergebnisse der Studie: "Es sind nach wie vor nicht mehr als gut 20 Prozent, die was gegen Musliminnen und Muslime haben. Das war schon mal anders. Erst recht auf dem Höhepunkt der Hetze und der Agitation etwa der AfD." Immer mehr Menschen wendeten sich gegen Hetze und stellten die Menschenwürde an erste Stelle.