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Mittelmeer
EKD will sich an Seenotrettung beteiligen

Die Evangelische Kirche will gemeinsam mit anderen Organisationen ein Schiff kaufen, um damit Flüchtlinge zu retten. Man werde sich mit den jetzigen Zuständen auf dem Mittelmeer nicht abfinden, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm. Der Zuspruch der Gläubigen sei enorm.

Von Regina Steffens |
Flüchtlinge aus Afrika kommen an einem Hafen in Spanien an.
Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKG, zur Seenotrettung: "Wir werden uns jedenfalls nicht abfinden mit den jetzigen Zuständen. Wir wollen in großer Einmütigkeit mithelfen, dass wir endlich politische Lösungen für dieses Thema finden." (picture alliance/Javier Fergo/dpa)
Die Resolution "Schicken wir ein Schiff" vom Evangelischen Kirchentag im Juni soll Realität werden.
"Wir werden nicht zum Reeder werden. Wir werden auch das Schiff nicht betreiben, sondern das werden wir denen, die sich damit gut auskennen, überlassen. Aber wir setzen ein Zeichen, dass wir diese Aktivität auch als Kirche ausdrücklich unterstützen."
Christliche Werte, "nicht bloß Worte"
So will die Evangelische Kirche in den nächsten Wochen einen Verein gründen: Gemeinsam mit Hilfsorganisationen, Unternehmen, Schulen, Sportvereinen, Theatern soll ein Schiff gekauft und betrieben werden, so Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKG in der heutigen Bundespressekonferenz.
"Wir werden uns jedenfalls nicht abfinden mit den jetzigen Zuständen. Wir wollen in großer Einmütigkeit mithelfen, dass wir endlich politische Lösungen für dieses Thema finden, das mit unseren humanitären Traditionen vereinbar ist und das sichtbar macht, dass die Rede von den christlichen Grundorientierungen in Europa nicht nur bloße Worte sind, sondern auch wirklich zum Handeln führt."
Ein hoher sechs- bis niedriger siebenstelliger Betrag sei nötig, über ein konkretes Schiff werde bisher noch nicht verhandelt. Die Kirche zeigt sich optimistisch hinsichtlich der Finanzierung durch Spenden. Es habe zwar kritische Briefe gegeben, aber der Zuspruch für "Schicken wir ein Schiff" sein enorm hoch gewesen.
"Es sind auch Mails dabei oder Briefe, die sagen: Jetzt weiß ich wieder, warum ich Kirchensteuer zahle. Oder: Ich war noch nie so stolz auf meine Kirche. Es sind nicht wenige Mails, die diesen Ton haben."
Der heutige Bericht von Ärzte ohne Grenzen und dem Bündnis Seebrücke zur Seenotrettung ist ernüchternd. Christoph Hey war für Ärzte ohne Grenzen in Libyen und beschreibt die Zustände in den Auffanglagern als entsetzlich und unmenschlich.
"Sie können sich vorstellen, dass in einem Gebäude mitunter 45 Menschen auf weniger als 70 Quadratmetern hausen, so muss man das sagen. Es gibt dort keine Frischluftzufuhr, es gibt dort kein Tageslicht, das dort hereinkommt, die Toiletten und die Duschen, die es dort in ganz weniger Anzahl gibt, sind die Hälfte der Zeit kaputt. Und die Leute kommen zu alledem an sieben Tage der Woche nicht nach draußen."
Kritik an Seehofer, Maas, Salvini
Die Hilfsorganisationen bekräftigen ihre Forderungen: Seenotrettung dürfe nicht weiter kriminalisiert werden, die Europäischen Staaten müssten sich auf einen Verteilungsschlüssel und sichere Häfen einigen. Die Kritik richtet sich rückblickend gegen Italiens Ex-Innenminister Salvini, aber auch gegen die Bundesregierung. Ärztin Barbara Held:
"Italien wäre zum Beispiel, lange bevor Carola Rackete in den Hafen von Lampedusa einfuhr zu einer Anlandung der Geretteten der Sea-Watch 3 bereit gewesen, wenn Deutschland diese tatsächlich aufgenommen hätte. Und es gab Städte, die sich bereit erklärt haben. Es waren Seehofer und Maas, die Bedingungen stellten. Sie sind für die Situation also genauso verantwortlich wie Salvini."
Forderung nach vernünftigem Verfahren
Potsdam ist eine dieser 90 Städte und Kommunen, die sich bereit erklärt hätten. Oberbürgermeister Mike Schubert vertritt diese "sicheren Häfen" in Deutschland.
"Keiner von uns in den 90 Städten fordert vom Bundesinnenminister, dass er sich in den Flieger nach Palermo setzt, von dort Geflüchtete mitbringt und sie auf eine Art und Weise verteilt. Es geht um ein vernünftiges Verfahren und einen vernünftigen Umgang mit den 90 Städten, die sich hier erklärt haben."
Das Bundesinnenministerium habe das Engagement bisher geschätzt, aber die Forderungen ignoriert, so Schubert.
"Im Umkehrschluss ist es so, wenn man uns ignoriert, als würde man die Bürgerinnen und Bürger dieser Städte bei ihrer Forderung ignorieren. Und das geht nicht."