Kapitän Salvo Lupo lässt die 2000 PS-Maschine des Schleppers Alessandro Secondo anwerfen, dann dreht er ihn behutsam weg von der Mole. Notruf mitten in der Nacht, Ende Dezember, ein Flüchtlingsschiff liegt mit einer Havarie vor der Küste von Kalabrien. Die Männer der Küstenwache sind bereits von einem Hubschrauber auf dem führerlosen Frachter Sandy abgesetzt worden, jetzt muss ihn jemand in den sicheren Hafen schleppen. Salvo Lupo macht das nicht zum ersten Mal. Aber heute tut es ihm besonders leid.
"Die Menschen auf dem Schiff haben allerhand mitgemacht, werden alle ziemlich seekrank sein. Meiner Meinung nach haben sie ihr Leben riskiert bei dieser Überfahrt. Außerdem ist das Schiff ausgesprochen instabil."
Langsam nähert sich der Schlepper dem 40 Jahre alten Frachter, der schon Schlagseite hat. Im Ionischen Meer ist es derzeit ständig ausgesprochen stürmisch. Die Sandy hätte leicht kentern können. Per Funk werden die letzten Anweisungen zum Werfen des Schlepptaus übermittelt.
"Ihr übernehmt das Tau von uns am Bug", ordnet der Mann von der Küstenwache an.
Küstenwache hilft nicht in internationalen Gewässern
Private Schiffseigner werden von der italienischen Marine zur Menschenrettung auf hoher See verpflichtet, seit Triton die Aktion Mare Nostrum abgelöst hat, die sich vor allem auf den Schutz der Küsten und nicht der Flüchtlinge konzentriert. Der Einflussbereich von Triton ist laut Italiens Innenmister Angelino Alfano kategorisch festgelegt.
"30 Seemeilen vor der italienischen Küste endet Europa, bis dahin helfen wir. Dahinter befinden sich die internationalen Gewässer und dort gilt das internationale Seerecht."
Dieses internationale Seerecht nimmt auch die zivile Schifffahrt mit in die Pflicht, erklärt Verteidigungsministerin Renata Poletti:
"Jedes x-beliebige Schiff, das auf hoher See einen Hilferuf bekommt, muss diesem folgen. Insofern ändern sich bei der Triton-Mission jetzt die Regeln. Schiffe, die sich in der Nähe eines Notfalls befinden, müssen sofort eingreifen, da gibt es keine Ausnahme."
Kosten auf Schiffseigner abgewälzt?
Gemeint sind nicht nur die unzureichenden europäischen Marineeinheiten von Triton, sondern sämtliche Schiffe, Frachter, Container, Tanker, und eben auch die privaten Schlepper, die immer häufiger gebraucht werden, um die Seelenverkäufer mit oft vielen Hundert Flüchtlingen sicher an Land zu bringen, nachdem sie von den Schleppern im Stich gelassen wurden. Italien und die EU sparen mit der Aktion Triton 60 Prozent der bisherigen Kosten für die Rettung von Schiffbrüchigen, die jetzt auf andere abgewälzt werden, beschwert sich Vittorio, der Schiffseigner des Schleppers Alessandro Secondo, nach der Rettung der Sandy.
"Für diese Aktion habe ich alleine 600 Euro an Dieseltreibstoff ausgegeben. Dazu kommen noch die Überstunden für die Mannschaft. Wer zahlt mir das?"
Manchmal kostet der Rettungseinsatz mehr als Geld. Während die Norman Atlantic brennend in der Adria trieb, riss ein Schlepptau und zwei von Salvos Kollegen auf einem albanischen Schlepper starben, als sie von dem zurückschnellenden Tauende getroffen wurden. Immerhin hat bei der jüngsten Rettungsaktion am vergangenen Freitagabend zum ersten Mal ein isländisches Schiff der Triton-Truppe den Flüchtlingsfrachter Ezadeen nach Kalabrien geschleppt. Dort warteten dann wieder Salvo und seine Mannschaft auf den Konvoi, um ihn sicher in den Hafen zu bugsieren, gratis. Menschenrettung sei sowieso nicht mit Geld zu bezahlen, sagt Salvo Lupo stoisch, als vor ihm das Schiff und seine menschliche Fracht auftauchen.
"Schau nur, wie verfroren sie alle sind. Und die vielen Kinder an Bord ganz kleine Kinder, Vai, mach zu, wirf die Leinen, na endlich."