Im Durchschnitt brauen sich jedes Jahr ein bis zwei Medicanes im Mittelmeer zusammen. Genauso wie ihre großen Brüder im tropischen Atlantik, die Hurrikanes, bilden sie sich über dem offenen Ozean. Dabei gibt es zwei regionale Hot Spots. Dort kommt es auch zu den stärksten Winden und größten Wellenhöhen in Verbindung mit den mediterranen Wirbelstürmen. Das zeigen aktuelle Studien von Forschern der Universität Athen.
In Wetterdaten analysierten sie jetzt rückblickend 45 Medicanes seit dem Jahr 1994. Zu der Arbeitsgruppe zählt auch der Physiker Platon Patlakas:
"Eine der beiden Regionen liegt ziemlich zentral, südlich der Adria. Und die andere im Golf von Lion vor der französischen Küste. Griechenland ist besonders gefährdet. Aber auch Malta, Sizilien und die nordafrikanischen Länder können echte Probleme mit Medicanes bekommen."
In zwei Tagen 500 Liter Regen pro Quadratmeter
Griechenland erwischte es nicht nur vor genau zwei Jahren, sondern noch einmal zehn Monate später, Ende September 2018. Damals traf ein Tiefdruckwirbel namens Zorbas auf die Südwestküste, in der Nähe der Hafenstadt Kalamata. Stavros Dafis, griechischer Atmosphärenforscher und Doktorand an der Polytechnischen Hochschule Paris:
"Mit diesem Tiefdruckwirbel waren riesige Regenmengen verbunden. An manchen Stellen fielen 500 Milliliter Niederschlag innerhalb von zwei Tagen. Das ist mehr als die gesamte Jahressumme in Athen."
Ein Medicane aus jüngerer Zeit erhielt sogar einen deutschen Vornamen. Rolf wurde im November 2011 östlich von Mallorca geboren, zog dann nach Norden durch den Golf von Lion und produzierte am Ende bis zu zehn Meter hohe Wellen vor der südfranzösischen Küste.
Ein Medicane ist wie ein kleiner Hurrikan
Medicanes sind Tiefdruckwirbel, die eine sogenannte tropische Umwandlung durchmachen und dann ähnliche Merkmale aufweisen wie Hurrikanes:
"Ein Medicane hat einen warmen Kern und eine symmetrische Form. Die höchsten Windgeschwindigkeiten treten dicht am Zentrum des Wirbels auf und nicht an seinem Rand. In mittleren Breiten ist die Wetterschicht zwar viel niedriger als in den Tropen, und Wirbelstürme ragen hier nicht so gewaltig auf. Außerdem ist das Meer nicht so warm und energiereich. Aber man kann schon sagen: Ein Medicane ist wie ein kleiner Hurrikan, der Dich trifft!"
Die Mini-Hurrikanes entstehen meist im Herbst, wenn es zu ersten Kälte-Einbrüchen aus dem Norden kommt und die kühlen Luftmassen auf die noch warme Luft über dem Mittelmeer treffen. Die Atmosphäre neigt dann dazu, Wirbel auszubilden. Sie wachsen weiter, wenn der Wind in dem Gebiet ziemlich gleichförmig über alle Höhen weht, so dass die Wirbel nicht von ihm zerzaust werden. Man spricht in einem solchen Fall auch von schwacher Windscherung.
Stürme dauern länger und werden gefährlicher
Allerdings wirbele ein Medicane normalerweise kaum länger als einen Tag, so Stavros Dafis:
"Die letzten drei Medicanes dauerten aber mehr als zwei Tage lang. Außerdem haben wir Hinweise darauf, dass sie gefährlicher werden und größere Unwetterschäden verursachen. Es gibt Studien, die besagen, dass Medicanes in Zukunft zwar nicht häufiger werden, aber dass ihre Zerstörungskraft steigt, wenn sich das Klima weiter erwärmt. Das bedeutet nämlich noch mehr Energie für diese Wirbelstürme. Und die entladen sie dann in den Ländern, die sie treffen."
Auch aus diesem Grund plädieren die griechischen Atmosphärenforscher für bessere Frühwarnsysteme am Mittelmeer. Medicanes seien nur schwer vorherzusagen, sagt Stavros Dafis. Die heutigen Wettermodelle lösten oft falschen Alarm aus und sollten verbessert werden:
"Erst vor kurzem gab es eine Warnung vor einem Medicane im östlichen Mittelmeer. Es hieß, er werde Ägypten, Jordanien und Israel treffen. Alle Modelle sagten das vorher. Aber dann ist nichts passiert. Das war eine große Farce."