Silvia Engels: Die Art des exzessiven Landverbrauchs treibt den Klimawandel an, und der Klimawandel selbst beeinträchtigt wiederum zunehmend die Möglichkeit, die Weltbevölkerung überhaupt noch zu ernähren. Den Bericht des Weltklimarats speziell zum Zusammenhang zwischen Klimaentwicklung und Landnutzung hat ein internationales Forscherteam erstellt. Einer der Forscher und Berichterstatter für dieses Thema ist Professor Hans-Otto Pörtner, er forscht am Alfred-Wegener-Institut in Kiel und er ist nun am Telefon. Guten Tag, Herr Professor Pörtner!
Hans-Otto Pörtner: Guten Tag, Frau Engels! Ich darf Sie da gleich korrigieren. Das Alfred-Wegener-Institut ist in Bremerhaven, nicht in Kiel.
Engels: Dann haben Sie das zurecht korrigiert. Noch mal kurz zusammengefasst, wenn wir jetzt auf den Bericht schauen. Was geschieht denn Ihrer Ansicht nach mit dem Weltklima, wenn in Sachen Landwirtschaft nicht wirklich radikal umgedacht wird?
Pörtner: Nun, der Landsektor, die Landwirtschaft ist Teil des globalen Problems Klimawandel und die Landwirtschaft und Forstwirtschaft weltweit steuert 23 Prozent der menschengemachten Emissionen bei, ist damit ein Treiber für den Klimawandel. Das ist die eine Seite, die andere Seite ist aber, dass das Land und seine Landnutzung auch Teil der Lösung ist. Durch entsprechende Umstellungen können wir die Fähigkeit des Landes und der Ökosysteme erhöhen, Kohlenstoff, CO2, de facto zu speichern, und eine nachhaltige Landwirtschaft würde auch gleichzeitig Schutz für unsere Böden bedeuten. 25 Prozent der Böden, die der Mensch nutzt – und wir nutzen bereits 70 Prozent der eisfreien Erdoberfläche –, sind bereits geschädigt und haben ihre Fähigkeit vielleicht noch nicht ganz verloren oder nur noch eingeschränkt, für den Menschen Nahrung zu liefern, aber auch eben Kohlenstoff zu speichern und zum Klimaschutz beizutragen.
"Wir brauchen massive Emissionsreduktionen"
Engels: Sie sagen also, der Prozess ist noch umkehrbar, wenn man jetzt radikal umsteuert, dann kann in der Tat der Zusammenhang des Temperaturanstiegs auch gerade durch intensive Umsteuerung hier noch gebremst werden?
Pörtner: Ja. Die Umstellung in eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft wäre ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, das haben wir ja schon im Bericht zur globalen Erwärmung von 1,5 Grad Celsius im letzten Jahr betont. Wir brauchen als Grundvoraussetzung dafür erst mal die massiven Emissionsreduktionen im Bereich Energie und Transport. Und wir brauchen dazu eben auch eine Bereitschaft der Gesellschaft im Bereich Landnutzung, die Umstellung zu unterstützen, den Konsum entsprechend umzustellen und hier in eine Landwirtschaft einzusteigen, die Artenvielfalt respektiert, den Boden schützt, und gleichzeitig in eine Forstwirtschaft einzusteigen, die auch die natürlichen Schutzfunktionen der Wälder nutzt, um dort die Maßnahmen zu verstärken.
"Klimaschutz ist Sache der Völkergemeinschaft"
Engels: Nun haben ja Ihre Forschungen als Grundlage Daten gehabt, die bislang bekannt waren. Jetzt sehen wir aber ja jüngst ganz neue Entwicklungen, die eher in die leider klimaschädliche Richtung gehen. Ausgeweitete Rodungen im brasilianischen Regenwald, jetzt auch in diesem Sommer exzessive Waldbrände in Sibirien. Inwieweit sind diese Daten schon eingeflossen oder machen die das nicht alles noch schlimmer?
Pörtner: Das sind unschöne Tendenzen, wenn man sie aus der Sicht dieses Berichts sich anschaut. Wir müssen ganz klar sagen, dass diese Maßnahmen komplett den Botschaften dieses Berichtes entgegenlaufen, hier ist viel internationale Aufklärungsarbeit und Koordinierungsarbeit zu leisten. Denn was den Klimaschutz angeht, das ist nicht Sache eines einzigen Landes, das ist Sache der Völkergemeinschaft, da sitzen wir alle in einem Boot, und da sind solche Entscheidungen eben kontraproduktiv und umzukehren. Das bedarf aber auch einer entsprechenden Information der Bevölkerung. Die gesellschaftliche Mobilisierung ist für den Klimaschutz ungeheuer wichtig, das sehen wir ja auch bei uns im Lande, wo eigentlich erst auf der Basis unserer Berichterstattung im letzten Jahr erst mit der Mobilisierung der jungen Generation bei uns und auch in anderen Ländern und weltweit der Druck auf die Politik so groß geworden ist, dass dort entsprechende Umsteuerungen jetzt tatsächlich angedacht werden, weil man sieht, man verliert Wählerstimmen und man muss etwas tun. Und die Fachreferate, die die entsprechenden Einsichten haben, können sich jetzt auch besser durchsetzen und werden gehört. Das ist eine positive Entwicklung, die letztendlich erforderlich ist, um eben diesen alternativlosen Schritt in den Klimaschutz zu schaffen.
"Die Zeit läuft uns weg"
Engels: Sie waren ja gerade bei der Pressekonferenz des Bundesumweltministeriums mit dabei, haben also die Reaktionen aus der Politik gehört. CO2-Begrenzung ist da ein vielgehörtes Stichwort, Herr Müller hat sich dann auch anders noch geäußert, der Entwicklungshilfeminister, Einschränkungen von Soja und Palmölimporten. Angesichts der Bedrohung durch den Klimawandel, sind das nicht nur harmlose Nadelstiche, ist das nicht alles viel zu wenig?
Pörtner: Das sind wichtige Schritte, aber die Dimension der Umstellungen ist schon enorm. Wir müssen im Prinzip die Dinge eigentlich immer unter die Frage stellen, was bedeutet das für den Klimaschutz, das heißt, Emissionsminderung muss eine Vorgabe sein, die erstens die Politik sich zu Herzen nimmt, zweitens sich aber auch jeder einzelne zu Herzen nimmt. Wir haben die Möglichkeit, die Dinge anders zu machen, wir sollten sie anders machen und wir sollten umsteuern, um Klimaschutz wirklich ernst zu nehmen, ganz oben auf die Agenda zu setzen. Die Zeit läuft uns weg, der 1,5-Grad-Bericht hat ja sehr eindeutig gezeigt, dass eine globale Emissionsreduktion quasi unvermittelt angestrebt und umgesetzt werden muss, um eben ein 1,5-Grad-Ziel noch erreichen zu können.
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