Januar 2008 – in der schwedischen Stadt Örebro. Ein indisch-stämmiger Patient wird in die Universitätsklinik aufgenommen. Zuvor hatte er sich in Neu-Delhi wegen einer hartnäckigen Infektion behandeln lassen. Als die schwedischen Ärzte sein Blut untersuchen, machen sie eine überraschende Entdeckung: Sie finden Coli-Bakterien und Keime der Art Klebsiella pneumoniae mit einem ungewöhnlichen Resistenzmuster: Die Bakterien hatten sich ein Genpaket einverleibt, mit dem sie Wirkstoffe aus der Klasse der Carbapeneme spalten können. Carbapeneme sind Reserveantibiotika, die vor allem dann verwendet werden, wenn alle anderen Medikamente nicht mehr helfen. Dieses Genpaket erhielt den Namen NDM-1. Es zeigte sich, dass es sich bereits einige Jahre zuvor auf dem indischen Subkontinent ausgebreitet hatte. Und die NDM-1-Bakterien waren resistent gegen eine Reihe weiterer Antibiotika.
"De facto ist es also so, dass die allermeisten Bakterienstämme mit diesem NDM-1-Mechanismus also resistent sind gegen fast alle Antibiotika, die wir zur Verfügung haben. Es gibt allerdings üblicherweise noch zwei bis drei Substanzen, die man auch bei solchen Stämmen meistens noch einsetzen kann, wobei man nicht verschweigen darf, dass es durchaus schon Bakterienstämme gab, die panresistent sind, die resistent sind gegen alle Antibiotika, die man momentan in der Medizin zur Verfügung hat. Aber die sind noch sehr selten."
Der Mediziner Martin Kaase arbeitet am Nationalen Referenzzentrum für gramnegative Krankenhauserreger in Bochum. Die Wirkstoffe, die bei NDM-1 tragenden Bakterien noch helfen, sagt er, haben oft starke Nebenwirkungen für die Patienten.
"Da gibt es durchaus Reservesubstanzen, die sogenannte nephrotoxische Nebenwirkungen haben, also Nebenwirkungen im Bereich der Niere, die zu einer Nierenschädigung führen können. Und es ist grundsätzlich so, dass diese Reservesubstanzen, die man zur Therapie von NDM-1 produzierenden Bakterien zur Verfügung hat, nicht optimal sind."
Im Lauf der vergangenen Jahre hat sich das NDM-1 Genpaket weltweit ausgebreitet. In knapp 30 Ländern auf fünf Erdteilen konnte es bereits nachgewiesen werden. Dass es sich so schnell von Kontinent zu Kontinent bewegt, liegt auch daran, dass die Resistenz leicht an andere Bakterien weitergegeben werden kann. Der genetische Bauplan dafür liegt auf einem ringförmigen Erbgutmolekül.
"Und diese ringförmigen Moleküle können von einem E. Coli auf einen anderen E. Coli Stamm übertragen werden. Sie können aber durchaus auch von einem E. Coli auf eine ganz andere gramnegative Spezies, wie beispielsweise eine Klebsiella pneumoniae, übertragen werden. Und dadurch bekommt das Bakterium, das so ein Plasmid dann empfängt, ja wenn man so will, einen vorgefertigten Resistenzmechanismus quasi geliefert."
Gramnegative Bakterien, wie E. coli, besitzen eine besonders robuste Zellhülle. Während grampositive Erreger, wie zum Beispiel MRSA, nur über eine Zellmembran verfügen, kleiden sich gramnegative Bakterien gleich in zwei Membranen mit chemisch unterschiedlichen Eigenschaften. Gramnegative Keime sind daher wie kleine Festungen in der Welt der Einzeller. Das erschwert die Suche nach neuen Wirkstoffen, sagt die Mikrobiologin Julia Bandow, die an der Ruhr-Universität Bochum nach neuen Antibiotika fahndet.
"Dadurch dass sie zwei Diffusionsbarrieren haben mit gegensätzlichen Eigenschaften, ist es besonders schwer, Substanzen zu finden, die bis in die Zelle hinein zu bestimmten Angriffsorten kommen. Das heißt also, die Chance, einen Hemmstoff zu finden, ist bei gramnegativen Bakterien ungefähr um den Faktor 10 bis 100 niedriger als bei grampositiven Bakterien."
Und das dürfte wohl auch ein Grund dafür sein, dass sich im Moment kaum Antibiotika in der Entwicklung befinden, die gegen NDM-1 tragende Bakterien helfen könnten.
Hinweis: Zum Thema wachsende Antibiotikaresistenz unter Bakterien senden wir am kommenden sowie am darauf folgenden Sonntag, 19. und 26.08., jeweils 16:30 Uhr, im Deutschlandfunk, Wissenschaft im Brennpunkt das Doppelfeature Kampf den Keimen.
"De facto ist es also so, dass die allermeisten Bakterienstämme mit diesem NDM-1-Mechanismus also resistent sind gegen fast alle Antibiotika, die wir zur Verfügung haben. Es gibt allerdings üblicherweise noch zwei bis drei Substanzen, die man auch bei solchen Stämmen meistens noch einsetzen kann, wobei man nicht verschweigen darf, dass es durchaus schon Bakterienstämme gab, die panresistent sind, die resistent sind gegen alle Antibiotika, die man momentan in der Medizin zur Verfügung hat. Aber die sind noch sehr selten."
Der Mediziner Martin Kaase arbeitet am Nationalen Referenzzentrum für gramnegative Krankenhauserreger in Bochum. Die Wirkstoffe, die bei NDM-1 tragenden Bakterien noch helfen, sagt er, haben oft starke Nebenwirkungen für die Patienten.
"Da gibt es durchaus Reservesubstanzen, die sogenannte nephrotoxische Nebenwirkungen haben, also Nebenwirkungen im Bereich der Niere, die zu einer Nierenschädigung führen können. Und es ist grundsätzlich so, dass diese Reservesubstanzen, die man zur Therapie von NDM-1 produzierenden Bakterien zur Verfügung hat, nicht optimal sind."
Im Lauf der vergangenen Jahre hat sich das NDM-1 Genpaket weltweit ausgebreitet. In knapp 30 Ländern auf fünf Erdteilen konnte es bereits nachgewiesen werden. Dass es sich so schnell von Kontinent zu Kontinent bewegt, liegt auch daran, dass die Resistenz leicht an andere Bakterien weitergegeben werden kann. Der genetische Bauplan dafür liegt auf einem ringförmigen Erbgutmolekül.
"Und diese ringförmigen Moleküle können von einem E. Coli auf einen anderen E. Coli Stamm übertragen werden. Sie können aber durchaus auch von einem E. Coli auf eine ganz andere gramnegative Spezies, wie beispielsweise eine Klebsiella pneumoniae, übertragen werden. Und dadurch bekommt das Bakterium, das so ein Plasmid dann empfängt, ja wenn man so will, einen vorgefertigten Resistenzmechanismus quasi geliefert."
Gramnegative Bakterien, wie E. coli, besitzen eine besonders robuste Zellhülle. Während grampositive Erreger, wie zum Beispiel MRSA, nur über eine Zellmembran verfügen, kleiden sich gramnegative Bakterien gleich in zwei Membranen mit chemisch unterschiedlichen Eigenschaften. Gramnegative Keime sind daher wie kleine Festungen in der Welt der Einzeller. Das erschwert die Suche nach neuen Wirkstoffen, sagt die Mikrobiologin Julia Bandow, die an der Ruhr-Universität Bochum nach neuen Antibiotika fahndet.
"Dadurch dass sie zwei Diffusionsbarrieren haben mit gegensätzlichen Eigenschaften, ist es besonders schwer, Substanzen zu finden, die bis in die Zelle hinein zu bestimmten Angriffsorten kommen. Das heißt also, die Chance, einen Hemmstoff zu finden, ist bei gramnegativen Bakterien ungefähr um den Faktor 10 bis 100 niedriger als bei grampositiven Bakterien."
Und das dürfte wohl auch ein Grund dafür sein, dass sich im Moment kaum Antibiotika in der Entwicklung befinden, die gegen NDM-1 tragende Bakterien helfen könnten.
Hinweis: Zum Thema wachsende Antibiotikaresistenz unter Bakterien senden wir am kommenden sowie am darauf folgenden Sonntag, 19. und 26.08., jeweils 16:30 Uhr, im Deutschlandfunk, Wissenschaft im Brennpunkt das Doppelfeature Kampf den Keimen.