Mit dem iPhone veränderte Apple-Gründer Steve Jobs Anfang 2007 die Mobilfunkwelt. Aus Telefonen mit Tasten wurden welche mit berührungsempfindlichen Bildschirmen, aus einfachen Kommunikationsgeräten wurden handliche Hosentaschen-Computer. Und: Trotz einiger ähnlicher Konzepte, wurde das iPhone zu einem fast konkurrenzlosem Erfolg. Erst der Suchmaschinenbetreiber Google schaffte es, ein ebenbürtiges Konzept auf die Beine zu stellen. Das Unternehmen präsentierte sein Smartphone-Betriebssystem Android im November 2007 - rund zehn Monate nach Apple. Die größte Überraschung dabei: Android basierte auf Open-Source-Software. Es sollte offen für Entwickler sein und durfte von Handyherstellern kostenlos eingesetzt werden. Torsten Grote, Software-Entwickler und Vize-Koordinator der Free Software Foundation Europe.
"Als Google Android im Jahre 2007 vorgestellt hat, war es weitestgehend freie Software. Das bedeutet, dass Google ganz viel Kontrolle über das System abgegeben hat. Also es hatte kaum Macht über das System und da war auch sinnvoll, weil es ein ganz neuer Player im Smartphone-Markt war."
Den Status des Newcomers hat Android schnell hinter sich gelassen. Dutzende Hersteller setzen heute bei ihren Geräten auf Googles Betriebssystem. Doch so wie die Verbreitung zunahm, wurde auch die Freiheit geringer, beklagen Open-Source-Entwickler und -Aktivisten.
"Jetzt hat Google mittlerweile 80 Prozent Marktanteil im Smartphone-Markt. Also weit, weit vor den ganzen anderen Betriebssystemen. Und jetzt beginnen sie zunehmend ihre Plattform zu schließen und machen immer mehr Maßnahmen, technische, politische und auch juristische Maßnahmen, um die Abhängigkeit der Hersteller und der Nutzer von Google zu vergrößern, so dass niemand mehr von Google wegkommt."
Die Kritik trifft gleich mehrere Aspekte. Zum Beispiel das Gebaren Googles, wer unter welchen Bedingungen Android überhaupt einsetzen darf. Denn mitnichten kann es jeder Hersteller beliebig installieren und kostenlos auch nicht. Der Research Consultant und Google-Kritiker Lars Reppesgaard erklärt:
"Seit kurzem kann man ja einige der Vereinbarungen lesen, die Google vor einigen Jahren mit Hardware-Herstellern getroffen hat, und da muss man sagen, da ist es schon erstaunlich, wie sehr genau vorgeschrieben wird, was passiert, wenn man bestimmte Google Dienste nutzen will. Da gibt es eben gar nicht dieses freie System. Google sagt nach außen, jeder Hersteller kann machen was er will, er kann sich entscheiden, ob er Android und einen Teil der Google Dienste nutzt oder gar keine. In der Praxis sieht es dann so aus, dass viele Hersteller doch sehr eng an die Google Apps gefesselt worden sind durch Verträge. Und auf der anderen Seite diese Verträge auch streng vertraulich sind. Das heißt die Hersteller durften auch nicht darüber sprechen, wie wenig offen Android in der Realität ist, während Google in Firmenblogs oder auf Veranstaltungen weiter fleißig eben für dieses Prinzip der Offenheit werben konnte."
Wer nun denkt, er könne Namen und Dienste weglassen, der irrt. Denn einerseits möchte natürlich kaum jemand auf den werbewirksamen Namen "Android" verzichten. Und andererseits wird es zunehmend schwerer, ein funktionierendes Mobilfunkbetriebssystem auf Android-Basis zu entwickeln, ohne auf Teile von Google zurückzugreifen. Torsten Grote:
"Ein Anzeichen, an dem man sieht, dass Google die Plattform immer mehr schließt, sind die diversen Apps. Am Anfang waren das nur die Apps für die Google-Services selbst, so eine Youtube-App oder eine Google-Maps-App, die unfrei war, bei der Google die Kontrolle behalten hat, aber jetzt tauscht Google nach und nach jede wichtige App von Android aus und ersetzt sie durch eine eigene Google-gebrandete App, die auf Google-Dienste aufsetzt und die nicht mehr frei ist. Und im Gegenzug lässt es die freie Version, die es ja noch gibt, lässt es jetzt da vergammeln und entwickelt die da nicht mehr weiter."
Damit entwickelt sich Android immer mehr in die Richtung geschlossener Betriebssysteme wie Apples iOS und Microsofts Windows Phone. Fachleute sprechen bei diesen Systemen von "Walled Garden", was auf deutsch so viel wie "umzäunte Gärten" heißt. Die Hersteller haben die volle Kontrolle über die Systeme und - dank der integrierten und kontrollierten App-Stores - auch über die Anwendungen. Google-Kenner Reppesgaard erkennt in der Entwicklung, die Android nimmt, durchaus Parallelen zu anderen Google-Diensten. Er vermutet eine ganz bestimmte Strategie seitens Google.
"Man sieht da ein Muster, das sich relativ oft wiederholt. Google bietet erst Dienste auf eine sehr offene Art und Weise an, die sehr attraktiv sind, und sehr frei sind. Viele Leute und Unternehmen setzen dann darauf und irgendwann später werden die Nutzungsbedingungen ein wenig verschärft und die Daumenschrauben angezogen. Das sieht man oft bei Google, dass dann im Nachhinein die Spielregeln etwas verändert werden, um bestimmte Google-Dienste tatsächlich etwas weiter nach vorne zu schieben."
Doch welche Strategie verfolgt Google tatsächlich? Wir haben mehrfach bei Google nachgefragt. Doch weder wollte man uns ein Antwort geben, noch stand ein Ansprechpartner zur Verfügung.