An den Zeltwänden hängen selbstgemalte Bilder. Sonnen, Sterne, krakelig gezeichnete Autos, Häuser, Bäume und Kinder. Viel Platz ist nicht im KiTa-Zelt am Hamburger Hauptbahnhof. Rund 35 Quadratmeter. Heute ist hier wenig los, nur 12 Kinder sind da, sitzen an kleinen Tischen, bauen mit Legosteinen, fädeln Holzkugeln auf Schnüre, vier Mütter daneben. Und drei Erzieherinnen. Geleitet wird das Team von Trixi Schubert vom Paritätischen Wohlfahrtsverband:
Die Kinder haben einfach die Möglichkeit, hier mal einen Moment Kind zu sein. Spielzeug vorzufinden, zu malen. Es ist warm hier. Eine Verschnaufpause.
Die Mütter können hier in Ruhe ihre Babys stillen und wickeln. Oder sich einfach auf die Matratze in der Ecke legen und sofort einschlafen, ausruhen von der wochenlangen Flucht. Die Männer bleiben draußen. In Hochzeiten besuchen bis zu 30 Kinder das Zelt vor dem Hauptbahnhof. Gleich nebenan, im Ärzte-Container, werden erkrankte Männer, Frauen und Kinder behandelt. Die meisten Familien sind nur ein, vielleicht zwei Tage in Hamburg, wollen weiter nach Skandinavien.
"Das liegt zum einen daran, dass es unterschiedliche Informationen gibt, was geht noch, was geht nicht? An Weiterreisemöglichkeiten. Es liegt zum Teil daran, dass Familienangehörige ärztlich versorgt werden müssen auch im Krankenhaus und man natürlich dann wartet bis die Familie wieder komplett ist. Oder aber, dass einfach noch nicht klar entschieden ist, wo die Reise weiter hingehen soll."
"Viele pädagogische Momente"
Viel Zeit mit den einzelnen Kindern haben die von ihren eigentlichen Stellen freigestellten Erzieher also nicht. Ihre pädagogische Arbeit ist auf den Moment ausgerichtet. Und trotzdem, erklärt Trixi Schubert, ist es doch möglich, nicht nur den Kindern, sondern auch ihren Eltern etwas beizubringen. Beim Basteln, beim Malen, beim Fußballspielen auf dem Bahnhofsplatz vor dem Zelt.
"Da würde ich jetzt mal mit einem lachenden Auge doch sagen, dass wir da viele pädagogische Momente haben, da die kulturellen Regeln natürlich - gerade was die Jungs betrifft - andere sind als wir es gewohnt sind. Und das ist schon eine Herausforderung für beide Seiten. Sich etwas sagen zu lassen von einer Frau ist auch nicht ganz üblich, also auch für die Herren, die hier am Rande des Zeltes warten müssen oder warten auf ihre Frauen. Und das muss man manchmal mit deutlichen Worten und Gesten vermitteln, klappt aber gut und macht mittlerweile auch Spaß. Und die Familien, die über mehrere Tage da sind, begrüßen einen morgens dann schon mit einem Grinsen und wissen schon genau: OK, jetzt ist sie wieder da! [lacht] Und das läuft!
Helfer am Hauptbahnhof
Draußen vor dem Zelt kümmert sich Andreas Bernard um die älteren Jungs. Eigentlich arbeitet er als Hausmeister in einer Hamburger KiTa. Seit ein paar Tagen kommt er jetzt schon zum KiTa-Zelt, spielt Fußball mit den Kindern, oder organisiert neues Spielzeug:
"Eigentlich ist es schon beglückend. Aber es war am ersten Tag für mich persönlich - selbst Vater von zwei Kindern - ein bisschen erdrückend alles. Da war aber auch mehr los gewesen, muss ich dazu sagen. Heute ist das alles noch relativ entspannt hier noch. Noch! Aber ansonsten: eine gute Sache, eine super Sache vor allem für die Kinder. Und die Mütter."
Neben dem Hausmeister steht die Erzieherin Jana Dahlheim. Normalerweise arbeitet sie in einem Waldorf-Kindergarten. Dessen pädagogische Rezepte lässt sie hier einfach weg. Wichtig ist, erklärt sie, einfach da zu sein für die Kinder auf der Flucht:
"Ich glaube, die haben alle ordentlich ein Schicksals-Päckchen auf dem Rücken zu tragen und man weiß nicht, was draus wird. Und ich hoffe, dass sie aus dem Leid, dass sie erlebt haben, aus dem Ganzen, was sie erlebt haben, eine Stärke ziehen."
Auf jeden Fall hilft es den Kindern, kurz zu verschnaufen. Ruhe zu finden, in einem kleinen, warmen Zelt auf dem Hamburger Bahnhofsplatz. Bevor es weitergeht, ins nächste unbekannte Land.