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Mobile Health
Gesundheitskontrolle durch Apps und Algorithmen

Wenig Schlaf, viel Sitzen, auffälliger Puls - darauf könnte künftig ein Anruf vom Arzt folgen. Der warnt vor einem ungesunden Lebensstil, empfiehlt ein Training oder bestimmte Vorsorge-Untersuchungen. Die Hinweise sind individuell zugeschnitten und berechnet auf Basis von Daten, die zum Beispiel aus Apps oder Fitnesstracker gesammelt wurden. Kritiker warnen vor einer Gesundheitsüberwachung.

Von Lydia Heller |
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    Diabeteskontrolle durch App. (dpa/picture alliance)
    "So, ich werd mal wieder meinen Zucker testen."
    Freitagmittag, Wien. Frank Westermann beendet seine Pause.
    "... 169. Nach dem Essen - ganz okay."
    Seine Mahlzeit, die Kohlenhydrate und den Blutzuckerwert protokolliert Westermann sofort in MySugr - einer von ihm mitentwickelten App zur Diabeteskontrolle. 230.000 Nutzer erfassen damit ihre Blutzuckerwerte und die gespritzten Insulin-Mengen. Geben ein, was sie gegessen und wie viel sie sich bewegt haben. Die App setzt die Werte in Beziehung:
    "Gestern war ich joggen. Und allein, weil ich joggen war, verändert sich nicht nur der Verlauf über den ganzen Tag, sondern es verändert sich auch die Menge an Insulin, die ich am Morgen spritzen soll. Und das Tolle ist, dass man anhand der Werte so Muster erkennen kann. Dafür ist ein Smartphone genial."
    Noch ist die Selbstvermessung über Handys und Sensoren ein Trend unter technik- und internetaffinen, meist jungen, Männern. Die Gesundheitsbranche jedoch beobachtet die Entwicklung mit großem Interesse.
    "Wir wissen aus eigenen Umfragen, dass vor allen Dingen Männer diese Anwendungen nutzen, um ihr Verhalten zu verändern. Etwa 42 Prozent der Männer sehen darin ein hohes Potenzial, dass sie motiviert sind, bei den Frauen sind es etwa 30 Prozent."
    Neue Wege in der Vorsorge?
    Für Krankenkassen etwa, so Kai Kolpatzik vom AOK-Bundesverband, eröffnen sich neue Wege in der Vorsorge. Mit dem "Gesundheitscoach" hat die Kasse selbst eine App entwickelt, die auf der Basis von persönlichen Daten wie Alter und Gewicht individuelle Ernährungs- und Trainingsprogramme erstellt. Und mit "AOK mobil vital" gibt es demnächst eine Anwendung, mit der sich solche Präventionsmaßnahmen auch an Bonusprogramme knüpfen lassen. Wer über die App ein normales Gewicht nachweist, eine gesunde Ernährung und viel Sport, bekommt Punkte, steigert so seinen Gesundheitsindex - und wird mit Bar- und Sachprämien belohnt. Ähnlich funktionieren auch Apps anderer Krankenkassen wie FitCheck der DAK oder Fit2Go der Barmer. Zwar haben Kassen schon immer versucht, ihre Versicherten über Boni zu mehr Gesundheitsbewusstsein anzuhalten. MobileHealth-Experte Tobias Neisecke sieht die Entwicklung dennoch kritisch:
    "Eigentlich ist das ja eine Selbstverantwortung, die noch freiwillig ist, aber: Wird sie irgendwann eine Verpflichtung, sich um irgendwelche Werte zu kümmern? Es ist halt noch andersrum: Derjenige, der etwas tut, kriegt etwas zurück. Ob sich das mal dreht, ist wahrscheinlich. Irgendwann ist der Faktor: Wie ist mein App-Score."
    Kein Malus für nicht gesundheitsbewusstes Verhalten
    Einen Malus für Menschen, die sich nicht gesundheitsbewusst verhalten, werde es nicht geben - zumindest nicht bei den gesetzlichen Krankenkassen. Was jedoch als gesundheitsbewusstes Verhalten gilt, wird neu definiert werden müssen. Denn die Daten, die Gesundheits-Apps erfassen, bilden nicht nur den Gesundheitszustand eines Menschen ab. Ihre Analyse erlaubt auch, so Kai Kopatzik, Aussagen über das Risiko, in Zukunft bestimmte Krankheiten zu entwickeln.
    "Ein Beispiel, was wir aktuell wissenschaftlich begleiten: Das ist ein Herz-Kreislauf-Risiko-Schätzer. Der vorhersagt wie mein Risiko innerhalb von zehn Jahren ist, einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden. Aufgrund von meinem Alter, ob ich rauche, meinen Blutdruck eingebe, wie meine Familienanamnese ist. Und das Spannende ist, dass auch noch gesagt werden kann: Was bringt es jetzt, wenn ich ein Medikament nehme? Was bringt auch Lebensstil-Änderung?"
    Ärzte und Krankenkassen können ihre Patientendateien künftig mit solchen Filtern abgleichen und Risiko-Kandidaten für Krankheiten ansprechen. Früh, gezielt - und mit Handlungsempfehlungen. Denn die übernimmt sonst vielleicht auch das Smartphone:
    "Das ist unser großes Ziel, dass wir Dir dann sagen können: Hey, wir haben in Deinen vergangen Daten entdeckt, dass Du mittags immer zu hohen Blutzucker hast - spritz mehr Insulin! Das ist im Endeffekt auch die Macht, die in den Daten liegt: Dass Du wirklich konkret Therapietipps geben kannst."