Also, damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet - das gleiche Spiel wie schon vor zwei Jahren auf dem größten Mobilfunk-Event der Welt. Man ahnt nichts Schlimmes, denkt an Smartphones, Demo-Bildschirme und enge Besprechungsräume und bekommt zu aller erst als Produkt-Neuheit präsentiert: Elektrische Zahnbürsten. Schon vor zwei Jahren war ich verwirrt, was das eine mit dem anderen zu tun hat, was Zahnbürsten mit Mobilfunk zu tun haben. Damals war es das Internet der Dinge, so wurde mir erklärt, die Vernetzung der Zahnbürste vor allem mit dem Smartphone. Heute ist es ein anderes Buzzword, das mir Thomas Serval vom französischen Startup Kolibree mit der Zahnbürste schmackhaft machen will:
Elektrische Zahnbürsten
Thomas Serval: Indem wir Künstliche Intelligenz, das sogenannte Maschinelle Lernen einsetzen, können wir feststellen und erkennen, welche Stelle im Mund sie gerade putzen. Das erste, was ihnen die Zahnbürste ermöglicht, ist ihre Schwachstellen herauszufinden. Und sobald sie die kennen, bieten wir einen Trainingsmodus, der ihnen in Echtzeit und auch offline die Ergebnisse anzeigt. Jede Woche, jeden Monat oder auch jeden Tag bekommen Sie Rückmeldung per EMail oder durch eine Smartphone-App. Zum Beispiel: "Sie putzen jeden Tag zwei Minuten, aber vergessen immer den Quadranten oben links."
Kloiber: Wir beobachten also Ihre Fortschritte, damit Sie Karies und all die schmerzvollen Krankheiten verhindern.
Thomas Serval: Ja, und das ist schon viel, mit einem einfachen und kleinen Microcontroller in der Zahnbürste selbst zu beobachten, wo geputzt wird und mit welchem Druck, wie lange und wie oft. Denn das alles wird nicht von der Bürste erst an einen Dienst übertragen – sondern gleich beim Putzen im Handgriff selbst berechnet.
Artificial Intelligence - einfach nur eine Worthülse?
Aber das schon künstliche Intelligenz zu nennen, das ist schon ein wenig hochtrabend. Und auf vielen Ständen auf dem Mobile World Congress bekam ich den Eindruck, dass alles, in dem ein bisschen mehr und tiefere Datenanalyse steckt, von den Marketiers schon Artificial Intelligence genannt wird. Einfach weil es so hip ist. Meist war es einfach nur eine Worthülse.
Beschäftigen wir uns also lieber mit handfesten Mobilfunk-Themen. Zum Beispiel mit dem Mobile Payment, also mit dem Zahlen per Smartphone. Das ist schon lange in der Diskussion auf dem Mobile World Congress. Nur in der Wirklichkeit – zumindest im Alltag deutscher Konsumenten – scheint es irgendwie nicht angekommen zu sein, mit dem Smartphone zu bezahlen.
Smartphone mit Kreditkartenfunktion
Interviewtermin bei einem der großen Systemdienstleister im Bereich Electronic Payment. Jörn Leogrande, stellvertretender Geschäftsführer bei der Wirecard Technologies GmbH ist zuständig für das Mobil-Geschäft. Und im Interview erklärt er mir, warum seiner Meinung nach das Bezahlen mit dem Handy nun auch in Deutschland Einzug halten wird:
Jörn Leogrande: Ich glaube, wenn sie heute in den Handel sehen und wenn jemand mit Bargeld bezahlt oder mit einer EC-Karte, dann hat der Händler ja eigentlich gar keine Informationen, was da passiert. Und das Smartphone ermöglicht es natürlich, einige Informationen zu sammeln. Das soll jetzt gar nicht dazu benutzt werden, um Leute mit total wirren Werbebotschaft voll zu spammen, sondern es soll dazu nutzen, relevante Informationen zu vermitteln. Und wenn ich dann noch die Möglichkeit habe, einen Coupon zu nutzen, dann ist das eigentlich eine ganz logische Geschichte für mich."
Kloiber: Aber was hat das mit dem Bezahlvorgang zu tun?
Leogrande: Der Bezahlvorgang ist sozusagen der Strom von Informationen, den sie nutzen. Der Bezahlvorgang ist etwas, was sie täglich machen. Es gibt eine Reihe von Lösungen, die auf Kundenkarten basieren. Aber dann müssen sie immer sozusagen diese Kundenkarte mitführen, sie müssen immer daran denken. Der Bezahlvorgang ist etwas, was sie täglich machen. Und dieser Strom von Daten ermöglicht es uns, ihnen maßgeschneiderte Angebote zu präsentieren.
Kloiber: Wie sieht das denn für den Kunden aus?
Leogrande: Also der Kunde benutzt eine Applikation entweder für Apple oder Android. Und in der Applikation sieht er den Status seines Payment-Instrumentes, sein Guthaben. Er kann das Konto aufladen, er kann es verwalten, Funktionalitäten wie zum Beispiel eine Auto-To-Up-Funktionalität setzen. Das heißt jedes mal, wenn sein Konto unter einem gewissen Betrag geht, wird es automatisch wieder aufgefüllt. Er kann eine virtuelle Karte nutzen. Das ist zum Beispiel etwas, womit er im E-Commerce eine Transaktion machen kann. Und er kann einsehen, wo in seiner Nähe irgendwelche Angebote sind, die er nutzen kann. Das heißt also, er hat in Echtzeit den Blick auf das ganze Backend der Karte.
Kloiber: Diese Karte, die er da in seinem Smartphone sieht, das ist mehr weniger ein Kreditkartenkonto?
Leogrande: Es ist eigentlich mehr oder weniger eine richtige Kreditkarte in einem anderen Formfaktor. Teilweise ist sie auf der SIM-Karte, also auf der kleinen Karte, die sie in ihr Handy einsetzen. Teilweise ist sie auch so weit virtualisiert, dass es eine Token-Based-Variante ist. Aber es ist immer eine Kreditkarte letztendlich.
Kloiber: Bislang war es ja für Händler so, dass Kreditkarten nicht besonders attraktiv sind, egal ob sie nun elektronisch sind oder tatsächlich Plastikkärtchen sind, weil sie relative teuer sind. Das heißt, der Händler musste hohe Gebühren an die Kreditkartenfirma zahlen. Entwickelt sich das denn aus der Perspektive des Händlers anders, dadurch, dass man nun solche neuen, kombinierten Zahlungssysteme hat?
Kloiber: Einerseits entwickelt es sich für den Händler anders, weil es eine neue Regulierung der Kreditkartenkosten gibt. Und das sehen sie schon daran, dass in Deutschland Aldi, Lidl, alle Discounter, alle größeren Händler praktisch eine Kreditkarte akzeptieren. Das war bis vor ein paar Jahren eigentlich undenkbar. Das heißt, hier haben sich die Preise sehr, sehr angeglichen. Das ist für Händler attraktiv, das heute zu integrieren. Auf der anderen Seite sehen viele Händler auch die Möglichkeit, Mehrwerte für Kunden zu schaffen, die auf Payment- oder Bezahltransaktionen fußen. Und das ist natürlich interessant für alle Beteiligten letztendlich. Weil heute steht ein stationärer Retailer oder Händler unter enormen Druck. In München haben wir im Moment eine Stunde Lieferzeit bei Amazon. Das heißt, der Wettbewerb für stationäre Händler wird immer stärker und die Händler müssen reagieren. Sie müssen mehr über ihre Kunden erfahren, sie müssen sozusagen mehr situativ reagieren. Und sie müssen mehr Instrumente haben. Und Mobile Payment liefert eine Möglichkeit, hier aktiv zu werden.
Microbeamer bringt laufende Bilder auf beliebige Oberflächen
Kloiber: Jörn Leogrande war das, bei Wirecard für Mobile Systeme zuständig. Wechseln wir den Fokus, weg von den Bezahl-Konzepten hin zur Hardware. Eine Idee, die schon lange in der Handybranche herumgeistert und immer wieder mal als Systemkonzept gezeigt wurde, auch in Barcelona, ist die in das Handy, oder besser noch, in die Smart-Watch integrierte Projektion des Displays. Da wurden schon einige Prototypen gezeigt, die in der Lage waren, direkt aus dem Handy zum Beispiel auf die Tischplatte oder an die Wand das Displaybild zu beamen. Bislang haben diese Systeme immer mit einer starken und stromhungrigen Lichtquelle und einem Chip mit beweglichen Lichtspiegeln gearbeitet, und zwar mit Millionen von Spiegeln.
Auf dem Stand von Bosch Sensortech hat mir Geschäftsführer Dr. Stefan Finkbeiner ein ganz neues Konzept gezeigt – basierend auf nur zwei Spiegeln in sogenannter MEMS-Technologie – und mit dem Vorteil, dass das HD-fähige Display gleich auch noch einen Rückkanal hat.
Stefan Finkbeiner: Das Besondere ist, dass da zwei bewegliche Mikrospiegel enthalten sind, die ähnlich wie in einer Bildröhre früher ein Bild schreiben können. Das Bild wird generiert durch Laser, die auf die Spiegel projizieren. Und damit kann ich Fokus-frei ein Bild auf einer beliebigen und beliebig gekrümmten Oberfläche erzeugen.
Kloiber: Das ist ja quasi das Comeback des Laser-TVs.
Finkbeiner: Im Endeffekt ist es etwas Ähnliches. Der große Vorteil ist, dass das sehr klein bauend ist und in vielfältige Anwendungen reingehen kann. Beispielsweise kann man sich vorstellen, dass das in eine Smartwatch reingeht, dass es in ein Laptop reingeht, dass es in beliebige Anwendungen reingeht, in Küchenanwendungen, also Weiße Ware. Und damit letztlich ein interaktive Projektionssystem ermöglicht, mit dem ich Eingaben machen kann, wie man sie beispielsweise bei Küchenmaschinen oder bei Steuerung eines Radios oder bei der Steuerung von Smart-Home benötigt.
Kloiber: Das Besondere daran ist, dass die beiden Spiegel, die sie erwähnt haben, die also dafür sorgen, dass ein Fernsehbild aufgebaut wird, dass das sogenannte MEMS-Aktoren sind. MEMS muss man erklären, das ist eine spezielle Technologie, mit der man kleine mikromechanische Einheiten bauen kann.
Finkbeiner: Genau, wir machen hier mechanische, bewegliche Spiegel in Silizium. Das ist die sogenannte Mikromechanik, oder die MEMS, Micro Electromechanical Systems, daher kommt der Begriff. Und hier redet man von Strukturen mit einem Durchmessern von einem Millimetern mit einer Höhe von wenigen zehn Mikrometern, die dann flexibel bewegt werden können über zum Beispiel die Lorentzkraft oder einen elektrostatischen Antrieb und damit letztendlich das Bild schreiben können.
Kloiber: Die Vorteile dieser MEMS-Technologie, liegen die nur darin, dass man so klein arbeiten kann. Oder gibt es noch weitere Vorteile davon?
Finkbeiner: Also neben der Größe ist insbesondere auch der Leistungsverbrauch und die Reproduzierbarkeit dieser Technologie wichtig. Die Mikromechanik wurde aus der Mikroelektronik abgeleitet. Das heißt, ich habe sehr hohe Präzision und Wiederholbarkeit im Erstellen dieser mechanischen Strukturen. Und damit kann ich eben auch sehr hohe Volumen machen, sehr reproduzierbar und sehr energiesparend diese Systeme dann implementieren.
Kloiber: Das ist ja nicht nur eine Projektion, sondern wenn ich da mit meinen Fingern drunter gehe, dann kann ich auch Funktionen steuern, ohne die Projektionsfläche anzufassen. Wie funktioniert das?
Finkbeiner: Also das ganz einfach letztendlich. Diese Laserprojektion kann auch dazu genutzt werden, mit dem reflektierten Licht dann zu detektieren, ob ein Gegenstand, zum Beispiel ein Finger im Objekt befindet.
Kloiber: Das hängt damit zusammen, dass der Laserstrahl von Zeile zu Zeile immer von links nach rechts geführt wird und diese Laserdiode dann dadurch, zu welchem Zeitpunkt die Reflektion kommt, genau weiß, wo ich mit meinem Finger bin, oder?
Finkbeiner: Jeder Punkt des Bildes wird einzeln angesteuert und von den Lasern geschrieben. Und daher habe ich auch Kontrolle über das reflektierte Licht. Ich weiß dann genau, von wo auch dieser reflektierte Punkt kommt. Und damit kann ich letztendlich die Bildprojektion mit dieser Reflektion dann kombinieren und damit die Interaktivität ermöglichen.
Kloiber: Stefan Finkbeiner von Bosch Sensortech.
Das Internet der Dinge
Kommen wir zum alles beherrschenden Thema des diesjährigen Mobile World Congresses – das Internet der Dinge. Bislang ging es oftmals auf den Ständen darum, den Besuchern auf den Ständen das Konzept zu erläutern und Systemlösungen für große Projekte zu demonstrieren. Zum Beispiel, wie ein Klimaanlagenhersteller mithilfe von Mobilfunk-Modems die Infrastruktur seiner Kunden optimal und kostengünstig managen kann.
Die Klimaanlagen funken Ihren Zustand an eine Zentrale und die schaut, wo Probleme entstehen und der Service raus muss. In diesem Jahr setzten viele Anbieter einen anderen Schwerpunkt – sie haben sich auf das Massengeschäft verlagert. Eine Kühltruhe in der Garage um die Ecke überwachen oder das Ferienhaus in der Provence elektronisch im Blick behalten – das alles soll mit Hilfe von vorgefertigten Hardware-Kits und einfach strukturierten Webplattformen ganz simpel werden. Jan Haberkamm von T-Systems hat mir ein Starterkit genau für solche Anwendungsfälle demonstriert.
Jan Haberkamm: Ich fange mal mit dem Gateway an. Wir reden hier von einem Produkt, das ist ungefähr drei mal fünf Zentimeter groß. In diesem Produkt ist eine SIM-Karte enthalten und verschiedenste Sensoren. Die SIM-Karte darum, damit wir die gemessenen Daten in unsere Multi-IoT-Service-Plattform, in unsere IT-Plattform übertragen können. Und hier sind Sensoren verbaut wie zum Beispiel Temperatur, Schock, Geoposition und dergleichen. Und wir können an dieses Gateway weitere Beacons anschließen. Die kommunizieren mit dem Gateway über Blutooth Low Energy.
Kloiber: Was sind Beacons?
Haberkamm: Das sind so kleine, weitere Sensoren, die man in einem gewissen Umkreis von dem Gateway an verschiedene Objekte installieren kann. Zum Beispiel an einen Kühlschrank, an ihre Waschmaschine, auch an ihre Kettensäge zuhause oder an irgendein mechanisches Gerät, welches heute noch nicht mit dem Internet verbunden ist, und was sie in der Zukunft digitalisieren wollen, um die entsprechenden Daten und Messwerte von diesem Gerät in ihre Plattform zu übertragen.
Kloiber: Also hier drin in diesem Kasten ist ein Ladegerät, dann ist hier so etwas, das lege ich auf die kleine weiße Zentrale, das ist zum induktiven laden. Und dann gibt es noch zwei Beacons. Einmal einen Schalter, mit dem man einfach zum Beispiel eine Tür überwachen kann. Und dieser Beacon, den sie in der Hand halten, etwa zwei mal drei Zentimeter groß und einen halben Zentimeter dick, was ist da drin?
Haberkamm: In diesem kleinen, weiteren Beacons sind auch wiederum Sensoren verbaut. In diesem Fall Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Es ist auch eine kleine Knopfzelle verbaut. Und dieses Gerät kommuniziert mit dem Gateway über Blutooth Low Energy. Das ist deswegen wichtig, weil wir dadurch eine extrem lange Lebensdauer von diesen Beacons erreichen. Wir sprechen hier von ein bis zwei Jahren Laufzeit pro Batterie-Knopfzelle.
Kloiber: Und wie viele Beacons kann man mit dieser Zentrale, dieser kleinen Zentrale hier verbinden?
Haberkamm: Sie sind in der Lage, bis zu zweihundert weitere Beacons mit den verschiedensten Sensoren, die es heute schon auf dem Markt gibt, über ein Gateway zu konnektieren. Das heißt, wenn sie jetzt eine Lagerhalle meinetwegen haben, dann können sie mit einem von diesen Gateways, sehr, sehr, sehr viele Usecases, sehr viele Geräte überwachen und die Messwerte in ihre Plattform übertragen.
Kloiber: Die Plattform ist direkt hier nebenan, da hängt ein Bildschirm, was soll es auch anderes sein. Darauf ist ein Webbrowser und mir werden verschiedene Daten angezeigt. Wie stellt sich das jetzt auf dieser Plattform dar?
Haberkamm: Diese Plattform ist quasi unsere zentrale Überwachungsstelle, auf der wir gesammelt die gemessenen Werte darstellen können. Und wir sind in der Lage, nicht nur zu sehen, wie geht es meinem Gerät heute. Wir sind auch in der Lage, einen Ausblick in die Zukunft zu geben und eine Analyse von den gemessenen Daten vorzunehmen, um zu sagen, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Gerät einen eventuellen Ausfall haben wird.
Kloiber: Das war Jan Haberkamm von T-Systems.
Wie die EU Wildwuchs im IoT-Geschäft verhindern kann
Der Sensorknoten in diesem Paket, er funkt noch per M2M-Verbindung im ganz gewöhnlichen Mobilfunknetz, weshalb das Knotenmodul auch täglich mit Strom nachgeladen werden muss. Der Datenfunk im normalen Mobilfunknetz ist eben relativ energiefressend und außerdem teuer. 120 Euro kostet es im Jahr mit diesem Paket, einen Knotenpunkt mit bis zu 200 Sensoren anzubinden – und der hohe Preis ist dem Aufwand geschuldet, der noch zu treiben ist. Doch vor allem der technische Aufwand pro Anbindung, er soll schon bald dramatisch sinken. Überall auf der Welt entstehen neue Funknetze, so genannte Low Power Wans, die darauf spezialisiert sind, kleine Sensoreinheiten über größere Distanzen Energie-optimiert anzubinden. Die Systeme arbeiten meist mit Frequenzen im Bereich unter einem Gigahertz und kommen deshalb auch in entlegene Ecken von Gebäuden, zum Beispiel in die Keller.
Die Laufzeit der Batterien in den Sensoren sollen bei über einem Jahr liegen, was die Wartungskosten für die Sensoreinheiten dramatisch sinken lässt. Mehrere Funksysteme gehen weltweit an den Start. Viele Mobilfunkanbieter, auch die Großen hier in Deutschland, setzen dabei auf LTE NB – wobei das NB für Narrow Band, also Schmalband steht. LTE NB hat den großen Vorteil, dass es die bestehende Mobilfunkinfrastruktur benutzen kann und quasi mit einem Softwareupdate zur Verfügung steht. Überall dort, wo entsprechende Kunden mit interessanten Projekten antreten wollen, werden die Mobilfunkbetreiber ihre LTE-Technik entsprechend erweitern und den LTE NB-Dienst anbieten. Als Referenzprojekt ist so zum Beispiel in Montenegro der vernetzte Bienenstock entstanden. Mit preisgünstigen Sensoren überwachen Imker dort die Innentemperator in ihren Bienenstöcken. Denn das weiß man, sie steigt an, wenn es den fleißigen Völkern schlecht geht. Die Hoffnung ist, dass der Imker rechtzeitig eingreifen kann, bevor der Stock kippt und stirbt.
Bernd Gross, der Gründer und Chef von Cumulocity
Ganz viele solcher Projekte wünscht sich auch Bernd Gross, der Gründer und Chef von Cumulocity. Das Düsseldorfer Unternehmen stellt jene Software-Plattformen bereit, mit denen sich tausende von Sensoren verwalten und deren Daten sich vielsagend auswerten lassen. Bislang fuhr seine Firma ganz gut damit, dass ein Autovermieter über solche Plattformen seinen Fuhrpark steuerte oder ein Hersteller von Dampf-Sterilisatoren seine Geräte in den einzelnen Krankenhäusern überwachte. Da konnte die Fernwartung gut und gerne einen dreistelligen Betrag kosten – es hat sich für alle gelohnt. Aber wenn über die neuen Netze zum Beispiel ganz Stadtwälder mit Feuchtigkeitssensoren ausgestattet werden, oder eine Wohnungsbaugesellschaft sämtliche Räume in ihren Liegenschaften überwachen will, erklärt mir Bernd Gross, dann müssten sich auch seine Angebote seiner Firma dramatisch verändern.
Bernd Gross: Ja genau, richtig. Also mit den neuen Mobilfunktechnologien, damit werden wir uns in den nächsten beschäftigen. Das ist eine sehr innovative Art und Weise, wie man die Kosten der Anbindung fundamental senkt, und zwar um den Faktor zehn oder mehr. Das heißt, diese Idee, dass man Milliarden und Milliarden von Sensoren anbinden kann, basiert eigentlich auf diesem neuen Standard Narrow Band IoT. Das bedeutet natürlich, dass wir die Kosten pro Anbindung auch fundamental senken müssen. Das heißt, wir müssen unsere Software noch schlanker machen, noch mehr automatisieren und noch hoch verfügbarer und skalierbarer halten. Das ist die Technologieseite. Aber auch auf der Service- und Supportseite müssen wir es schaffen, den Support zu automatisieren. Wenn ich den Kunden am Telefon habe, dann habe ich schon ein Verlustgeschäft in Zukunft. Das heißt, ich muss es schaffen, über zum Beispiel Machine Learning und Artificial Intelligence-Algorithmen, vorausschauend Dinge zu reparieren, zu korrigieren, bevor sich ein Kunde beim Helpdesk beschwert. Nur so wird es uns auf der Kostenseite im Betrieb gelingen, effizient zu sein.
Kloiber: Das heißt also, auch das Anbieten von Management-Plattformen für das Internet der Dinge wird ein Massengeschäft werden, bei dem man davon ausgehen kann, dass da wirklich Millionen von Kunden existieren werden, die ihre Dienste in Anspruch nehmen?
Gross: Es muss so sein, weil wenn ich es nicht mache, dann werde ich Probleme haben, das pro Ansatz, pro Applikation zu automatisieren. Ich kann es nur horizontal machen, ich kann nur horizontal anbinden. Dann habe ich marginale Kosten, wenn neue Kunden und neue Projekte dazukommen. Und ich habe auch auf der Support-Seite ein State-of-the-Art-Setup, dass ich auch die Support-Kosten fundamental reduzieren kann. Und hier rede ich von einer Anbindung zu Support-Kosten von 50 Cent oder einem Euro Jahr im Jahr pro Gerät. Das muss man sich vorstellen, ein Euro pro Jahr und Gerät, das ist unser Design-Kriterium im Moment, um diese enormen Herausforderungen zu erfüllen.
Kloiber: Was sind die normalen Kosten, die sie heute haben, wenn sie zum Beispiel Großanlagen oder Investitionsgüter überwachen? Was wird gerechnet pro Gerät?
Gross: Viele hundert Euro im Jahr.
Kloiber: Das heißt also, da ist eine Skalierung auf ein Hundertstel, vielleicht sogar nur auf ein Tausendstel?
Gross: Ja Hundertstel, so würde ich sagen, das passt. Es gibt die Technologieseite, die Softwareseite. Ich glaub, die kann man ganz gut in den Griff bekommen. Aber es gibt auch die Thematik Support der Kundenprojekte. Und die wird im Moment unterschätzt, glaube ich, vom Markt. Und wir investieren unsere Entwicklungsressourcen, unsere Innovation, gerade in dem zweiten Bereich und hoffen uns damit weiter am Weltmarkt durchsetzen zu können.
Kloiber: Bernd Groß von Cumulocity in Düsseldorf.
Gross: Ja, auf horizontales Wachstum im Internet der Dinge, also Masse statt Klasse, da stellt sich auch die Deutsche Telekom AG ein, die gleich in mehreren Ländern mit LTE NB an den Start gehen will. Neben den technischen Problemen, die die Einführung eines neuen Massendienstes immer mit sich bringt, plagt sich solch ein Kommunikationsdienstleister natürlich auch mit den ganzen organisatorischen Fragen. Dr. Claus-Dieter Ulmer ist als Konzernbeauftragter für den Datenschutz vor allem dafür zuständig, dass auch die Angebote zur Vernetzung von Dingen mit Bestimmungen der jeweiligen nationalen Gesetze zum Datenschutz kompatibel sind.
Claus-Dieter Ulmer zum Internet der Dinge
In einer Diskussion auf dem Mobile World Congress zur Europäischen Datenschutzgrundverordnung in Zeiten von IoT, stellte sich für mich erstaunlicherweise heraus, dass zumindest die Europäische Kommunikationsbranche sehr froh über die EU-weiten Regeln ist, die ab Ende Mai des nächsten Jahres gelten. Warum das so ist, hat mir Ulmer im anschließenden Interview erklärt:
Claus-Dieter Ulmer: Das Internet der Dinge sind die neuen aufkommenden Geschäftsmodelle, die viele Verarbeitungsschritte miteinander verbinden, viele Geräte auch miteinander verbinden. Und die erheben alle Informationen, und zwar nicht nur Verarbeitungsinformationen als solche, sondern auch natürlich Informationen über die Menschen, die diese Modelle nutzen. Und das sind eben dann diejenigen, die auf Grundlage der Datenschutz-Grundverordnung bewertet werden müssen, die uns ja relativ gute - inzwischen - und genaue Vorgaben gibt, wie wir damit umgehen sollen.
Kloiber: Bislang war es aber doch so, dass der Datenschutz immer auf die Daten einer Person bezogen war. Und nicht auf die Daten, die von einer Person erzeugt wurden. Geht jetzt die Datenschutz-Grundverordung weiter und sagt, auch die Daten, die eine Person erzeugt, zum Beispiel durch Dinge, die sie besitzt, dass die da drunter fallen?
Ulmer: Ja, soweit die einer Person zuordnenbar sind, auch über einen mittelbaren Schritt zum Beispiel, fallen die unter die Datenschutz-Grundverordnung. Das nennt man Personenbeziehbarkeit. Und bei vielen Modellen im Internet-of-Things-Umfeld sind diesen Daten eben halt mittelbar Personen zuzuordnen. Auf der anderen Seite muss man natürlich schauen, dass die Modelle so ausgestaltet werden, dass wir natürlich versuchen werden, mit anonymisierten Daten zu arbeiten, sodass wir im Prinzip nicht auf die Datenschutz-Grundverordnung zurück fallen können.
Kloiber: Nun boomt ja das Geschäft mit dem IoT, auch bei der Deutschen Telekom. Empfinden sie als Unternehmen die Datenschutz-Grundverordnung da eher hinderlich oder hilft sie ihnen eher, sozusagen im europäischen Markt jedenfalls, das Geschäft zu sicher zu entwickeln.
Ulmer: Die Datenschutz-Grundverordnung ist eher förderlich für diese Modelle, aus unserer Sicht zumindest, weil sie eine einheitliche, verlässliche Grundlage für Gesamt-Europa gibt, und nicht mehr einzel-fragmentierte Gesetze darstellt und uns gibt von den Rahmenbedingen her. Und wir haben auch sehr, sehr genaue Vorgabe darin, an die wir uns halten können, die uns wirklich helfen, auch verlässliche Dienste zu entwickeln. Sowohl für uns als auch für den Kunden natürlich.
Kloiber: Einige Befürworter der Datenschutz-Grundverordnung sagen sogar, dass diese Grundverordnung Unternehmen, die sich an Datenschutz halten, davor schützt, dass andere Unternehmen, die sehr disruptiv vorgehen, die sehr aggressive Geschäftsmodelle auch - was den Datenschutz angeht - einbringen, dass diese Grundverordnung ihnen hilft, sich gegen die Konkurrenz zu schützen.
Ulmer: Ja, das sind im wesentlichen zwei Aspekte. Einmal ist die Grundverordnung jetzt anwendbar für alle Unternehmen, die ihre Services in Europa anbieten. Das war vorher nicht so. Also amerikanische Unternehmen konnten dann zum Beispiel sich auf amerikanisches Recht berufen und hatten damit andere Rahmenbedingungen als die europäischen Unternehmen. Das zweite ist dann tatsächlich auch, dass die Sanktionen über die Grundverordnung sehr viel höher werden als bislang, sodass Unternehmen, die sich dagegen verhalten, mit viel höheren Strafen auch rechnen müssen. Was sicherlich dazu führt, dass mehr Unternehmen sich auch daran halten werden, was wir jetzt für Regeln haben. Im schlimmsten Falle wäre der Strafrahmen für uns auf Konzernebene vier Prozent des Konzernjahresumsatzes, was bis zu vier Milliarden Euro wäre.
Kloiber: Claus-Dieter Ulmer war das, der Konzernbeauftragte für den Datenschutz bei der Deutschen Telekom. Und das war auch unsere Berichterstattung vom Mobile World Congress in Barcelona.