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Mobiles Atelier
Inspiration an ungewöhnlichen Orten

Von der Polizeiwache bis hin zum privaten Wohnzimmer: Zwei Kölner Künstlerinnen lassen sich von vermeintlich langweiligen und unkreativen Orten bei ihrer Arbeit inspirieren. Alltägliches wirkt bizarr und wird zu etwas Besonderem, wenn sie bei ihrer "ARTvisite" das mobile Atelier aufbauen.

Von Julia Batist |
    Farbtöpfe und Pinsel stehen in einem Atelier.
    Pinsel, Acryl-Farben, Aufkleber: In zwei großen Umzugskartons transportieren die Künstlerinnen ihr mobiles Atelier. (picture alliance / Horst Ossinger - Horst Ossinger)
    "Auf einen alten Zettel, den ich hier gefunden habe, schreibe ich ein Zitat, was eben bei einem Telefongespräch entstanden ist. Das alte Kind, das ist wohl ein Buchtitel. Und den fand ich merkwürdig."
    Iris Stephan sitzt mit einer roten alten Schreibmaschine auf dem Schoß an einem niedrigen Tisch. In der Ecke einer kleinen Buchhandlung hat sie zusammen mit Kollegin Julja Schneider ihr mobiles Atelier aufgebaut. Zwischen randvollen Bücherregalen und Auslagen.
    "Unser Tisch, an dem wir jetzt arbeiten, da lagen ein paar Haufen Kinderbücher. Da haben wir dann erst mal ein bisschen umgeräumt, weil wir immer total viel Material mitnehmen."
    Das lagert in zwei großen Umzugskartons. Wahre Wunderkisten: Pinsel, Acryl-Farben, Aufkleber.
    "Dann haben wir ganz viele Arten und Weisen dabei, wie wir Worte machen können. Einen Thermodrucker, Schablonen und Stempel und Magnetbuchstaben. Hier haben wir jetzt mal den ganzen Tisch als Bildträger genommen. Das heißt, wir haben ein weißes, festes Papier über den Tisch auf dem wir arbeiten dürfen gespannt."
    Atelier in zwei Umzugskisten
    Was herum liegt, wandert auf das Bild. Ein Preisschild klebt dort, kleine Zeichnungen, Farbkleckse, Wörter. An einer Seite steht der Satz: "Sie war dankbar dafür, dass sie trinken konnte."
    "Das ist der Lieblingssatz aus dem Lieblingsbuch des Buchhändlers und das war gerade total schön, weil er hat es seiner Mitarbeiterin, als keiner im Laden war, hat er diesen Abschnitt vorgelesen. Und die beiden haben sich diesen Abschnitt echt auf der Zunge zergehen lassen."
    Die Künstlerinnen sammeln und filtern. Alltägliches wirkt aus ihrer Sicht nicht selten bizarr und wird zu etwas ganz Besonderem:
    "Eben kamen zwei Leute rein mit einer Kiste, Vertreter – sehr spannend, weil man als Außenstehender ja Wirtschaftsgespräche nicht mitbekommt. Es gibt irgendwo einen Stempel, hier - das 'vertraulich'. Das ist glaub ich so das Wort dafür, was man erlebt, wenn man so dicht plötzlich dran ist."
    Vermeintlich langweilige Umgebungen interessieren die Künstlerinnen besonders. Buchladen-Besitzer David Brück-Thies hat das Experiment gewagt. Aus Neugier.
    "Es ist witzig, ich verfolg immer, was die so machen. Das Entstehen zu sehen, wie andere Leute das sehen, was hier so passiert. Unser täglich Brot, was wir hier machen jeden Tag, wird dann mit völlig anderen Augen gesehen. Das ist schon interessant."
    "Normalerweise ist man ja als Künstler sehr damit beschäftigt, die unfertigen Sachen nicht zu zeigen. Man ist noch nicht sicher, man findet was noch nicht gut. Und in den Prozess, den zu öffnen und da Öffentlichkeit reinzulassen, das ist Überwindung."
    Manche Kunden im Laden schauen interessiert, andere gehen einfach vorbei. Am Ende steht ein Bild ohne oben und unten. Das Kunstwerk ist noch nicht fertig. Mit Passepartouts werden jetzt einzelne Bildteile gesucht und ausgeschnitten. Der Buchhändler schiebt einen weißen Papierrahmen auf der Collage hin und her.
    Neue Perspektiven für Zuschauer und Künstler
    "Das ist jetzt gut, weil da jetzt die Sachen drin sind, zu denen ich eine Art Bezug auch hab. Weil das eine habe ich selber gemacht und das andere ist das Zitat aus meinem Lieblingsbuch."
    Mitarbeiterin und Buchhändler fachsimpeln über den richtigen Ausschnitt. Allein damit haben die Künstlerinnen ein wichtiges Ziel erreicht:
    "Wenn eine Kommunikation in Gange gekommen ist. Und wenn so'n Austausch darüber stattfindet, das finde ich auch immer einen ganz spannenden Moment. Wenn die Leute anfangen, darüber zu reden."
    Zwar arbeiten beide auch in ihren Ateliers. Die ARTvisite aber hat für sie einen echten Benefit. Das sind vor allem neue Perspektiven - für die Zuschauer genauso wie für die Künstlerinnen selbst.
    "Das, was bei mir im Atelier entsteht, ist das, was immer in diesem Atelier entsteht. Und in dem Moment, wo ich das raushole und nur drei Schritte woanders hinpacke, passiert was anderes. Und sich dafür aufzumachen ist ja auch so ein bisschen, sich einzugestehen, dass es eben nicht alles aus einem selbst kommt, sondern dass es wirklich so was gibt wie Beeinflussung und Inspiration. Es entsteht andere Kunst."