Uli Blumenthal: Seit 19. März steigern vier Telekommunikationsunternehmen in Mainz bei der Bundesnetzagentur bei einer Auktion um die Frequenzen für den Mobilfunkstandard 5G. Geboten wird bei dieser Auktion auf insgesamt 41 Mobilfunkblöcke, deren Zahl sich unterschiedlich über das 2-Gigahertz-Spektrum, Bereich ab 3,4 Gigahertz und ab 3,6 Gigahertz verteilen. Aktuell steht die Summe nach mehr als 350 Runden (Stand: 16.05., 11 Uhr) nach Veröffentlichung bei mehr als 5,8 Milliarden Euro. Ich habe über den Ablauf der Versteigerungsrunden und die Endrunde der Auktion mit Professor Doktor Achim Wambach gesprochen, er ist Präsident des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW in Mannheim, und gefragt, wie diese Auktion funktioniert.
Achim Wambach: Ja, das ist eine Mehrrundenauktion offensichtlich. Wir sind jetzt schon bei über 340 Runden. Es wird auf jeden Block geboten und in der nächsten Runde kann jemand dann diesen Block wieder überbieten. Die Auktion läuft so lange, bis auf keinen Block mehr geboten wird. Dann endet die Auktion. Wann das passiert, wird man sehen.
"Hinter diesen Geboten steckt ja eine unternehmerische Kalkulation"
Blumenthal: Nach jeder Versteigerung wird ja das Höchstgebot und der Höchstbieter veröffentlicht. Das heißt, diese Auktion ist zeitlich völlig offen.
Wambach: Genau. Die können jetzt auch noch weitere Wochen bieten, wenn das Budget es hergibt und die Businesspläne. Also hinter diesen Geboten steckt ja eine unternehmerische Kalkulation, was sind mir diese Frequenzblöcke wert, was ist das Geschäft, was ich anschließend machen will, und auf der Basis haben die auch einen Wert berechnet, wie weit sie dann mit ihren Geboten gehen wollen.
Blumenthal: Warum ist man bei dieser Auktion dann immer wieder offen, neu zu bieten auf einen Block, den eigentlich vielleicht schon der Konkurrent ersteigert hat? Was ist der Sinn, der dahintersteckt?
Wambach: Das große Problem bei grundsätzlich der Zuteilung von Frequenzblöcken ist, das den Unternehmen zu geben, die auch am meisten damit anfangen können, und diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Wer braucht die Frequenzblöcke mehr, wer will schneller vielleicht den 5G-Standard ausrollen, wer kann das besser mit den anderen Frequenzen, die die Unternehmen haben, kombinieren, und deswegen hat man sich gesagt, diese Entscheidung, wer was bekommt, das sollen die Unternehmen selber treffen über so eine Auktion, die dafür recht effizient ist, sozusagen rauszufinden, wer den meisten Wert an diesen Blöcken hat.
Konzeptionelles Problem der Auktion
Blumenthal: Nun bietet man auf einzelne Blöcke in verschiedenen Frequenzbändern. Wie muss man sich das vorstellen? Versucht man, alle Blöcke eines Frequenzbandes zu bekommen oder seine Blöcke, die man ersteigert, über die Frequenzbänder zu verteilen?
Wambach: Das hängt auch davon ab, welche Technik die Unternehmen am Ende benutzen wollen. Die haben ja andere physikalische Eigenschaften. Manche haben eine höhere Reichweite, manche eine geringere Reichweite, mit manchen kann man mehr Informationen übermitteln. Was hier besonders ist, ist, dass man wirklich auf jeden einzelnen Block bietet. Die Blöcke sind austauschbar. Die werden übrigens auch am Ende erst richtig zugeteilt, der Frequenzblock, also am Ende der Auktion, wenn sie dann mal vorbei ist. Das heißt, man hätte auch einfach sagen können, ich hätte gerne von der Sorte drei, von der Sorte zwei Blöcke, das hätte auch funktioniert, zumindest prinzipiell. Die Bundesnetzagentur hat sich entschieden, hier so eine sogenannte offene simultane Mehrrundenauktion zu machen.
Blumenthal: Gibt es sogenannte Schlüsselblöcke? Also man hat ein Paket von Frequenzblöcken ersteigert, kann aber damit nichts anfangen, weil der eine entscheidende Block fehlt?
Wambach: Also das kann passieren. Das ist tatsächlich eins der konzeptionellen Probleme dieser Auktion. Der [unverständliches Wort, d. Red.] hat das das Exposure-Problem genannt. Ich biete auf eine Anzahl von Blöcken, und dann wird mir einer rausgenommen, und den hätte ich aber unbedingt gebraucht. Jetzt habe ich die Wahl: Behalte ich die anderen Blöcke, die sind mir aber vielleicht gar nicht so viel wert, aber ich habe ja schon viel drauf geboten - oder fange ich jetzt an, um diesen einen Block zu bieten und im Notfall sozusagen über mein Budget hinaus zu bieten. Das ist tatsächlich eine Problematik, die diese Auktionsform hat. Andere Auktionsformen haben das nicht.
Blumenthal: Man kann eigentlich nicht sagen, wann diese Auktion beendet ist, oder man kann auch nicht sagen, was jetzt zu lesen war, dass es eigentlich nur noch um einen einzelnen Block im 3,6-Gigahertz-Bereich geht, oder?
Wambach: Genau. Das sieht im Moment so aus, als ob es nur um einen Block geht, weil die wirklich brav immer nur auf den Block bieten, der gerade sozusagen überboten wurde. Der bietet dann auf einen neuen Block, aber das hat noch nicht viel zu sagen. Das kann auch wieder sozusagen dazu führen, dass dann auf mehrere Blöcke gestritten wird. Das ist tatsächlich schwer, während der Auktion genau zu interpretieren, was nun das strittige Element ist.
"Es sieht so aus, als ob wir in dieser War-of-Attrition-Phase sind"
Blumenthal: Die Auktionsteilnehmer sind derzeit in einer Phase – so hat es ein Kollege von Ihnen beschrieben –, die in der Spieltheorie als Abnutzungskampf bezeichnet wird. Also jeder hofft in jeder Runde, dass der andere nicht mehr kann. Sehen Sie diese Endrunde jetzt gegeben?
Wambach: Also dieser War of Attrition ist ein Spiel, das man ganz gerne nutzt, um dieses Bietverhalten zu interpretieren, weil man, sagen wir, man hat schon viel investiert, und es ist ja auch klar, mit jedem Gebot, was man macht, erhöht man nicht nur den Preis auf diesen Block, sondern weil die anderen ja auch nachziehen, erhöht man auch die Preise auf die anderen Frequenzblöcke, sprich auch auf die anderen Blöcke, die man selber hat. Also weiter mitbieten wird auch teurer für das, was ich sozusagen eigentlich dachte, vielleicht schon gehabt zu haben, und deswegen ist dieser War of Attrition ganz gut, um das zu analysieren. Es sieht so aus, als ob wir in dieser War-of-Attrition-Phase sind, aber am Ende weiß man es erst genau, also wenn die Auktion vorbei ist, weil da sind doch zu viele strategische Implikationen, die das hat.
"Es kann sein, dass man zu viel bietet"
Blumenthal: Ist es auch, in der Mathematik sagt man: ein Optimierungsproblem? Ist es auch ein Optimierungsproblem für die Unternehmen, dass sie eigentlich vermeiden, viel zu viel Geld für Frequenzen zu bezahlen, das sie dann nicht wieder reinkriegen?
Wambach: Ja, also es gibt andere Auktionsformate, da ist das Bietverhalten zum Beispiel viel einfacher, weil man, wir nennen das: wahrheitsgemäß bieten kann. Also da bietet man, was die Zahlungsbereitschaft ist, und das Auktionsformat ist so, dass man dann eine Zuteilung bekommt. Die Preisregelung ist so schlau gemacht, wir nennen das eine Zweitpreisregel, dass es auch sinnvoll ist, sozusagen wahrheitsgemäß zu bieten.
Hier kann es zu Problemen führen, zum Beispiel man bietet auf ein Bündel von Frequenzen, die man braucht. Am Ende wird eine rausgenommen aus diesem Bündel oder zwei, und dann steht man da und muss sich die Frage stellen, komme ich da wieder zurück bei den beiden, vielleicht, dass ich sogar zu viel biete, weil ansonsten habe ich ja nur die anderen. Die muss ich auch teuer zahlen, aber die bringen mir nicht so viel. Das ist also als Bild, wie wenn Sie auf einen rechten und linken Schuh bieten, und Sie haben eigentlich auf beide schön geboten. Dann nimmt Ihnen einer den einen Schuh weg, und mit dem linken können Sie nichts anfangen alleine, und dann ist die Frage, komme ich auf den rechten noch mal zurück. Das kann tatsächlich dazu führen, dass man zu viel bietet.
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