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Mobilität
Geplante Regeln für Elektrokleinstfahrzeuge

Elektrische Tretroller oder Skateboards werden zwar schon benutzt, aber sind für öffentliche Straßen bislang nicht legal. Die Bundesregierung plant deswegen eine "Verordnung für Elektrokleinstfahrzeuge". Doch zeichnet sich bereits Ärger ab.

Von Dieter Nürnberger |
    Ein Mann fährt mit einem Elektro-Skateboard am 03.02.2016 über das Gelände der Freizeitmesse abf in Hannover (Niedersachsen).
    E-Skateboard - Nutzung noch ohne Regeln (picture alliance / dpa / Holger Hollemann)
    "Genau hier dieser Hebel. Genau. Und dann rastet es schon ein. Und es ist eben relativ gut tragbar."
    Es braucht nur ein paar geübte Handgriffe und schon ist das elektrische Klapprad zusammengefaltet. Übrig bleibt ein 14-Kilo schwerer, etwas unförmiger Korpus mit Rollen darunter. Ideal zum Hinter-Sich-Herziehen. Dieses faltbare E-Bike hat bei einer 58-jährigen Berlinerin Kaufinteresse geweckt. Doch es gibt ein Problem: Denn dieses Wunschrad hat, im Gegensatz zu einem Pedelec mit lediglich unterstützendem Hilfsmotor, einen elektrischen Vollantrieb. Und so etwas ist bisher hierzulande nicht zugelassen.
    "In anderen Ländern, in der Schweiz, in Österreich, in den USA sowieso, sind die überall zu fahren. Ich habe ein Fahrrad - ein elektrisches. Aber das ist mir wirklich für die öffentlichen Verkehrsmittel zu groß, zu kompakt. Das kriege ich auch nicht einfach so die Treppen hoch und runter. Auch im Aufzug wäre es mir zu klobig. Und ich kann es auch auf der Arbeit nirgendwo abstellen."
    Die Frage nach der Zulassung
    Im Fachgeschäft "Scooterhelden" in Berlin-Schöneberg gibt es so gut wie alles, was irgendwie elektrisch fährt oder rollt. Einige Modelle sehen wie ein klassisches Mofa aus, es gibt E-Scooter, welche dem guten alten Tretroller nachempfunden sind und auch vieles, was nur äußerst sportlich zu handhaben ist - elektrische Skateboards beispielsweise. "Scooterheld" Gerard Kopczinski kennt natürlich die Nachfragen nach der Zulassung. Elektrische Tretroller beispielsweise verkaufen sich derzeit besonders gut.
    "Aktuell nur auf Privatgelände oder in öffentlichen Parks. Etwa auf dem ehemaligen Flughafengelände in Tempelhof. Öffentliche Straßen sowie Bürgersteig oder Radweg sind aktuell verboten. Wenn die Leute es dennoch machen, dann haben wir damit nichts mehr zu tun."
    Keine Helmpflicht geplant
    Abhilfe soll nun eine neue "Verordnung für Elektrokleinstfahrzeuge" schaffen. Ein erster Entwurf wurde vom zuständigen Bundesverkehrsministerium im Dezember vorgelegt. Strittig sind vor allem die Zulassungsbedingungen: Fest steht wohl, dass künftig eine Höchstgeschwindigkeit von 20 Kilometer pro Stunde gelten soll. Eine lang diskutierte Helmpflicht ist wohl vom Tisch, dafür könnte aber ein Versicherungsnachweis erforderlich sein. Wer auf einen unbürokratischen Vorschlag der Politik gehofft hatte, zeigt sich nun enttäuscht. Beispielsweise Kurt Sigl, der Präsident des Bundesverbandes eMobilität:
    "Von vornherein ein Buch aufzustellen mit hunderttausend Regelungen, die am Schluss keiner versteht. Selbst im Baltikum oder in Wien sieht man die Dinge nicht ganz so eng, wie bei uns und lässt diese Experimentierräume zu. Und wenn dann irgendwas nicht ganz so funktioniert, kann man ja immer noch nachjustieren. Aber im Großen und Ganzen gibt es da ganz wenige Probleme."
    Radweg, Bürgersteig oder Straße?
    Kurt Sigl spricht von Mikromobilität, eine klimafreundliche Art der Fortbewegung. Doch ein Detail der geplanten Verordnung wird besonders heftig diskutiert. Laut Entwurf sollen die Elektrokleinstfahrzeuge künftig auf den Fahrradweg rollen dürfen, ist keiner vorhanden, auf der Straße.
    Vor allem in vielen Großstädten wird es immer enger. Die Bevölkerung wächst, der Verkehr nimmt zu. Es ist ein Verteilungskampf, sagt Stephanie Krone, Sprecherin des ADFC, des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs. Die neue Elektromobilität wird hier grundsätzlich positiv gesehen, allerdings:
    "Was passieren wird ist, dass die Menschen, weil sie sich auf den Radwegen nicht sicher fühlen, auf dem Fußweg fahren werden. Das wird einfach das Dilemma sein. Und das wollen wir auch nicht. Wir wollen, dass der Autoverkehr Platz abgibt, damit die anderen Verkehrsmittel Platz bekommen können."
    Das Schöne an der Elektromobilität ist, sie verursacht kaum Verkehrslärm, allenfalls ein paar Rollgeräusche. Ein Chaos auf den Bürgersteigen befürchtet auch Fuss e.V., der Fachverband für den Fußverkehr in Deutschland. Fußgänger haben ohnehin kaum eine Lobby in diesem Land, sagt Sprecher Roland Stimpel. Er lehnt elektrische Tretroller oder Skateboards nicht ab, sie seien besser als jedes Auto, doch bitte nicht auf dem Fußweg.
    "Wenn jemand meint, er muss mit einem solchen Gerät spielen, dann kann es dafür spezielle Spielplätze geben. Es wird ja auch nicht auf der Fahrbahn oder den Gehwegen gebolzt, dafür gibt es Bolzplätze. Da muss man nicht Menschen, die unterwegs sind, gefährden und belästigen. Dann muss man diesen Raum eben schaffen."
    Vielfältige Erfahrungen aus dem Ausland
    Der passionierte Fußgänger Roland Stimpel verweist auch auf das Ausland. In Kalifornien beispielsweise boomt derzeit nicht nur der private Verkauf von elektrischen Tretrollern und Co., sondern ebenso das Verleihgeschäft, vor allem an Touristen. Einzelne Kommunen würden inzwischen regelrecht überrollt. Auch für Deutschland stehen die Verleihfirmen schon in den Startlöchern, so Kurt Sigl vom Bundesverband eMobilität. Man warte nur noch auf die Vorgaben der neuen Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung, die im Frühjahr kommen soll.
    "Die jungen Leute wollen flexibel und mobil unterwegs sein. Das ist auch hipp und in. Es wird definitiv ein Millionenmarkt werden - nicht nur die Summen betreffend, auch die Fahrzeuge betreffend. Es geht alles schneller als wir vermutlich glauben."