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Modedesigner Imane Ayissi
Der afrikanische Pionier in Paris

Die Haute-Couture-Schauen in Paris sind um einen Akzent reicher: Denn das letzte Défilé am Donnerstagnachmittag wird eine kleine Sensation. Zum ersten Mal ist – zunächst als Gast - ein Designer aus Schwarzafrika dabei - der Kameruner Imane Ayissi. Ein Besuch in seiner Pariser Werkstatt.

Von Stefanie Markert |
Zwischen Schneiderpuppe, Stoff und Schere: Der Modeschöpfer Imane Ayissi in seinem Pariser Atelier
Der Modeschöpfer Imane Ayissi in seinem Pariser Atelier (ARD/Stefanie Markert)
Imane Ayissi hat die Adresse wohl gewählt: Sein Atelier liegt am Rande des traditionellen Pariser Schneider-Viertels. Und die nächste Metrostation heißt Bonne Nouvelle – "frohe Botschaft" oder "gute Nachricht". Wie die Einladung zur Haute-Couture-Woche. Bester Laune öffnet der 51-Jährige aus dem Kamerun im Hinterhof, 3. Stock rechts persönlich die Tür und bietet gleich das Du an:
"Ich bin sehr bewegt, zufrieden, stolz und geehrt, Afrika südlich der Sahara zu repräsentieren. Es ist ja das erste Mal, dass ein Designer aus Schwarzafrika bei der Haute Couture einen Platz bekommt. Das muss gefeiert werden. Die Zeit war reif dafür. Jeder lässt sich von Afrika inspirieren. Nun müssen auch wir selbst auf der großen Messe der Mode unseren Raum bekommen. In der Geschichte wird eine neue Seite geschrieben. Diesmal mit den Afrikanern zusammen."
Kleider und Stoffe leben
Sein Team hat bis spät gearbeitet. Der große, schlanke Mann - ganz in Schwarz gekleidet - ist an diesem Vormittag allein in seinem Universum. Auf Regalen liegen Stoffe bis unter die Decke. Imane hebt einen dottergelben vom Schneidertisch hoch.
"Für mich haben Kleider und Stoffe ein Leben. Man hat eine Idee, schneidet zu, näht, bis man sein Werk auf einer Schneiderbüste oder am Mannequin sieht – das ist wie eine Geburt. Und manchmal kullern dann auch ein paar Tränen."
Schaut er auf ein Schwarz-weiß-Foto an der Wand, muss er aber erstmal lachen :
"Es zeigt meine Mama als 'Miss Unabhängigkeit von Kamerun'. Mein erstes Kleid von Yves Saint Laurent oder Pierre Cardin habe ich bei ihr gesehen. Ich habe erforscht, wie sie geschneidert worden sind. Manchmal habe ich sie mit der Schere zerschnitten und mir dafür Ohrfeigen eingefangen."
Wenige Striche und ein Kleid entsteht
Imanes Karriere beginnt aber zuerst als Tänzer im Nationalballet Kameruns. Er tritt in Musikvideos von Sting auf, tanzt auf der Saga-Afrika-Tournee von Yannick Noah und arbeitet parallel als Model. Seit 1992 designt er jedes Jahr Modekollektionen.
Wenige Striche und ein Kleid entsteht, so wie auf den älteren Skizzen, die samt Stoffproben auf dem Schneidetisch ausgebreitet sind.
"Die mag ich sehr – meine Kollektion zum 50. Jahrestag der afrikanischen Unabhängigkeit. Ich habe trapezförmige Kleider entworfen. Sie errinnern an die 60er-Jahre. Auf jedem ein Motiv. Sie symbolisieren Geld und Macht. Die Maske steht für Kultur und Blätter für die Umwelt. Ich stelle bis heute jedem die Frage: 'Was hat man aus Afrika gemacht?'"
Nachhaltigkeit ist wichtig
Imane ist sendungsbewusst und sozial engagiert. Ob es um Brillenspenden für Afrika geht oder um Kinder im Kongo. Er schreibt Märchenbücher und verbindet verlorene Folklore phantasievoll mit der Zukunft. Zudem setzt er auf nachhaltige Mode – mit Biogarn aus Burkina Faso.
Geschickt schiebt er einen hauchdünnen Seidenstoff durch die Nähmaschine. Ayissi lässt sich von Kamerun, aber auch von seiner Wahlheimat Frankreich inspirieren. Seine Kollektionen tragen dennoch afrikanische Namen. So nimmt der Modemacher die Zuschauer in Paris mit auf eine Reise in sein Heimat-Dorf.
Reichtum als Motto
"Dieses Mal heißt die Kollektion 'Akouma'. Das bedeutet in der Beti-Sprache aus Kamerun 'Reichtum'. Damit feiere ich den Einzug Schwarz-Afrikas in den offiziellen Haute-Couture-Kalender. Reichtum – das bezieht sich auf noble afrikanische Stoffe und auf traditionelle Weberei wie in Ghana zum Beispiel. Ja, ich mache sogar Bast zu einem edlen Material. All das ist Reichtum, und das ist meine Botschaft."
Ayissi raschelt mit einem Bastrock von der Kleiderstange. Die Faser wurde weich gemacht, damit sie die Haut nicht irritiert. Daneben steht eine Schaufensterpuppe mit zartrosa Abendkleid umringt von kleinen afrikanischen Statuen.
"Und das hier ist Makrame aus Lederfäden. Es erinnert an geflochtene Palmenblätter. Aus denen hat man früher Trage-Beutel gemacht, um Geflügel zu transportieren."
Bunte Muster kamen von Kolonialisten
Heißt afrikanische Mode eigentlich immer – bunte Farben und große Muster?
"Das ist eine Dummheit. Das wäre, als ob man sagt: Französische oder deutsche Mode, das ist Grau und Schwarz. Da sage ich: 'Nein!' Diese gedruckten Muster – die sind schon mal gar nicht afrikanischen Ursprungs. Die kamen mit den Kolonialherren! Und sie haben einiges kaputt gemacht, was typisch Afrikanisch war."
Ayissi zählt Stoffe aus Mali oder der Elfenbeinküste auf. Erinnert an Muster, nach denen man früher Ethnien und Familien unterscheiden konnte. Doch die Tradition ist gefährdet. Der Designer engagiert sich deshalb für den Nachwuchs in einem Zentrum, das seit zehn Jahren existiert, auch durch deutsche Hilfe.
"Das Goetheinstitut in der Hauptstadt Yaoundé hat uns von Anfang an geholfen bei unserer Arbeit für das Zentrum der Modeschaffenden Kameruns. Mit Material oder Konferenzräumen. Ein guter Partner."
Mystisch und hexenhaft
Womit aber will er die Modewelt bei seinem ersten Haute-Couture-Auftritt überzeugen?
"Ich will nicht zu viel verraten, aber ich mag es mystisch und ein wenig hexenhaft. Ein paar afrikanische Glücksbringer können auch nicht schaden. Es soll kein großer Karneval werden. Sondern eine Hommage an die Frauen in Afrika, aber auch die in Paris, Berlin und Mailand. Dabei versuche ich schon, die Augen auf Afrika zu lenken."
Den Stil hat Imane Ayissi von der Mutter geerbt, den Kampfgeist aber vom Vater, denn der war Box-Champion im Kamerun.
"Ich wage etwas, habe keine Angst. Auch als ich für große Luxusmarken auf dem Laufsteg war. Uns fehlen vielleicht die Mittel, aber das Können ist da. Und wenn jetzt dieses kleine Licht auf mich fällt, dann deshalb, weil ich jahrelang dafür gekämpft habe. Aber der Kampf ist nicht vorbei. Jetzt kommt das Härteste. Andere müssen mir folgen. Und man muss standhalten, den Platz verteidigen."
Den Platz Afrikas in der Haute Couture.