Ein schwebendes, fast vollständig gläsernes Gefährt, das an eine kleine Raumkapsel erinnert, macht sich auf die Reise vom Londoner Underground nach Istanbul. Im Inneren sitzt eine schlanke, androgyne Schönheit in leichter Kleidung, zurückgelehnt wie in Trance läßt sie die verschiedenen Landschaften der Welt an sich vorbeirasen. Denn weil das Geschoss so außerirdisch schnell ist, kann man sich ein paar Umwege über die Wüsten, Polarregionen und großen Ozeane erlauben. Zwölf Minuten dauert dieser digitale Videotrip, der auf fünf Projektionswänden zugleich als Panorama unterschiedlicher Perspektiven zu sehen und mit elegischer Klaviermusik à la Eric Satie unterlegt ist.
Und wie bei allen Werken Hussein Chalayans drängen sich auch hier symbolische Lesarten auf. Das gläserne Flugobjekt erinnert ein wenig an eine riesige Fruchtblase, wie auf den Gemälden von Hieronymus Bosch, und da Hussein selbst die Installation als "innere" Weltreise beschreibt, läßt sich die junge Frau durchaus als Verkörperung der Seele verstehen, wie man sie ebenfalls aus der mittelalterlichen Ikonografie Europas kennt. Immerhin, das wäre bemerkenswert: Wann ist schließlich in heutigen Videoanimationen schon von "Seele" die Rede? In der internationalen Designerbranche klingt dieses Wort ohnehin etwa so affig wie Parteienwerbung vor der Bundestagswahl.
Der Modeschöpfer Hussein hat mit diesem Video letztes Jahr eine Art Manifest seiner Arbeit vorgelegt, obwohl oder gerade weil es darin überhaupt nicht um Mode geht. Die Verbindung von westlicher und östlicher Welt, der Streifzug durch unterschiedlichste Kulturen hat für den jungen Designer aus dem türkischen Teil Zyperns offenkundig Priorität vor den saisonalen Abhängigkeiten der Branche. Auch das ungewöhnlich, und auch daran läßt sich erahnen, dass der 35jährige weit mehr will als nur ein Haut Couturier sein à la Lagerfeld oder Chanel. Kleidungsstücke sind für Hussein nicht nur schöne oder auffallende Ornamente des Körpers, sondern Objekte, die eine Aussage haben, wie Skulpturen oder Kunstinstallationen. Seine Entwürfe sind buchstäblich spektakulär, weil sie dabei das Tragbare, die Garderobe radikal außer Acht lassen oder es für philosophische Ideen umfunktionieren.
Für seine Abschlusspräsentation am renommierten Londoner Central St. Martins College of Art and Design grub er vor sechs Jahren Kleidungsstücke zwei Wochen lang in Erde ein, so dass die Models mit lehmverkrusteten Gewändern auf die Bühne kamen, die die Anmutung von verrostetem Metall hatten. Für seine "Airmail"-Kollektion fertigte er Kleider aus unzerreißbarem Papier, um die "untrennbaren" Grundlagen der Weltkulturen zu thematisieren.
Das Projekt "Ambimorphous" ("Zweigestaltig") aus der Winterkollektion 2002/2003 versteht sich als Zeitreise durch verschiedene Kulturen. Die Präsentation begann mit einem Modell, das ganz in eine Art antiker Tracht gehüllt ist, gefolgt von weiteren Modellen, deren Kleidung sich in Stufen in ein modernes schwarzes Outfit verwandelt.
Ohnehin hat Hussein die Laufstege der Prêt à Porter-Schauen allmählich als Bühnen für Performances entdeckt, in denen er mithilfe von Kleidungsverwandlungen politische und soziale Botschaften aussendet. Die bisher spektakulärste Show veranstaltete er im Herbst/Winter 2000/2001 mit der Kollektion "Afterwords" ("Nachworte"), mit der er auf die Realität von Flüchtlingen und Exilanten hinweisen wollte. Die Bühne ist mit Möbeln bestückt, die von den Modellen nach und nach in Kleidungsstücke und Accessoires verwandelt werden. Stuhlbezüge werden zu Kleidern, die Stühle zu Koffern, und ein Salontisch entpuppt sich als ein weiter hölzerner Rock, der an Oskar Schlemmers "Triadisches Ballett" von 1923 erinnert.
Inzwischen arbeitet Hussein an der Ausgestaltung eigener "Flagship Stores", die mehr als Galerien und begehbare Installationen fungieren, denn als Verkaufsräume. Im April letzten Jahren eröffnete die Dependance in Tokyo, wo die Besucher in multimedial gestalteten Räumen die mediterrane Atmosphäre seiner Heimat Nordzypern nachempfinden sollen. Um Kleiderkauf geht es nur in zweiter Linie.
Manches in Husseins interkulturellem und multimedialen Ansatz verweist in der Tat auf die Tradition des Bauhauses, wenn er dabei auch weniger auf rein geometrische Abstraktion setzt, wie noch Oskar Schlemmer und seine Mitstreiter, sondern eben auf "innere Seelenreisen". Auch Kleidungsstücke lassen sich zweifellos in Kunstobjekte verwandeln, ihre Sprache läßt sich überall verstehen, nur wirklich tragen und kaufen kann man sie nicht. Aber Husseins Kollektionen der letzten zwei Jahre kommen wesentlich kommerzieller daher. Schließlich muss auch ein Künstler einmal Geld verdienen.
Und wie bei allen Werken Hussein Chalayans drängen sich auch hier symbolische Lesarten auf. Das gläserne Flugobjekt erinnert ein wenig an eine riesige Fruchtblase, wie auf den Gemälden von Hieronymus Bosch, und da Hussein selbst die Installation als "innere" Weltreise beschreibt, läßt sich die junge Frau durchaus als Verkörperung der Seele verstehen, wie man sie ebenfalls aus der mittelalterlichen Ikonografie Europas kennt. Immerhin, das wäre bemerkenswert: Wann ist schließlich in heutigen Videoanimationen schon von "Seele" die Rede? In der internationalen Designerbranche klingt dieses Wort ohnehin etwa so affig wie Parteienwerbung vor der Bundestagswahl.
Der Modeschöpfer Hussein hat mit diesem Video letztes Jahr eine Art Manifest seiner Arbeit vorgelegt, obwohl oder gerade weil es darin überhaupt nicht um Mode geht. Die Verbindung von westlicher und östlicher Welt, der Streifzug durch unterschiedlichste Kulturen hat für den jungen Designer aus dem türkischen Teil Zyperns offenkundig Priorität vor den saisonalen Abhängigkeiten der Branche. Auch das ungewöhnlich, und auch daran läßt sich erahnen, dass der 35jährige weit mehr will als nur ein Haut Couturier sein à la Lagerfeld oder Chanel. Kleidungsstücke sind für Hussein nicht nur schöne oder auffallende Ornamente des Körpers, sondern Objekte, die eine Aussage haben, wie Skulpturen oder Kunstinstallationen. Seine Entwürfe sind buchstäblich spektakulär, weil sie dabei das Tragbare, die Garderobe radikal außer Acht lassen oder es für philosophische Ideen umfunktionieren.
Für seine Abschlusspräsentation am renommierten Londoner Central St. Martins College of Art and Design grub er vor sechs Jahren Kleidungsstücke zwei Wochen lang in Erde ein, so dass die Models mit lehmverkrusteten Gewändern auf die Bühne kamen, die die Anmutung von verrostetem Metall hatten. Für seine "Airmail"-Kollektion fertigte er Kleider aus unzerreißbarem Papier, um die "untrennbaren" Grundlagen der Weltkulturen zu thematisieren.
Das Projekt "Ambimorphous" ("Zweigestaltig") aus der Winterkollektion 2002/2003 versteht sich als Zeitreise durch verschiedene Kulturen. Die Präsentation begann mit einem Modell, das ganz in eine Art antiker Tracht gehüllt ist, gefolgt von weiteren Modellen, deren Kleidung sich in Stufen in ein modernes schwarzes Outfit verwandelt.
Ohnehin hat Hussein die Laufstege der Prêt à Porter-Schauen allmählich als Bühnen für Performances entdeckt, in denen er mithilfe von Kleidungsverwandlungen politische und soziale Botschaften aussendet. Die bisher spektakulärste Show veranstaltete er im Herbst/Winter 2000/2001 mit der Kollektion "Afterwords" ("Nachworte"), mit der er auf die Realität von Flüchtlingen und Exilanten hinweisen wollte. Die Bühne ist mit Möbeln bestückt, die von den Modellen nach und nach in Kleidungsstücke und Accessoires verwandelt werden. Stuhlbezüge werden zu Kleidern, die Stühle zu Koffern, und ein Salontisch entpuppt sich als ein weiter hölzerner Rock, der an Oskar Schlemmers "Triadisches Ballett" von 1923 erinnert.
Inzwischen arbeitet Hussein an der Ausgestaltung eigener "Flagship Stores", die mehr als Galerien und begehbare Installationen fungieren, denn als Verkaufsräume. Im April letzten Jahren eröffnete die Dependance in Tokyo, wo die Besucher in multimedial gestalteten Räumen die mediterrane Atmosphäre seiner Heimat Nordzypern nachempfinden sollen. Um Kleiderkauf geht es nur in zweiter Linie.
Manches in Husseins interkulturellem und multimedialen Ansatz verweist in der Tat auf die Tradition des Bauhauses, wenn er dabei auch weniger auf rein geometrische Abstraktion setzt, wie noch Oskar Schlemmer und seine Mitstreiter, sondern eben auf "innere Seelenreisen". Auch Kleidungsstücke lassen sich zweifellos in Kunstobjekte verwandeln, ihre Sprache läßt sich überall verstehen, nur wirklich tragen und kaufen kann man sie nicht. Aber Husseins Kollektionen der letzten zwei Jahre kommen wesentlich kommerzieller daher. Schließlich muss auch ein Künstler einmal Geld verdienen.