William Fans Showroom befindet sich versteckt im Hinterhof in Berlins trubeliger Mitte am Hackeschen Markt. Wie eine Oase wirkt der schmale Raum mit den organisch geformten Kleiderständern aus dunklem Holz und Messing, die Fan selbst entworfen hat. Der Boden scheint aus grünem Marmor zu sein. "Stopp, stimmt nicht", sagt William Fan, ein großer junger Mann mit schulterlangen dunklen Haaren und einer sanften Ausstrahlung:
"Das ist Epoxidharz, und wir haben das gemalt, gerakelt und gegossen, das soll an einen Jade-Stein aus Hongkong erinnern."
Das Jugendzimmer als Laufsteg
William Fan ist Sohn von Hongkong-Chinesen, geboren wurde er in Hannover, aufgewachsen ist er in der niedersächsischen Provinz in Garbsen.
Die Bushaltestelle des Vorortes und sein Jugendzimmer von damals baut Fan bei seiner Modenschau für die Sommerkollektion 2018 im Garten des Kronprinzenpalais nach. Die weiblichen und männlichen Models sitzen an seinem Schreibtisch oder räkeln sich auf seinem Bett. Sie tragen lässige Hosen mit Gummizug, die am Knöchel mit Bändern verschnürt werden und klassisch geschneiderte Hemden mit viel zu langen Ärmeln, aus denen bunte Federboas hängen. Darüber tragen sie weite Mäntel und Anglerhüte in sonnengelb, orangerot oder silber.
"Es musste laut sein und das Farbspektrum von der 'Bravo' widerspiegeln."
Dazu laufen die Partyhits, die der heute 32-Jährige damals gehört hat. Die Shows inszeniert Fan wie Filmszenen, mit viel Ironie.
"Es soll ja auch Spaß machen. Ich gestalte die Show, damit Leute amüsiert sind. Damit transportiert man am besten Emotionen."
Spiel mit den Klischees
Eine sehr emotionale Show gelingt Fan Anfang 2018 in einem China-Restaurant. Es ist eine Hommage an seine Eltern, die in ihrem eigenen Restaurant als Kellnerin und Koch gearbeitet haben. Dort konnte William Fan schon früh unterschiedliche Charaktere beobachten.
"Ich bin immer nach der Schule zu meinen Eltern. Dann war das immer eine tägliche Szenerie, die sich da abgespielt hat. Was ich daran so spannend fand und warum, dass so gut zu unserer Kollektion passt: Es hat den Aspekt der Arbeitskleidung. Meine Eltern waren immer in Arbeitskleidung gekleidet, und die Gäste waren immer sehr schick."
Der Clash zwischen einer nüchternen Basisuniform, angelehnt an einen Mao-Anzug, und extravaganten Accessoires, wie goldene organisch geformte Armbänder oder Ohrringe, macht die Entwürfe von William Fan so vielschichtig. Und als Kind einer chinesischen Gastrofamilie, erfindet er die Glückskekstasche. Eine Lederhandtasche, die flach wie ein Halbmond oder eingeklappt wie ein Glückskeks an Riemen getragen werden kann.
"Das ist natürlich das klassische Klischee, dass man am Ende im Chinarestaurant einen Glückskeks bekommt, so wie auch bei uns - und ich wollte daraus eine einzigartige Tasche kreieren. Und das ist uns, glaube ich auch ganz gut gelungen."
Mit humorvoll-herausstechenden Entwürfen wie diesen macht William Fan in den vergangenen vier Jahren schnell auf sich aufmerksam. 2018 wird er für den Woolmark Prize nominiert. Er ist fester Bestandteil der Berliner Modewoche und zeigt seine Kollektionen auch auf der Fashionweek in Paris.
Zum 90. Geburtstag von Mickey Mouse wird William Fan 2018 neben Designern wie Vetements oder Gucci von Disney gebeten, ein T-Shirt zu entwerfen. William Fans Idee: Mickey Mouse darf die Augen geschlossen halten, weil er sonst immer entertainen muss. Eine meditierende Mickey Mouse – das gefällt nicht nur Disney, sondern auch "Vogue"-Chefin Christiane Arp.
Christiane Arp: "William ist lustig in seinem Design. Aber auch ganz weit mit allem - und wissen Sie, immer auch mit diesem kleinen Augenzwinkern. Würden Sie sagen, deutsches Design hat Augenzwinkern? Eigentlich nein, dafür steht es nicht. Aber das sehen wir hier."
Edle Stoffe sind ein Muss
Sinn für Humor beweist Fan auch bei seiner Show für die Winterkollektion 2019 und 2020 in einer Karaoke-Bar am Alexanderplatz. Die Models laufen auf dem Tresen, der als Laufsteg dient. Fans Unisex-Anzüge sind weit geschnitten aus braunweiß kariertem Wollstoff oder schlicht dunkelblau mit rotem Pailletten-Stoff auf dem Rücken.
William Fan legt großen Wert auf edle Stoffe wie Seide oder Cashmere-Wolle. Seine Kollektionen lässt Fan in kleinen Familienbetrieben in China und Hongkong herstellen. Auch wenn er in Deutschland geboren ist, spielen seine kulturellen Wurzeln bei den Entwürfen und Materialien eine große Rolle. Dieses Jahr ist er beim Besuch der Werkstätten in Hongkong mitten in die Straßenproteste hineingeraten. Ein verstörendes Bild, doch wenn man nicht in Hongkong lebt, sei es schwer, sich ein Urteil zu erlauben, sagt Fan.
"Es ist sehr komplex. Ich habe mich auf jeden Fall viel mit meiner Familie darüber unterhalten. Die Meinungen gehen auseinander. Es ist nicht klar. Die Stadt ist sehr gespalten, die Stadt ist sehr angespannt, die ist sehr zerrissen."
Jetzt konzentriert der Designer sich auf seine neue Show im Januar zur Fashionweek in Berlin. Welche Geschichte William Fan da erzählen wird und welches Setting er kreiert, das bleibt bis zur Schau streng geheim!