Es rattert, klappert, wummert. Geräusche, die man sonst in einer Werkstatt vermuten würde, dringen aus dem Atelier der Modedesignerin Marina Hoermanseder. Denn die 30-jährige gebürtige Wienerin - charmant, freundliches Lächeln, mädchenhaft - hat sich dem Leder verschrieben.
"Leder mag ich als Material sehr gerne. Es ist für mich vor allem die Verarbeitung: also von der rohen Haut, das Nass machen, das Massieren und Formen und Kanten schleifen, Kanten schneiden. Also allein die ganzen Werkzeuge liebe ich heiß."
Das helle Atelier liegt in einem ehemaligen Berliner Fabrikgebäude, heute arbeiten hier Fotografen, Designer und Künstler Tür an Tür. Marinas Räume sind großzügig. In einer Ecke stehen Lederspaltmaschine und Werktische mit Schraubstöcken, in einer anderen Ecke Nähmaschinen. Gleich am Eingang: eine überdimensionale Halbkugel aus Bauschaum, ein Korpus, den die Wahlberlinerin braucht, um ihre glockenartigen, später sehr steifen Lederröcke, in Form zu streicheln.
Erste Kollektion wird zur Eintrittskarte für die Berliner Fashion Week
Doch angefangen hat alles mit einem einfachen Stützkorsett: "Als mich das orthopädische Korsett so wahnsinnig inspiriert hat, war für mich der nächste Schritt: umsetzen, neu interpretieren, welches Material? Und als ich mich dann wirklich damit auseinandergesetzt habe, bei einem Sattler jeden einzelnen Schritt der Lederverarbeitung gelernt habe, da habe ich meine Leidenschaft entdeckt."
Inspirationsquelle waren auch Schnürungen und Schnallen aus der Fetischszene. 2013 zeigt Marina Hoermanseder erstmals ihre Entwürfe in ihrer Abschlusskollektion für die renommierte Berliner Modeschule ESMOD. Die Begeisterung ist groß – so groß, dass die Absolventin sofort eine Einladung zur Berliner Fashion Week erhält, ihre Kollektion auf dem großen Laufsteg zu zeigen. Neben Rollkragenpullis aus Leder und Blusen mit dem typischen Hoermanseder-Lederdetail sind es auch die Handtaschen, die von Modebloggern als Mustöhave auserkoren werden: kleine Ledersäcke in Pastelltönen zum Beispiel, liebevoll verziert mit Blüten und Schleifchen aus – klar – Leder.
Geld verdienen mit Alltagstauglichem
Ihr Erkennungsmerkmal aber ist ein Lederriemenrock: knielang und so unbeweglich, dass das Model darin nur tippeln kann. Ein Stück, das sich inzwischen gut verkauft, aber davon allein kann die Designerin nicht leben – und schon gar nicht ihr mittlerweile 20-köpfiges Team finanzieren.
"Ich habe Wirtschaft studiert, ich muss am Ende des Tages auch Geld verdienen. Und da geht es natürlich auch darum, eine Nachfrage zu bedienen. Und die Nachfrage ist schon etwas Tragbares, etwas Alltagstaugliches, sag ich mal. Und da finde ich es sehr spannend, weiches Leder zu verwenden, also Nappaleder zum Beispiel, und dann Kleidungsstücke in Leder anzubieten."
Auftragsarbeiten für die österreichische Post und Austrian Airlines
Die junge Designerin ist breit aufgestellt: Ihre Kleider und Accessoires gibt es für Kunden mit größerem und kleinem Geldbeutel. Außerdem entwarf sie mit der japanischen Lifestyle-Marke "Sanrio" eine "Hello Kitty x Marina Hoermanseder"-Kollektion. Marina nimmt auch klassische Auftragsarbeiten an. Im Jahr 2015 für die Fluggesellschaft "Austrian Airlines", 2017 entwirft sie die neuen Uniformen der Österreichischen Post. Wird sich das extravagante Design dem doch biederen Image des Kunden fügen müssen?
"Wir geben der Designerin natürlich die Freiheit, die sie braucht", sagt Kathrin Schrammel, Sprecherin der Österreichischen Post. "Was von uns vorgegeben ist, sind die Farben Gelb und Schwarz, die sollen sich auch in der neuen Uniform wiederfinden. Und was auch vorgeben ist, dass die Teile funktionell sein sollen und angenehm zum Tragen sind."
Leder-Entwürfe mittlerweile weltweit bekannt - dank Social Media
Was für ein Ausverkauf, könnte man meinen – aber Auftragsarbeiten wie diese sind letztlich ein Weg, sich ausgefallene Entwürfe zu finanzieren: Lederkleidung, die eigentlich "Fetisch" schreit, aber durch ihre Pastellfarbgebung und lieblichen Verzierungen eben nicht an Sexshop erinnert. Genau diese ausgefallenen Stücke sind es, die bei Stars Aufmerksamkeit erregen. Lady Gaga, Rihanna, FKA Twiks.
"Eine Eve, die Rapperin, hat auch schon Stücke von mir getragen. Und da ist es auch ganz lustig für mich zu sehen, wie wichtig dieses 2.0 ist, also das ganze Social Media! Es ist halt Mode im 21. Jahrhundert, das merke ich total, weil ich zum Beispiel meinen Instagram-Account echt pflege und da kommen Anfragen über Instagram. Das ist etwas, das Eltern nie verstehen werden, dass ein Stylist von Rita Ora Teile bestellt, weil er auf Instagram einen Repost von einem Streetstyle gesehen hat."
Ihr letzter großer Coup: Hollywood. Auch Schauspielerin Ellen Fanning trägt im Film in "The Neon Demon" Lederkorsetts und –röcke. So fliegen Hoermaneder-Kleider nach nur drei Jahren des Bestehens ihres Labels um die ganze Welt. Sie alle sind in dem hellen Atelier in einem ehemaligen Berliner Fabrikgebäude entstanden.