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Modell Berlusconi für Tschechien

"Babisconi" wird der Milliardär Andrej Babis in Tschechien genannt, ein bewusster Vergleich mit Silvio Berlusconi, der seine Medienmacht ebenfalls mit politischen Ambitionen verband. Jüngst hat Babis zwei große Tageszeitungen gekauft.

Von Gerwald Herter |
    "Mlada Fronta Dnes", der Name dieser großen tschechischen Zeitung erinnert immer noch an ihre sozialistische Vergangenheit: "Mlada Fronta Dnes" heißt "Junge Front heute". In den Artikeln aber schlägt sich das längst nicht mehr nieder: Moderner, kritischer Journalismus - statt Propaganda. Knapp 300.000 Exemplare gehen täglich in den Druck, die Zahl der Leser reicht weit darüber hinaus:

    "Mlada Fronta" verkauft sich am besten – sie sei geradezu konkurrenzlos, meint die Frau an der Kasse dieses Prager Zeitungsladens. Dann erst komme die Boulevardpresse, sagt sie, also Blätter wie "Blesk" und "AHA".

    "Mlada Fronta Dnes" ist die größte der seriösen tschechischen Tageszeitungen. Zur MAFRA-Mediengruppe gehören außerdem das Traditionsblatt "Lidové Noviny", zwei Radiosender, ein Fernsehmusikkanal und - politisch besonders wichtig - zwei Internetnachrichtenportale.

    Seit einigen Tagen wiederum gehört die MAFRA-Mediengruppe dem 58-jährigen Geschäftsmann Andrej Babis. Schon im vergangenen Jahr hatte er seine politische Bewegung "ANO" als Partei registrieren lassen. Spätestens im nächsten Jahr finden Parlamentswahlen statt. Kein Wunder, dass viele Tschechen misstrauisch werden. Aus Sicht von Babis aber völlig zu unrecht:

    "Es wird hier befürchtet, dass ich diese Medien wegen meiner politischen Pläne erwerbe. Das stimmt nicht. Mit dem Geld könnte ich ja auch eine Wahlkampagne im Stile Obamas finanzieren."

    Zahlen nennt Babis aber nicht. Die tschechische Wettbewerbsbehörde muss den Verkauf noch genehmigen. Babis besitzt bereits eine tschechische Wochenzeitung, außerdem einen Verlag in der Slowakischen Republik.

    Den Großteil seines Vermögens hatte er allerdings im Umfeld der Landwirtschaft gemacht, in den 90er-Jahren verkaufte er unter anderem Silos. Sein Unternehmen "Agrofert" beschäftigt 28.000 Menschen. Bis heute handelt Babis mit Getreide- und Düngemitteln. Den Vergleich mit dem italienischen Medienzar Berlusconi weist er aber auch aus anderen Gründen zurück:

    "Ich will kein zweiter Berlusconi sein. An minderjährigen Mädchen bin ich überhaupt nicht interessiert. Mein Interesse an MAFRA ist das eines Finanzinvestors, dabei geht es um Geld. Ich werde in keiner Redaktion sitzen. Mit den Journalisten dort spreche ich nicht, ich gebe denen nicht einmal ein Interview."

    Allerdings wurde bekannt, dass er sich bei der "Lidové Novyny"-Redaktion beschwert hat, weil die Zeitung nicht über die Veranstaltung seiner Partei "ANO" berichtete. Inzwischen stattete Babis der Redaktion einen Besuch ab. Dabei versichert er, dass sich das nicht wiederholen wird.

    Die tschechische Journalistengewerkschaft verlangt eine klare Trennung von geschäftlichen und politischen Interessen. Fachleute halten es für möglich, dass Babis weitere Medien erwirbt. Er hatte offenbar auch Interesse an "Blesk" bekundet, einem Boulevardblatt mit hoher Auflage. Es gehört zur Ringier-Axel-Springer-Gruppe. Der Medienfachmann Jaromir Velek sagt, zum ersten Mal tauche nun in der Tschechischen Republik ein starker tschechischer Investor auf, der mehr als zehn Prozent des Marktes beherrschen werde. Seine Gruppe sei schon die Nummer drei:

    "Babis erorbert eine sehr starke Position. Das Neue daran ist, dass hier ein Medienmagnat keinen Hehl aus seinen politischen Absichten macht. Genau darin besteht die Bedrohung, darin, dass die Geschäfte von Babis keine rein wirtschaftliche, sondern eine politische Dimension haben."

    Der tschechische Journalist Tomas Sacher kennt die Situation seiner Kollegen bei "Mlada Fronta" oder "Lidové Noviny". Er arbeitet für "Respekt", eine Zeitschrift, die einem anderen tschechischen Geschäftsmann gehört.

    "Die Situation der tschechischen Medien wird von der Stärke der tschechischen Journalisten abhängen – davon, wie sich sie ihre Unabhängigkeit verteidigen werden."

    Nur Andrej Babis weiß, ob er seine Medienmacht ausbauen wird und wie stark er sich in die Arbeit der Redaktionen einmischen will. Sacher sagt, dass der Kauf der MAFRA-Mediengruppe in der Tschechischen Republik soviel Wirbel verursacht habe, sei jedenfalls ein gutes Zeichen.