"Wir haben jetzt die Woche sehr viel Zeit damit verbracht, erst einmal zu testen, ob alles noch funktioniert. Kassensystem, Technik, Licht, Strom… alles. Funktioniert alles noch super. Das heißt, wir sind vorbereitet." Steffen Kache ist der Betreiber der Distillery in Leipzig, ein weit über die Stadt hinaus bekannter Techno-Club.
Distillery öffnet das erste Mal seit März 2020
Er hat sich auf einen Barhocker an den Tresen gesetzt. Noch ist hier nicht viel los, zwei Techniker legen gerade Kabel und bauen einige Lampen auf. Am Samstag aber wird der Dancefloor zum Leben erwachen, dann wird die Distillery das erste Mal seit März 2020 wieder die Tore für Besucherinnen und Besucher öffnen.
"Wir freuen uns alle wahnsinnig. Und das spannende wird sein, nachts wach zu sein. Wir sind es jetzt gewohnt, nachts am Wochenende zu schlafen, Sonntag früh aufzustehen, zu frühstücken. Das wird auf jeden Fall die nächsten Wochenenden anders sein. Und das wird toll!"
Die Distillery ist der erste Club in Deutschland, der wieder öffnet – im Rahmen eines Modellprojektes. Der Raum hier und der Garten draußen werden dann ein Safe Space in einer neuen Bedeutung sein – ein Corona-sicherer Raum. Es muss absolut sicher sein, dass hier niemand ansteckend ist.
"Weil wir ja in den Clubs diese anderen AHA Regeln, also Abstand und Maske tragen, das funktioniert nicht, das haben wir auch sehr, sehr deutlich kommuniziert. Da müssen wir uns auch nichts vormachen. Ab irgendeinem bestimmten Zeitpunkt, wenn die Leute tanzen, wenn die Leute was getrunken haben, hält sich niemand mehr an diese Regeln. Und wir hoffen, dass wir letztendlich mit diesen Maßnahmen beweisen können, dass wir diese sicheren Räume schaffen, dass hier nichts passieren kann."
Die Öffnung ist Teil einer Studie der Initiative "Das ist Leipzig", einem Bündnis von Kulturschaffenden und Kreativen in der Stadt. Sie soll zeigen, dass Kulturveranstaltungen ohne erhöhtes Infektionsrisiko möglich sind. Kern des Ganzen ist, dass alle, die hier tanzen und feiern, PCR-getestet sind. Nur PCR-Tests bieten die nötige Sicherheit. Am Samstagvormittag muss jeder und jede zur Distillery kommen und erst einmal einen Schnelltest machen. Ist dieser negativ, dann folgt ein neuartiger PCR-Gurgeltest.
"So lange wie möglich auf der Party bleiben"
Zwei Dinge sind dabei besonders: Das Ergebnis liegt schon nach etwa vier Stunden vor, kurz bevor die Distillery öffnet. Und die Proben sind gepoolt: Immer zehn auf einmal werden ausgewertet. Das drückt die Kosten auf etwa fünf Euro pro Person, die im Ticketpreis von 15 Euro schon enthalten sind, sagt Anne Petzold vom Bündnis "Wir sind Leipzig", die neben Kache auf einem Barhocker sitzt. Das Konzept haben sie gemeinsam mit dem Klinikum St. Georg und dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie entwickelt.
"Wir haben auch darauf hingewiesen, aktiv, dass die Menschen und Teilnehmenden ja Teilnehmende einer Studie sind und das Studiendesign sagt halt: Die müssen so lange wie möglich im Club sein. Am besten bis zum nächsten Tag früh um neun, damit wir die komplette Zeit ausschöpfen, die wir durch den PCR-Test gesichert haben, diese free Time. Und das ist schon witzig auch, wenn man da so eine Studienbeschreibung macht und das an die Menschen herausschickt, die Tickets buchen dürfen und dann schreibt man halt rein: Bitte so lange wie möglich auf der Party bleiben. Ich glaube, das ist schon ein ganz cooles Studiendesign, mit dem viele auch was anfangen können."
Eine Woche nach dem Clubabend sollen alle noch einmal einen Test machen, um zu sehen, ob es ein erhöhtes Ansteckungsrisiko durch den Besuch der Distillery gab. Zudem wird die Veranstaltung mit Fragebögen ausgewertet – ob alles gut geklappt hat und ob die Maßnahmen gut zu bewältigen waren. Auch das Kulturamt der Stadt und andere Einrichtungen wie der Thomanerchor und das Schauspiel Leipzig sind bei der Studie dabei.
Ziel: Club-Betrieb aufrecht erhalten
"Wir haben auch von Anfang an auch schon mitgedacht, dass genau diese Methode ja auch dazu führt generell das öffentliche Leben wieder ein Stück weit zu öffnen oder möglich zu machen. Ne, Samstagvormittag gehen Menschen zum PCR Test, und haben dann die Sicherheit: Ich bin 24 Stunden nicht ansteckend."
Für Anne Petzold und Steffen Kache geht es mit diesem Projekt um mehr als nur zwei schöne Abende. Kache will ein Konzept entwickeln, wie man Clubs unabhängig vom Pandemiegeschehen offenhalten kann.
"Wir brauchen jetzt einfach diese Werkzeuge, dass wir trotz einer gewissen Inzidenz und trotz auch der Möglichkeit, dass auch die Impfungen vielleicht auch nicht mehr so wirken, wie sie wirken sollen, trotzdem, wenn die Clubs wieder offen sind, den Betrieb auch aufrechterhalten können. Weil, es wäre nichts schlimmer, wenn wir jetzt über den Sommer Öffnungsmaßnahmen bekommen, die Clubs können aufmachen und im Herbst wird wieder alles geschlossen. Das wäre viel schlimmer, als wenn die Clubs jetzt zu wären."
Geht jetzt alles gut, dann wäre man gewappnet für eine mögliche vierte Welle im Herbst oder für neue Virus-Mutanten, gegen die die Impfung vielleicht nicht hilft.
"Letztes Jahr im Sommer wurde sehr, sehr viel verschlafen. Und klar wird jetzt gefragt: Warum macht ihr das? Die Zahlen gehen doch runter. Aber genau deswegen müssen wir es jetzt machen, damit wir im Herbst, wenn es wieder knallt, dass wir dann vorbereitet sind."