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Modemacher Michael Michalsky
"Style ist eine Haltung"

In seinem Buch "Lass uns über Style reden" beschreibt Michael Michalsky, wie er in diversen Lebensbereichen – Einrichtung, Essen, Mode, Sex – auf Stil achtet und warum das Leben dadurch besser werde. "Style sollte man nur für sich selbst haben, nie für Andere", sagte der Designer im Deutschlandfunk.

Michael Michalsky im Corsogespräch mit Bernd Lechler |
    Michael Michalsky bei der Vorstellung der neuen Kollektion "esmara by Heidi Klum" am 10.11.2017 in der Villa Rietz in Rietz-Neuendorf
    Style ist für Michael Michalsky mehr als nur Mode (dpa-Zentralbild / Jens Kalaene)
    Was ist Stil - oder Style? Wer hat Stil, wer nicht? Und: Kann man das lernen? Durchaus, sagt Michael Michalsky, erfolgreicher Modeunternehmer in Berlin, der aber genauso schon Sofas oder Elektrogeräte oder auch mal eine Waschmittelpackung designt hat. Früher: Designmanager bei Levi's, viele Jahre Global Creative Director von Adidas, seit 2016 auch Juror bei "Germany's Next Topmodel". Dieser Mann also, der sich seit dreißig Jahren hauptberuflich mit Stil befasst, hat darüber ein Buch geschrieben, das heute erscheint. Der Titel: "Lass uns über Style reden".
    "Man sollte Style immer nur für sich selbst haben"
    Bernd Lechler: Das machen wir doch glatt. Willkommen zum Corsogespräch, Michael Michalsky.
    Michael Michalsky: Hallo.
    Lechler: Leben wir denn in zunehmend stillosen Zeiten, wenn es Ihr Buch braucht?
    Michalsky: Ich glaube, dass wir definitiv in einer Zeit leben, wo viele Menschen sich Orientierungspunkte wünschen. Denn es gibt heute so viele Einflüsse, die permanent auf uns einprallen, dass viele Leute, glaube ich, so eine Art Kompass vielleicht brauchen, um für sich persönlich zu entdecken, was Stil ist. Denn dieses Buch ist definitiv kein Ratgeber – dann würde ich mir ja anmaßen, allen anderen Leuten vorzuschreiben, wie ihr Style zu sein hat –, denn ich finde, dass man Style immer nur für sich selbst haben sollte und nie für Andere. Und ich finde eben auch, dass Style eine Haltung, eine Einstellung ist. Da geht es darum, authentisch, tolerant und neugierig zu leben.
    Lechler: Machen Sie eine Unterscheidung zwischen Style und Stil?
    Michalsky: Nein, das ist das gleiche Wort. Aber ich glaube, viele Leute verwechseln Style einfach nur mit dem Modeaspekt. Für mich ist ja Style viel mehr, als wie wir uns anziehen. Natürlich kann man durch Mode seine Individualität ausdrücken, aber für mich gehört zum Stylisch-Sein eben mehr dazu, als sich zum Beispiel modisch anzuziehen.
    Lechler: Was denn noch?
    Michalsky: Na ja, da gehört ganz klar dazu, wie man zum Beispiel kommuniziert, dann gehört da natürlich dazu, wie offen man ist für kulturelle Einflüsse, wie man lebt, wie man reist – und dann gehört da natürlich auch dazu, was man für eine Persönlichkeit hat. Stil ist immer selbstbestimmt, selbstreflektiert und da geht es immer darum, auch authentisch zu sein. Und wenn man das alles paart zusammen mit Fashion, dann kriegt man eigentlich einen ganz guten Überblick, wie "mein" Stilempfinden ist.
    "Mein ganzes Leben war eine Reise"
    Lechler: Da Sie die Kommunikation gerade ansprechen – gibt es denn stilvolle Sprachnachrichten oder WhatsApps? Und darf man in E-Mails alles großschreiben, so wie Sie das offenbar tun?
    Michalsky: Also, natürlich gibt es da bestimmte Sachen, wie man mit dem Gegenüber umgeht. Aber ich glaube, dass das auch immer davon abhängig ist, wer eben sein Rezipient ist, wer sein Gegenüber ist. Also, bei mir zum Beispiel wissen inzwischen alle, dass ich immer großschreibe, weil ich es einfach ästhetischer finde. Und da fühlt sich auch keiner angeschrien. Ich weiß aber, dass, wenn ich Kontakt aufnehme mit Leuten, die mich vielleicht noch nicht so kennen, die das eben nicht wissen, dass ich das deshalb tue. Und bei WhatsApp-Nachrichten ist das ja auch so, dass man die ja eher benutzt, um mit jemandem zu kommunizieren, den man schon persönlich ganz gut kennt.
    Lechler: Sie schreiben: "Durch unseren Style erschaffen wir uns selbst. Wie wir uns nach außen darstellen, zeigt immer auch unser Innerstes." Das muss man natürlich auch umsetzen können, und man muss sich damit beschäftigen. Kann auch jemand Stil haben - oder Style -, der sich nicht groß dafür interessiert?
    Michalsky: Ja, das glaube ich schon. Also, bei mir ist es ja auch so, dass ich dieses Buch ja jetzt geschrieben habe mit 51 - und nicht mit 21. Mein ganzes Leben bisher war eine Reise, und ich berichte da ja von den Erfahrungen, die ich gemacht habe und meinen persönlichen Beobachtungen. Und ich denke, dass es viele andere Leute gibt, die vielleicht dann auch anfangen, darüber nachzudenken. Weil meine These ist ja: Wenn wir alle ein bisschen mehr stylisch wären, dann würden wir auch in einer besseren Welt leben – weil das macht das Leben ja grundsätzlich schöner, leichter und angenehmer für einen selber, aber auch für die Leute, die einen umgeben oder mit denen man zu tun hat.
    "Karl Lagerfeld ist für mich eine Stil-Ikone"
    Lechler: Von wem haben Sie denn Style vor allem gelernt? Man guckt ja schon auch nach Menschen - sonst würden ja Leute, von Audrey Hepburn bis David Bowie, nicht zu Stil-Ikonen und zu Vorbildern werden. Karl Lagerfeld war, glaube ich, wichtig bei Ihnen.
    Michalsky: Ja, Karl Lagerfeld ist für mich eine sehr, sehr große Stil-Ikone und er hat mich sehr beeinflusst. Wegen Karl Lagerfeld bin ich eigentlich Designer geworden – ich bin ja aufgewachsen auf dem Land und in einer Zeit, wo man noch nicht so viel Zugang zu Informationen hatte, wie man das vielleicht heute hat, eben durch das Internet. Für mich waren zum Beispiel Printmedien noch ganz wichtig. Und bei uns kam immer jeden Donnerstag der "Stern", den meine Eltern abonniert hatten. Und den habe ich immer fleißig durchgearbeitet. Und da bin ich eines Tages eben auf eine Story über Karl Lagerfeld gestoßen und das hat mich so inspiriert, was dieser Mann da gemacht hat - das war eine Reportage über seine Arbeit bei Chloé damals noch. Ich war schon immer modisch interessiert, aber ich wusste nicht, in was für eine Art Beruf das münden konnte. Und das hat mich natürlich beeinflusst.
    Lechler: Wissen Sie noch, was Sie an dem so beeindruckt hat?
    Michalsky: An ihm hat mich beeindruckt erst mal natürlich sein kreatives Talent, das ist ganz klar. Dann, dass er eben sehr, sehr authentisch ist, dass er neugierig ist – das ist er ja auch heute noch. Er ist ja über 80 und liefert immer noch fantastische Kollektionen ab. Er arbeitet ja praktisch über 50 Jahre schon als Designer. Und das kann man eben nur machen, wenn man auch neugierig ist und offen ist.
    "Statussymbole sind nur Hilfsmittel für unsichere Leute"
    Lechler: Zu den Sachen, in denen sich Style außerhalb der Mode ausdrückt und über die Sie schreiben in Ihrem Buch, gehört auch, wie man wohnt. Dazu schreiben Sie gleich im Vorwort: "Ein Möbelstück, das mir heute noch gefällt, langweilt mich womöglich schon morgen. Stelle ich das fest, tausche ich es aus oder ziehe gleich um." Ich schlussfolgere: Style ist was für Alleinlebende mit extrem viel Geld.
    Michalsky: Nein, das glaube ich nicht. Also, Style hat nicht unbedingt was mit Geld zu tun. Zum Beispiel ist für mich ja auch Style, was man isst und was man genießt. Und für mich zum Beispiel ist es genauso stylisch, ein frisch gebackenes tolles Brot mit frischer Butter und Schnittlauch zu essen – das muss nicht immer ein Fünf-Gänge-Menü sein. Und Möbel müssen ja nicht unbedingt teuer sein: Man kann ja auch durch Weglassen oder gezielte Auswahl sein Umfeld neu machen. Aber für mich ist das natürlich sehr, sehr wichtig, wie ich lebe. Weil ich finde: Die Wohnung ist der Spiegel der Person, die dort wohnt. Und für mich hört eben Style nicht nur bei Kleidung auf. Und Statussymbole sind für mich zum Beispiel auch nur Hilfsmittel für unsichere Leute.
    Lechler: Die Ikonen sind meistens Promis - oder sie kommen aus dem künstlerischen oder aus dem Modebereich. Unter Steuerberatern oder Klempnern guckt man nicht so nach Stilvorbildern, zurecht?
    Michalsky: Nein. Wenn man seine Sache mit Leidenschaft betreibt, ist es vollkommen egal, was man macht. Hauptsache, man macht es mit Leidenschaft.
    Lechler: "Lass uns über Style reden", das Buch von Michael Michalsky erscheint heute. Danke für das Corsogespräch, Herr Michalsky.
    Michalsky: Gerne.
    Michael Michalsky: "Lass uns über Style reden"
    Edel Books 2018, 240 Seiten, 18 Euro
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.