Der Moderne Fünfkampf ist der Nachfolger des Antiken Fünfkampfes, der Teil der ersten Olympischen Spiele in Griechenland war. Laufen, Springen, Speerwerfen, Diskuswerfen und Ringen waren damals die Disziplinen.
Heute besteht der Moderne Fünfkampf aus vier Disziplinen, die fünf Sportarten kombinieren: Fechten, Schwimmen, Laufen und Laserschießen sowie Reiten. Doch das wird sich bald ändern, denn nach einem Vorfall bei den Olympischen Spielen in Tokio steht das Reiten vor dem Aus und wird durch eine andere Disziplin ersetzt werden.
Was ist in Tokio passiert?
Die deutsche Fünfkämpferin Annika Schleu war auf Medaillenkurs, sogar auf Goldkurs, als ihr im Springreiten das Pferd Saint Boy zugelost wurde, das die Hindernisse schon vorher bei der Russin Gulnaz Gubaydullina dreimal verweigert hatte. Bei vier Verweigerungen wird ein Pferd aus dem Wettkampf genommen. Diese vierte Verweigerung kam bei der Russin vorher aber nicht mehr zustande.
Bei Schleu verweigerte das Pferd Saint Boy dann wieder mehrfach das Überqueren der Hindernisse, woraufhin die Athletin wie ihre Trainerin Kim Raisner mit heftigen Schlägen auf das Pferd und der Gerte reagierten. Schleu war völlig aufgelöst, wusste sich nicht mehr zu helfen und blieb in dieser Disziplin schlussendlich ohne Punkte. Für sie blieb am Ende nur der 31. Platz.
Für die Athleten und Athletinnen stehen beim Modernen Fünfkampf 18 Pferde zur Verfügung, die nicht ihre eigenen sind. Wer welches Pferd im Wettkampf reitet, wird gelost. Die Athletinnen und Athleten haben 20 Minuten vor dem Wettkampf Zeit, das Pferd kennen zu lernen und fünf Probesprünge zu machen.
Wie ging es nach den Spielen in Tokio weiter?
Die Berichterstattung in den Medien, aber auch die Reaktionen in den Sozialen Netzwerken waren enorm: Es gab sowohl Kritik an den Regeln des Modernen Fünfkampfs im Springreiten, als auch gegen Athletin Annika Schleu und ihre Trainerin Kim Raisner. Michael Scharf, Präsident im Deutschen Verband für Modernen Fünfkampf (DVMF), forderte Änderungen am Reglement, sodass Pferde noch vor vier Verweigerungen disqualifiziert werden können, und dass anerkannt werden muss, wenn sie nicht willig sind zu springen.
Trainerin Raisner wurde direkt noch während der Spiele durch den Weltverband von den Wettkämpfen ausgeschlossen. Die Angriffe und Beschimpfungen gegen Schleu auf der Plattform Instagram waren so heftig, dass sie ihren Account löschte.
Hauptvorwurf: Tierquälerei. Auch der Deutsche Tierschutzbund erstattete Anzeige und es wurden Ermittlungen wegen Tierquälerei sowohl gegen Schleu als auch gegen Raisner angestoßen. Die Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Potsdam wurden im Januar 2022 eingestellt. Juristisch betrachtet gelten Schleu und Raisner laut ihrer Anwälte als unschuldig, jedoch haben beide geringe Beträge an eine gemeinnützige Einrichtung gezahlt.
Der Weltverband des Modernen Fünfkampfs UIPM kündigte schon kurz nach den Spielen an, den Modernen Fünfkampf in Zukunft ohne Reiten stattfinden zu lassen. Auch darauf wurde von vielen mit Kritik reagiert, vor allem von Seite der Athleten und Athletinnen, die forderten, doch eher die Regeln anzupassen und Pferd wie Reiter besser zu schützen, anstatt die ganze Sportart zu verändern. In einem Brief von 650 internationalen Athleten und Athletinnen aus dem Modernen Fünfkampf wurde zudem der Rücktritt der Führungspersonen im Weltverband gefordert.
Welche Rolle spielt das Springreiten im Modernen Fünfkampf?
Weltverbandspräsident Klaus Schormann wurde immer wieder vorgeworfen, das Springreiten schon länger aus dem Programm streichen zu wollen. Schormann habe das Reiten vernachlässigt, indem er keine Regelungen eingeführt habe, um die Bedingungen für Reiter und Pferd zu verbessern. Es wurde gefordert, sich mehr am Weltreitverband zu orientieren, die Pferde besser zu umsorgen und zu kühlen. Auch sollten Tiere direkt aus dem Wettkampf genommen werden, wenn sie nicht bereit sind oder stürzen. Auch wurden Pferde im Modernen Fünfkampf bei einem Sturz im Wettkampf nicht untersucht.
Auch sind in der mittlerweile mehr als 30 Jahre andauernden Präsidentschaft von Klaus Schormann viele Nationen als Mitglieder dem Weltverband beigetreten, in denen Reitsport kaum ausgeübt werden kann. Auch das lässt vermuten, dass Schormann schon länger das Ziel hatte, das Springreiten zu ersetzen.
Kritisiert wurde auch, dass das Springreiten unter den fünf Disziplinen die ist, die am wenigsten gewertet wird und somit weniger wichtig für eine Platzierung ist. Seit den 1990er Jahren wird bei internationalen Großevents zum Teil auch erst im Finale das Springreiten dazugenommen. Das verändert auch die Herangehensweise der Athleten und Athletinnen an das Springreiten beim Training.
Was soll das Springreiten ersetzen?
Um eine Ersatz-Disziplin für das Springreiten zu finden, wurden 2022 die Nationen und Athletinnen und Athleten um Vorschläge gebeten. Insgesamt sind 60 Vorschläge zusammengekommen. Der Weltverband selbst schlug einen "obstacle run" vor, ein Hindernislauf, den man auch aus militärischen Läufen kennt. Hauptargument des Verbands gegen das Springreiten war, dass es teuer und elitär sei und man damit viele Nationen und Sportler von der Ausübung der Sportart Moderner Fünfkampf ausschließe. Mit einem Hindernislauf könne man den Modernen Fünfkampf niederschwelliger und inkludierender machen.
Im Juni 2022 wurde diese neue fünfte Disziplin zum ersten Mal getestet. In Ankara wurde ein offenes Training angeboten, das von Athleten und Athletinnen aus dem Extremhindernislauf begleitet und angeleitet wurde. Die Athleten aus dem Extremhindernislauf gaben Hinweise und zeigten Techniken, um die neun Hindernisse auf der 65 Meter langen Strecke überwinden zu können.
Die verschiedenen Hindernisse verlangen unterschiedliche Techniken: balancieren, hangeln, springen, unter- und überqueren. Das Durchlaufen des Parcours soll so schnell wie möglich erfolgen, die gemessene Zeit wird in Punkte umgerechnet.
Beim UIPM Kongress am 12. November 2022 wurde dann die „Obstacle Discipline“ anstelle des Reitens als neue fünfte Disziplin im Modernen Fünfkampf von den Mitgliedsverbänden beschlossen. In Paris sollte das Springreiten aber noch stattfinden, die neue Disziplin feiert demnach erst bei den Olympischen Sommerspielen 2028 in Los Angeles ihre Premiere. Die Entscheidung war bis zur Abstimmung umstritten: 69 der 83 Delegierten stimmten für die Abschaffung des Springreitens.
Welchen Stand hat Moderner Fünfkampf beim IOC?
Das Internationale Olympische Komittee IOC hatte selbst nicht gefordert, dass ein Hindernislauf das Springreiten ersetzen muss. Vom IOC kam lediglich die Aufforderung, dass sich nach dem Skandal in Tokio etwas ändern muss, sonst könne der Moderne Fünfkampf seine Zulassung als Olympische Sportart verlieren. Ohne diese Änderung vom Springreiten zum Hindernislauf wäre die Sportart aus dem Olympischen Programm geflogen, betonte IOC-Präsident Thomas Bach bei der 141. Generalversammlung des IOC im Herbst 2023, als auch von IOC-Seite offiziell beschlossen wurde, dass ab den Spielen in Los Angeles das Springreiten durch den Hindernislauf ersetzt wird.
Am Modernen Fünfkampf wurden in den letzten Jahren schon häufig Veränderungen vorgenommen - auf Wunsch des IOCs: Die Disziplinen Schießen und Laufen sind beispielsweise zum Laser Run kombiniert worden. Auch die Wettkampfzeiten wurden immer wieder verkürzt. Denn seit den 2000er-Jahren kritisierte das IOC, dass der Moderne Fünfkampf zu kompliziert, zu schwer zu verstehen und zu spezifisch sei. Er müsse universeller werden, mehr Länder miteinbeziehen können und nicht so viele Tage im Wettkampfprogramm belegen.
Der Ersatz des Springreitens durch den Hindernislauf kommt diesen Forderungen nach. Der Weltverband des Modernen Fünfkampfs hat auch wenig andere Optionen, denn er bekommt fast seine gesamten Einnahmen durch die Teilnahme der Sportart an den Olympischen Spielen. Von diesen 12,5 Millionen Dollar lebe der Verband, erklärt Journalist Jörg Winterfeldt im Deutschlandfunk-Interview.
Wie läuft der Moderne Fünfkampf bei den Spielen in Paris 2024?
Bei der 141. Generalversammlung des IOC im Oktober 2023 wurde auch beschlossen, dass das Springreiten bei den Spielen in Paris noch zum Programm dazugehört, allerdings mit einem veränderten Wettbewerbsformat. Ursprünglich dauerte der Wettkampf bis zu sechs Tage, die Abfolge der Wettkämpfe dauerte mehrere Stunden.
In Paris wird der Moderne Fünfkampf an drei Tagen stattfinden. Der erste Tag dient dazu, das Teilnehmerfeld von 36 auf 18 Athletinnen und Athleten zu reduzieren. Im Halbfinale und Finale werden dann alle fünf Disziplinen an einem Ort innerhalb von 90 Minuten absolviert.
Bei jeder Veranstaltung sammeln die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entsprechend ihrer Leistung Punkte und starten entsprechend ihrer Gesamtpunktzahl mit einem Handicap in die letzte Disziplin, dem Laserlauf. Ein Punkt ist dabei umgerechnet eine Sekunde. Der führende Athlet, beziehungsweise die führende Athletin startet zum Zeitpunkt "0" in den Laserlauf. Die nächsten Teilnehmer starten zum Zeitpunkt "0" plus die Anzahl der Sekunden Differenz. Wer zuerst die Ziellinie beim Laserlauf überquert, gewinnt die Goldmedaille.
Quellen: Sportschau, Deutschlandfunk