Sportlerinnen und Sportler, die Wände erklimmen müssen, Wassergräben überspringen oder sich an Gerüsten entlanghangeln müssen - so oder so ähnlich könnte die Zukunft des Modernen Fünfkampfs aussehen. Denn eine Art Hindernislauf soll das Reiten ersetzen.
Eine Disziplin, die gut zum Modernen Fünfkampf passen würde, findet der Weltverband. Erfinder Pierre de Coubertin hatte vor mehr als 100 Jahren mehrere Disziplinen aus dem Militär vereint - und der Hindernislauf hat seine Wurzeln in der militärischen Ausbildung. Auch die deutsche Bundestrainerin Kim Raisner kann verstehen, warum eine Hindernisdisziplin favorisiert wird:
Ein Hauch von "Ninja-Warrior"
"Auch wir werden darum kämpfen, im olympischen Programm zu bleiben und dieser 'obstacle run' oder diese Variation - es gibt ja doch ganz verschiedene von Ninja-Warrior bis zu militärischen Läufen. Wir kommen ja eigentlich aus dem Militär und deswegen ist er auch Coubertin-kompatibel, sozusagen. Klar, dass man da in Richtung Popularität auch über den großen Teich schaut, denn solche Sachen haben schon eine Beliebtheit, sie sind spektakulär. Und ich glaube, dass es dann der Ansatz ist: Man sagt, damit könnten wir auch Leute anziehen."
Mehr Publikum, aber auch mehr Fünfkämpfer*innen. Denn das Springreiten sei kostspielig und elitär. Das ist auch das Hauptargument des Weltverbands UIPM: Reiten schließe viele Nationen und Sportler*innen aus. Im Sinne des Olympischen Gedankens soll mit der neuen Disziplin der Modernen Fünfkampf niederschwelliger werden. Dafür müsse man aber nicht das Reiten abschaffen, sagt die ehemalige britische Fünfkämpferin Kate Allenby, die sich mit der Interessengruppe Pentathlon United für den Erhalt des Reitens einsetzt.
"Es geht nicht um das Reiten. Es ist die UIPM, die beschlossen hat, dass das Reiten das Problem ist, dass es nicht zu dem passt, was das IOC von einer olympischen Sportart verlangt: Universalität, Ticketverkäufe, Präsenz in den sozialen Medien. Das sind alles Versäumnisse eines internationalen Verbandes. Es ist kein Problem des Produkts."
Moderner Fünfkampf - der Versuch, mit der Zeit zu gehen
Das Produkt “Moderner Fünfkampf” ist in den letzten Jahren oft geändert worden: Schießen und Laufen wurde zum Laser Run kombiniert, die Wettkampfzeiten wurden immer wieder verkürzt. Das gehe anderen Sportarten aber auch so, stellt Raisner fest:
"Es wird halt alles schnelllebiger. Es wird vieles gekürzt. Das sieht man ja auch im Gehen, die lange Distanz fällt weg. Beim Schwimmen haben die Langdistanzen auch immer Probleme, wird auch immer alles ein bisschen mehr verkürzt. Und unser Format von fünf Tagen über drei zu einem Tag. Veränderung steckt immer drin. Es geht nur immer schneller. Und irgendwann, denke ich, muss man halt auch überlegen: Ja, ist es dann noch die Sportart? Es muss auch noch alles machbar sein."
Unsicherheit in der Praxis
Wie machbar die angestoßene Veränderung für den Modernen Fünfkampf ist, wird sich im Sommer zeigen: Nach dem Weltcupfinale in Ankara soll eine Testphase starten. In Testwettkämpfen in Europa, Asien und Amerika sollen zwei Varianten der Hindernisdisziplin erprobt werden. Genauere Informationen gebe es noch nicht, auch nicht für die nationalen Verbände. Dadurch hinge man ganz schön in der Luft, so Trainerin Raisner:
"Wir wissen, dass es ein 'obstacle run' werden soll. Wir wissen im Detail noch nicht, wie es aussehen soll. Das heißt, wir können auch noch nicht anfangen, mit irgendjemandem zu trainieren. Wir können uns jetzt, da wir wissen, okay, Reiten ist raus, das soll es werden, da können wir uns schon mal ansatzweise Gedanken machen, wie wollen wir denn vorgehen."
Kritik am Weltverband UIPM
Insgesamt hatte es von Nationen und Sportler*innen 60 Vorschläge für neue Disziplinen gegeben, um das Springreiten zu ersetzen. Der Weltverband hatte den Prozess nach den Spielen in Tokio angestoßen. Allenby zweifelt aber daran, ob das überhaupt nötig gewesen wäre.
"Die Informationen, die uns vom IOC vorliegen, besagen, dass das IOC die UIPM nie aufgefordert hat, das Reiten abzuschaffen. Das ist der erste Punkt. Der zweite ist, dass das IOC uns auch gesagt hat, dass es nicht einverstanden wäre, wenn eine neue Sportart ihrer Ansicht nach durch eine Hintertür in das olympische Programm aufgenommen wird. Das IOC hat sehr strenge Kriterien und Wege für die Aufnahme neuer Sportarten in das olympische Programm. Und dies wäre eine Aufnahme durch die Hintertür. So etwas hat es noch nie gegeben."
Allenby und Pentathlon United haben deswegen einen Brief an das IOC verfasst und fordern, dass nicht nur der Entscheidungsvorgang zur neuen fünften Disziplin untersucht wird. Sondern auch der gesamte Weltverband des Modernen Fünfkampfs. Es sei in den letzten Jahren viel Missmanagement betrieben worden, so Allenby:
"Wenn die UIPM diesen Fall gewinnt, wird ein Präzedenzfall geschaffen, der es ermöglicht, erneut höhere Gewalt anzuwenden, um eine der anderen Disziplinen zu streichen. Das naheliegendste Beispiel ist das Fechten, weil sie außerhalb des kontinuierlichen Formats liegt, das die UIPM zu fördern versucht. Wenn man also eine andere Sportart einbaut, dann ist es nicht mehr Moderner Fünfkampf."
Moderner Fünfkampf und die Sicht der Gesellschaft
Für Allenby geht es also nicht nur ums Reiten, sondern um die generelle Frage, wie der Moderne Fünfkampf in Zukunft aussehen könnte. Für das Überleben sei aber auch das Ansehen in der Gesellschaft wichtig, meint Raisner. Und erinnert daran, dass das Reiten schon vor Tokio 2021 kritisiert wurde.
"Die Gesellschaft verändert sich, die Ansprüche werden anders. Die Leute wollen vielleicht auch was anderes sehen. Und tja: Wenn Reiten nicht mehr so zeitgemäß ist oder man sagt: Nein, das wollen wir nicht mehr diese Bilder. Dann muss man es vielleicht auch akzeptieren."