"Wieder die Zügel nachfassen, so und beim nächsten Mal führst du den mal weiter auf den nächsten Sprung, gelb-rot, mit der Planke. Und versuche ruhig, Annika, beim ersten Mal rhythmisch aber so viele Galoppsprünge wie möglich da einzubauen."
Fünfkämpferin Annika Schleu und der braune Wallach Candio galoppieren auf einem großen Sandplatz am Berliner Olympiastadion auf ein Hindernis zu, kritisch beobachtet von Reittrainer Gerd Schröter. Für die 31jährige Schleu eine der letzten Reitstunden vor dem Abflug nach Tokio. Dort wird sie einen Springparcours absolvieren, auf einem Pferd, dass ihr zugelost wurde und das sie niemals zuvor geritten ist. Eine große Herausforderung.
Fünfkämpferin Annika Schleu und der braune Wallach Candio galoppieren auf einem großen Sandplatz am Berliner Olympiastadion auf ein Hindernis zu, kritisch beobachtet von Reittrainer Gerd Schröter. Für die 31jährige Schleu eine der letzten Reitstunden vor dem Abflug nach Tokio. Dort wird sie einen Springparcours absolvieren, auf einem Pferd, dass ihr zugelost wurde und das sie niemals zuvor geritten ist. Eine große Herausforderung.
Reiten ist komplex und schwierig zu lernen
Wirklich gut Reiten zu lernen dauert viele Jahre. Die Sportart ist komplex, zeitaufwändig und teuer. Besonders gut ausgebildete Reiter haben die Engländer, weil dort der Fünfkampfnachwuchs vielfach bei den Reitern rekrutiert wird - in Deutschland eher bei den Schwimmern. Hier fängt der Nachwuchs erst mit zwölf, 13 Jahren mit dem Reittraining an, einmal pro Woche. Kaderathleten reiten dann zweimal pro Woche auf verbandseigenen Schulpferden, die vom Berliner Senat unterhalten werden.
Bei manchen anderen Nationen wird noch deutlich weniger geritten. Immer wieder gibt es deshalb unschöne Bilder, wenn Fünfkämpfer sich an den Zügeln festhalten, dem Pferd nach dem Sprung in den Rücken fallen, alleine oder mitsamt Pferd im Hindernis landen und stürzen. Die Anforderungen seien für die Fünfkämpfer vielfach zu hoch, kritisiert Trainer Gerd Schröter.
"Die müssen, wenn sie Championate haben oder jetzt in Tokio reiten, dann müssen sie einen gleichen Parcours von den Abmessungen, vom Schwierigkeitsgrad wie die Vielseitigkeitsreiter – und da ist doch ein Hacker im System. Das sind nun mal Mehrkämpfer und das muss man verstehen.
Deshalb wird es auch immer schwieriger, Springpferde zu finden, die auch mit schwächeren Reitern ohne größere Probleme einen Parcours mit 1,20 Meter hohen Hindernissen absolvieren können", sagt die Fünfkampf-Bundestrainerin Kim Raisner.
"Also Olympia ist meistens nicht das Problem, Pferde zu bekommen, weil da ist eben auch genug Geld da. Also bei Olympia sind es ganz tolle Pferde, die hatten wir schon im Testwettkampf. Es gab auch schon Wettkämpfe, wo es eben nicht gut war. Pferde zu bekommen kostet halt, gute Pferde kostet."
Deshalb wird es auch immer schwieriger, Springpferde zu finden, die auch mit schwächeren Reitern ohne größere Probleme einen Parcours mit 1,20 Meter hohen Hindernissen absolvieren können", sagt die Fünfkampf-Bundestrainerin Kim Raisner.
"Also Olympia ist meistens nicht das Problem, Pferde zu bekommen, weil da ist eben auch genug Geld da. Also bei Olympia sind es ganz tolle Pferde, die hatten wir schon im Testwettkampf. Es gab auch schon Wettkämpfe, wo es eben nicht gut war. Pferde zu bekommen kostet halt, gute Pferde kostet."
Klapperdürre Pferde
Mitunter sind deshalb die Pferde körperlich den Anforderungen nicht gewachsen oder nicht gut genug ausgebildet. Auch in Deutschland will kaum ein privater Pferdebesitzer sein Pferd, das zwischen 10.000 und 100.000 Euro wert ist, für einen Wettkampf der Fünfkämpfer leihweise zur Verfügung stellen. Für Veranstaltungen werden deshalb regelmäßig Pferde aus Polen gemietet und dann nach Deutschland transportiert - zuletzt zu den Finals, den Internationalen Deutschen Meisterschaften im Modernen Fünfkampf Anfang Juni in Berlin.
Zumindest ein Teil der Pferde war klapperdürr, wie das Foto eines Teilnehmers zeigt. Ein Pferd wurde aufgrund eines Tumors inzwischen in einer Brandenburger Pferdeklinik eingeschläfert. Darüber hinaus fehlten den polnischen Pferden wichtige Gesundheitsdokumente, weswegen sie vom zuständigen Veterinäramt erstmal sichergestellt wurden. Im Wettkampf wurden sie dann aber eingesetzt, weil sie dazu die Anlage am Berliner Olympiastadion nicht verlassen mussten, so das Amt.
Außerdem seien sie von der Amtsveterinärin als fit eingestuft worden, sagt der Berliner Fünfkampf Landestrainer Robert Trapp: "Also wenn mir das Amt das bestätigt, vorher und nachher, dann kann ich nicht sagen, die waren in schlechtem Zustand. Den Parcours sind sie alle sehr gut gegangen. Also ich bin auch kein Reitfachmann, aber wenn mir das bescheinigt wird, dann sage ich mir, ok, dem glaube ich einfach mal."
Die Pferde-Tierärztin Jana Kirsten aus Leipzig bezweifelt diese Einschätzung. Sie hat Pferde von eben jenem polnischen Anbieter bereits 2018 bei den Weltmeisterschaften der Masters in Sachsen-Anhalt betreut. Sie hält selbst Pferde, trainiert, reitet auf Turnieren und war entsetzt:
"Die Pferde hatten teilweise einen sehr mangelhaften Ernährungszustand, die hatten Verletzungen vom Transport an der Hüfte, an den Beinen, da waren mindestens zwei dabei, wo der Rücken nicht mehr heile war, eins haben wir während der Veranstaltung dann rausgenommen, weil das ließ sich gar nicht mehr aufsitzen vor lauter Schmerzen, mir war kotzübel. Die Pferde wurden zu Leistungen genötigt, denen sie nicht gewachsen sind, das ist tierschutzrelevant. Das reiterliche Können war, ja da fehlen einem die Worte, unbeschreiblich."
"Die Pferde hatten teilweise einen sehr mangelhaften Ernährungszustand, die hatten Verletzungen vom Transport an der Hüfte, an den Beinen, da waren mindestens zwei dabei, wo der Rücken nicht mehr heile war, eins haben wir während der Veranstaltung dann rausgenommen, weil das ließ sich gar nicht mehr aufsitzen vor lauter Schmerzen, mir war kotzübel. Die Pferde wurden zu Leistungen genötigt, denen sie nicht gewachsen sind, das ist tierschutzrelevant. Das reiterliche Können war, ja da fehlen einem die Worte, unbeschreiblich."
Reiten steht als Disziplin auf der Kippe
Dass in der Altersklasse Masters besonders schlecht geritten wird, räumt auch der deutsche Fünfkampf-Verband ein. Schon vor einigen Jahren wurde einmal diskutiert, ob die Disziplin Reiten innerhalb des modernen Fünfkamps noch zeitgemäß ist, ob man sie nicht zum Beispiel durch Mountainbiken ersetzen oder gleich ganz streichen könnte. Auf keinen Fall, meint Bundestrainerin Kim Raisner:
"Unsere Sportart ist tot, wenn sie das ändern. Dann fliegen wir aus dem olympischen Programm, wir kämpfen ja so schon immer drinzubleiben, aber dann heißt es nicht mehr Fünfkampf, dann ist es ein Vierkampf und damit müssen wir uns neu bewerben und dann ist es vorbei, also das ist der Tod."
"Unsere Sportart ist tot, wenn sie das ändern. Dann fliegen wir aus dem olympischen Programm, wir kämpfen ja so schon immer drinzubleiben, aber dann heißt es nicht mehr Fünfkampf, dann ist es ein Vierkampf und damit müssen wir uns neu bewerben und dann ist es vorbei, also das ist der Tod."
Fünfkampf-Vizepräsident Sebastian Dietz sieht das ähnlich. Fünfkämpfer seien Idealisten und viele der Athleten hätten nur über den Fünfkampf die Chance, mit einem Pferd in Berührung zu kommen. Das Wohl der Tiere werde großgeschrieben:
"Ich bin Fünfkämpfer aus Leidenschaft und für mich gehört Reiten zum Fünfkampf dazu. Insofern würde ich nicht an dem Reiten was ändern, sondern wenn dann immer an der Ausbildung ansetzen oder an der Qualität der Pferde, da können wir drüber reden."
Aber das kostet wiederum Organisationsaufwand, Geld und Trainingszeit, die bei insgesamt fünf zu absolvierenden Disziplinen knapp ist. Für die verbandseigenen Schulpferde in Berlin hat das Veterinäramt nach eigenen Angaben in der Vergangenheit bereits auf die Notwendigkeit tiergerechter Haltungsbedingungen hingewiesen. Dazu zählt zum Beispiel auch täglicher freier Auslauf auf den Sandpaddocks.
Und der Stallbetreiber, der sich nach den Finals um die Pferde aus Polen gekümmert hat, regt an: Bevor die Pferde zu Wettkämpfen gebracht werden, sollten sie von Verantwortlichen aus Deutschland bereits im heimischen Stall in Polen genau untersucht werden. Damit wirklich nur gesunde und fitte Pferde antreten.
"Ich bin Fünfkämpfer aus Leidenschaft und für mich gehört Reiten zum Fünfkampf dazu. Insofern würde ich nicht an dem Reiten was ändern, sondern wenn dann immer an der Ausbildung ansetzen oder an der Qualität der Pferde, da können wir drüber reden."
Aber das kostet wiederum Organisationsaufwand, Geld und Trainingszeit, die bei insgesamt fünf zu absolvierenden Disziplinen knapp ist. Für die verbandseigenen Schulpferde in Berlin hat das Veterinäramt nach eigenen Angaben in der Vergangenheit bereits auf die Notwendigkeit tiergerechter Haltungsbedingungen hingewiesen. Dazu zählt zum Beispiel auch täglicher freier Auslauf auf den Sandpaddocks.
Und der Stallbetreiber, der sich nach den Finals um die Pferde aus Polen gekümmert hat, regt an: Bevor die Pferde zu Wettkämpfen gebracht werden, sollten sie von Verantwortlichen aus Deutschland bereits im heimischen Stall in Polen genau untersucht werden. Damit wirklich nur gesunde und fitte Pferde antreten.