Jacek Szwagrzak will eigentlich nicht Politiker, sondern Unternehmer werden. Trotzdem ist der 30-jährige Manager extra aus Lodsch gekommen, um in Warschau bei der Gründung einer neuen politischen Formation mitzumachen. "Modernes Polen" heißt sie, und will mit einem wirtschaftsliberalen Programm antreten.
"Seit längerem warte ich auf eine Initiative, die mein Herz mitreißt. Ich bin sehr enttäuscht von unserer politischen Szene. Aber diese neue Vereinigung steht meinen Ansichten sehr nahe, da habe ich mir gesagt, jetzt heißt es handeln. Ich bin nicht für einen Raubtierkapitalismus, aber dafür, dass der Markt freier wird, dass wir Barrieren abbauen."
"Modernes Polen" soll eine Art polnische FDP werden. Ihre Hauptforderungen lauten: Steuern senken, Bürokratie abbauen und Subventionen streichen.
Ideengeber der Formation ist Leszek Balcerowicz. Seine Anhänger nennen ihn "Vater der polnischen Marktwirtschaft". Anfang der 1990er-Jahre setzte er als Finanzminister den nach ihm benannten Plan durch - in enger Abstimmung mit dem Internationalen Währungsfonds. Die marktwirtschaftlichen Reformen stoppten die Hyperinflation. Gleichzeitig jedoch brach die Industrieproduktion ein. Ob diese Rosskur nötig war, ist bis heute umstritten.
Wohl deshalb kam Balcerowicz lieber nicht zum Gründungsparteitag, dafür sein enger Vertrauter, der Wirtschaftswissenschaftler Ryszard Petru.
"Die Präsidentenwahl vor zwei Wochen hat gezeigt, dass die Menschen einen Wechsel wollen. Wir wollen einen konstruktiven Wechsel, nicht einen, der Erreichtes zerstört. Das ist der Unterschied zwischen uns und dem neuen polnischen Präsidenten. Wir wollen eine starke Bewegung schaffen, die das Land verändert."
"Modernes Polen" versteht sich als eine Initiative von unten
Über 5.000 Interessierte kamen zur Gründung von "Modernes Polen" in eine Sporthalle. Die Präsidentenwahl hat viele von ihnen noch angespornt, der Sieg des rechtskonservativen Andrzej Duda. Denn wenn dessen Partei PiS auch die Parlamentswahl im Herbst gewinnt, dann werde sich das Geschäftsklima in Polen verschlechtern, fürchten Unternehmer. Duda machte viele teure Wahlversprechen. "Modernes Polen" will etwas dagegensetzen, als eine "Initiative von unten". Die Aktivisten sollen in allen Landesteilen Bezirksverbände gründen und Programmideen entwickeln.
Eine neoliberale Partei als Graswurzelprojekt? In Polen ist das kein Widerspruch. Gerade die jungen Menschen glauben, der Staat habe zu viel Einfluss. Seine Leistungen kämen nicht ihnen zugute, sondern nur alteingesessenen Interessengruppen, meint Jacek Szwagrzak.
"Es gibt viele Berufsgruppen mit Sonderrechten. Die Bauern haben ein eigenes Rentensystem, das staatlich bezuschusst wird. Bergleute und Polizisten dürfen sehr früh in Rente gehen. Natürlich darf man die Regeln nicht während des Spiels ändern, nicht für diejenigen, die schon arbeiten. Eine Reform würde sich also über eine Generation erstrecken, aber wir müssen jetzt beginnen."
Beim Gründungsparteitag traten nicht nur mittelständischen Unternehmer auf die Bühne, sondern auch Kulturmanager und Vertreter von Bürgerinitiativen. Umfragen zeigen, dass "Modernes Polen" im Herbst den Sprung ins Parlament schaffen kann - und sogar viel Luft nach oben hat.
Für manche in der Warschauer Sporthalle steht viel auf dem Spiel. Agnieszka Konasiewicz, die gerade ihr Studium im Fach Reklame abgeschlossen hat, fragt sich, ob sie auswandern soll. Sie hat schon ein halbes Jahr in London gelebt - und in einem Restaurant gearbeitet.
"Ich will eigentlich nicht bis an mein Lebensende Pommes Frites braten, ich habe höhere Ambitionen. Ich will hier in Polen in meinem Beruf arbeiten. Aber ich bekomme nichts, noch nicht mal ein Praktikum. Und bevor ich hier in der Küche stehe, gehe ich lieber zurück nach England, da trainiere ich wenigstens mein Englisch."
Ja, wenn die Steuern und Abgaben sinken, dann würden die Unternehmer auch wieder eher einstellen, versprechen die Vordenker von "Modernes Polen". Die Frage ist, ob Agnieszka so lange warten kann