Monika Seynsche: Wenn man Pflanzen mit besonderen Eigenschaften züchten möchte, dann dauert das auf herkömmliche Art und Weise viele, viele Pflanzengenerationen lang. Mithilfe von Genscheren wie CRISPR/CAS dagegen kann man dieselben Veränderungen in wesentlich kürzerer Zeit erreichen. Die erzeugten Pflanzen enthalten keine fremden Gene und sind nicht von solchen aus konventioneller Züchtung zu unterscheiden.
Trotzdem wurden so erzeugte Pflanzen durch den Europäischen Gerichtshof als gentechnisch veränderte Organismen eingestuft und unterliegen dadurch einer strengen Regulierung. (*) Um das zu ändern fordern über 100 Forschungseinrichtungen jetzt eine Modernisierung des Europäischen Gentechnikgesetzes. Ihr Sprecher ist Professor Detlef Weigel. Er leitet das Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen und berät die Industrie. Ihn habe ich gefragt, welche Veränderungen er und seine Mitstreiter fordern.
Detlef Weigel: Die Veränderung, die wir fordern, ist, dass Pflanzen oder auch Tiere, die durch Genom-Editieren hergestellt werden, dass die anders betrachtet, anders reguliert werden als konventionelle Gentechnik.
Seynsche: Warum?
Weigel: Durch diese Genom-Editierung hergestellten Pflanzen und Tiere sind zum einen nicht unterscheidbar von Tieren oder Pflanzen, die natürlich vorkommende Mutationen tragen, und zum anderen gibt es nichts, was man sich als rational denkender Wissenschaftler vorstellen könnte, warum diese kleinen Mutationen, die auch spontan vorkommen, die man durch Strahlen auslösen darf, das ist erlaubt, warum die anders reguliert werden sollen, weil man sich nicht vorstellen kann, dass die in irgendeiner Weise gefährlicher sein sollten als das, was sowieso schon natürlich passiert.
Seynsche: Das heißt, die Pflanzen sind nachher nicht unterscheidbar von Pflanzen, die auf natürliche Weise entstanden sind oder durch natürliche Züchtungen entstanden sind.
Weigel: Darauf gibt es zwei Antworten. Natürlich hofft man schon, dass sie unterscheidbar sind, ansonsten würde man natürlich die Genom-Editierung gar nicht durchführen. Also hoffentlich ist es eine Pflanze, die zum Beispiel weniger Dünger braucht, eine Pflanze, die weniger giftig ist zum Beispiel für den Menschen und so weiter. Nur wenn Ihnen das vorher keiner sagt, was verändert worden ist, dann ist es nicht aufzufinden.
"Für mich ist eine der wichtigsten Motivationen ganz sicherlich der Klimawandel"
Seynsche: Jetzt gibt es ja gerade in der europäischen Öffentlichkeit trotzdem sehr große Bedenken gegen gentechnisch veränderte Nahrungsmittel, gentechnisch veränderte Pflanzen. Warum ist es denn aus Ihrer Sicht so wichtig und so drängend auch, deren Zulassung trotzdem zu vereinfachen, zumindest bei durch Genom-Editierung erzeugten Pflanzen? (*)
Weigel: Also für mich ist eine der wichtigsten Motivationen ganz sicherlich der Klimawandel. Wenn wir dem Klimawandel begegnen wollen, müssen wir alle Mittel, die uns zur Verfügung stehen, einsetzen. Mir ist zum Beispiel wichtig, dass wir möglichst wenig landwirtschaftliche Fläche verbrauchen. Wenn wir Pflanzen haben, die nicht angepasst sind an das Klima, das jetzige, das zukünftige Klima, brauchen wir, um dieselbe Menge Lebensmittel, dieselbe Menge Tierfutter zu erzeugen, brauchen wir mehr landwirtschaftliche Fläche. Das sind Flächen, die wir zum Beispiel sonst aufforsten könnten, und Aufforstung ist einer der besten Wege, um CO2 zu binden.
"Diesen Aufwand können sich kleinere Firmen nicht erlauben"
Seynsche: Warum ist denn die aktuelle Regelung schlecht für die kleineren Institute, schlecht für kleinere Forschungseinrichtungen?
Weigel: Der Großindustrie, kann man, glaube ich, so sagen, der ist eigentlich der gesetzliche Rahmen relativ egal. Die wenden hunderte Millionen, wenn nicht sogar Milliarden an Geldern auf für die Forschung, und die richten sich einfach nach dem gesetzlichen Rahmen, und wenn es viele Millionen kostet, eine auf bestimmtem Wege veränderte Pflanze zu schaffen, wenn das zum Beispiel nur durch diese Zufallsmutagenese geht, dann wird das die Großindustrie machen, weil die genug Geld haben, um Pflanzen zu finden, die selbst nach Zufallsmutagenese genau die Veränderung im Erbgut haben, die gewünscht ist.
Diesen Aufwand können sich kleine Firmen nicht erlauben. Für die, wenn die wissen, hier ist eine Veränderung, die hat einen positiven Effekt, die kann ich jetzt durch Genom-Editierung gezielt einführen, würde die kleinere Industrie das sicherlich machen, aber Zufallsmutagenese und dann tausende von Pflanzen durchmustern, das würde die kleinere Industrie nicht machen. Der Aufwand wäre für sie nicht vertretbar.
Seynsche: Das heißt, die aktuelle Fassung des Gentechnikgesetzes bevorteilt quasi die großen Unternehmen und benachteiligt die kleinen Unternehmen oder auch die kleinen Forschungseinrichtungen.
Weigel: Genau. Also im Moment ist es so, dass es dazu führt, dass widersinnige Ansätze gewählt werden müssen, dass man den Weg der zufälligen Genese beschreitet, dass man Pflanzen mit Chemikalien behandelt, dass man Pflanzen bestrahlt, dass man dann ganz mühselig mit sehr, sehr großem Aufwand, mit molekularbiologischen Techniken die Veränderung findet, die man haben möchte, dass man dann durchlangwierige Kreuzungsprogramme die unerwünschten Mutationen wieder entfernt. Dazu braucht man einen sehr langen Atem. Dazu braucht man sehr viel Geld.
(*) Anmerkung der Redaktion: Wir haben Fehler in der ersten Fassung des Textes korrigiert und das fehlerhafte Audio gelöscht.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.