Der Wandel kommt oft wenig spektakulär daher, so unauffällig, dass man ihn kaum wahrnimmt. Es sind die kleinen Phänomene, an denen er sich abzeichnet, Daten und Zahlen, die auf kulturelle Veränderungen kaum schließen lassen. Und doch, erklärt Youssef Courbage, bereiten diese kleinen Verschiebungen im Alltag Entwicklungen vor, die sich erst später auf ideeller Ebene ausdrücken.
Der Geburtenrückgang lässt erkennen, dass die Mentalität einer Gesellschaft sich säkularisiert. Diese charakterisiert sich durch eine rationalere Haltung der Fortpflanzung ebenso wie Fragen der Transzendenz gegenüber. Das heißt nicht, dass die Menschen nicht mehr an Gott glauben würden. Nur lassen sie sich bei ihren Entscheidungen und Handlungen von diesem Glauben nicht mehr beeinflussen. Und in diesem Prozess, den Europa vor zwei-, dreihundert Jahren durchlief, befinden sich nun die Länder der arabischen und muslimischen Welt.
Eine Frau, die weniger Kinder in die Welt setzt, spürt weniger Druck, sie zu ernähren. In Syrien geht die Geburtenrate seit dem Jahr 1985 zurück. Lag die Quote um 1960 noch bei über sieben Kinder pro Frau, so fiel sie bis zum Jahr 2007 auf rund drei Kinder. Dadurch unterliegen die Frauen immer weniger den Vorgaben der Familie. Sie haben mehr Zeit für sich, Zeit, die viele Frauen auf ganz neue Weise nutzen - und so, ohne es zu merken und ohne es explizit zu wollen, eine ganze Reihe weiterer Entwicklungen in Gang setzen.
Dazu gehört Alphabetisierungsquoten der Frauen und Männer, die Sterblichkeit, insbesondere die der Kinder. Dazu gehört auch das nun zu Ende gehende Prinzip des Patriarchats - der Umstand also, dass immer die männlichen Mitglieder der Familie das Sagen haben. Dieses Prinzip trifft auf immer weniger Länder zu. Dazu gehört auch die Präferenz für Söhne. In Ländern, in denen die Geburtenrate zurückgeht, geht auch die Wahrscheinlichkeit zurück, dass man auf jeden Fall einen Sohn haben wird.
Natürlich sind die Proteste in Syrien nur ein weiteres Glied in einer langen Kettenreaktion, ausgelöst und ermutigt durch die Proteste in anderen arabischen Ländern. Aber sie können auf eine lange Tradition säkularen Denkens zurückgreifen, erklärt der syrische Philosoph Sadik al Azm, einer der bekanntesten Intellektuellen der arabischen Welt.
In den 60er-Jahren durchlief der Säkularismus einen großen Aufschwung. Sicher nicht auf eine offizielle und formale Weise, sondern informell, im Leben der Menschen. Religion galt als Privatangelegenheit und zählte zu den Sitten und Bräuchen. Dasselbe galt für die Baath-Partei in Irak und Syrien, jedenfalls in ihrer Frühzeit. Auch sie rechtfertigten ihre Herrschaft und ihre Religion nie durch Bezug auf den Islam. Stattdessen beriefen sie sich auf den Sozialismus und andere weltliche Werte: soziale Gerechtigkeit, Fortschritt, Bildung, Modernisierung. Seitdem gibt in den Gesellschaften damals eine Bewegung der informellen Säkularisierung.
Natürlich stützte sich der syrische Staat unter der Herrschaft der Asad-Familie auf sehr eigenwillige Weise auf diese Traditionen - mit wirklich demokratischen Prinzipien verbanden sie sich nicht. Aber das säkulare Denken hat seitdem Tradition. Zwar führte der gewaltige politische Druck bisweilen auch zu islamisch inspirierten Aufständen. Man denke etwa an den Aufstand der Muslimbrüder vom Februar 1982, in dessen Folge Zehntausende - die genauen Zahlen sind umstritten - ums Leben kamen. An seiner harten Haltung hat das Regime nichts geändert. Auch in diesen Tagen kam es wieder zu zahlreichen Todesopfern Aber die grundlegende Entwicklung, erklärt Youssef Courbage weist doch in eine optimistisch stimmende Richtung.
Auf der einen Seite gibt es eine wachsende Säkularisierung. Zwar kommt es immer wieder auch zu religiös inspirierten Protesten, die manchmal zu extremer Gewalt führen. Aber trotz dieser Bewegungen glaube ich, dass das tägliche Leben der Muslime in eine andere Richtung läuft, nämlich in die der Säkularisierung. Dies umso mehr, als sich die meisten Muslime dieser Verwandlung gar nicht bewusst sind.
Der Geburtenrückgang lässt erkennen, dass die Mentalität einer Gesellschaft sich säkularisiert. Diese charakterisiert sich durch eine rationalere Haltung der Fortpflanzung ebenso wie Fragen der Transzendenz gegenüber. Das heißt nicht, dass die Menschen nicht mehr an Gott glauben würden. Nur lassen sie sich bei ihren Entscheidungen und Handlungen von diesem Glauben nicht mehr beeinflussen. Und in diesem Prozess, den Europa vor zwei-, dreihundert Jahren durchlief, befinden sich nun die Länder der arabischen und muslimischen Welt.
Eine Frau, die weniger Kinder in die Welt setzt, spürt weniger Druck, sie zu ernähren. In Syrien geht die Geburtenrate seit dem Jahr 1985 zurück. Lag die Quote um 1960 noch bei über sieben Kinder pro Frau, so fiel sie bis zum Jahr 2007 auf rund drei Kinder. Dadurch unterliegen die Frauen immer weniger den Vorgaben der Familie. Sie haben mehr Zeit für sich, Zeit, die viele Frauen auf ganz neue Weise nutzen - und so, ohne es zu merken und ohne es explizit zu wollen, eine ganze Reihe weiterer Entwicklungen in Gang setzen.
Dazu gehört Alphabetisierungsquoten der Frauen und Männer, die Sterblichkeit, insbesondere die der Kinder. Dazu gehört auch das nun zu Ende gehende Prinzip des Patriarchats - der Umstand also, dass immer die männlichen Mitglieder der Familie das Sagen haben. Dieses Prinzip trifft auf immer weniger Länder zu. Dazu gehört auch die Präferenz für Söhne. In Ländern, in denen die Geburtenrate zurückgeht, geht auch die Wahrscheinlichkeit zurück, dass man auf jeden Fall einen Sohn haben wird.
Natürlich sind die Proteste in Syrien nur ein weiteres Glied in einer langen Kettenreaktion, ausgelöst und ermutigt durch die Proteste in anderen arabischen Ländern. Aber sie können auf eine lange Tradition säkularen Denkens zurückgreifen, erklärt der syrische Philosoph Sadik al Azm, einer der bekanntesten Intellektuellen der arabischen Welt.
In den 60er-Jahren durchlief der Säkularismus einen großen Aufschwung. Sicher nicht auf eine offizielle und formale Weise, sondern informell, im Leben der Menschen. Religion galt als Privatangelegenheit und zählte zu den Sitten und Bräuchen. Dasselbe galt für die Baath-Partei in Irak und Syrien, jedenfalls in ihrer Frühzeit. Auch sie rechtfertigten ihre Herrschaft und ihre Religion nie durch Bezug auf den Islam. Stattdessen beriefen sie sich auf den Sozialismus und andere weltliche Werte: soziale Gerechtigkeit, Fortschritt, Bildung, Modernisierung. Seitdem gibt in den Gesellschaften damals eine Bewegung der informellen Säkularisierung.
Natürlich stützte sich der syrische Staat unter der Herrschaft der Asad-Familie auf sehr eigenwillige Weise auf diese Traditionen - mit wirklich demokratischen Prinzipien verbanden sie sich nicht. Aber das säkulare Denken hat seitdem Tradition. Zwar führte der gewaltige politische Druck bisweilen auch zu islamisch inspirierten Aufständen. Man denke etwa an den Aufstand der Muslimbrüder vom Februar 1982, in dessen Folge Zehntausende - die genauen Zahlen sind umstritten - ums Leben kamen. An seiner harten Haltung hat das Regime nichts geändert. Auch in diesen Tagen kam es wieder zu zahlreichen Todesopfern Aber die grundlegende Entwicklung, erklärt Youssef Courbage weist doch in eine optimistisch stimmende Richtung.
Auf der einen Seite gibt es eine wachsende Säkularisierung. Zwar kommt es immer wieder auch zu religiös inspirierten Protesten, die manchmal zu extremer Gewalt führen. Aber trotz dieser Bewegungen glaube ich, dass das tägliche Leben der Muslime in eine andere Richtung läuft, nämlich in die der Säkularisierung. Dies umso mehr, als sich die meisten Muslime dieser Verwandlung gar nicht bewusst sind.