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Möbeldesign
Selber Luftschlösser bauen in 3-D

Im Rahmen der Internationalen Möbelmesse in Köln zeigen niederländische Designer, wie man einen 3-D-Drucker bedient, wie Designentwürfe heute im Netz zirkulieren und wie wir damit bald alle zu Produzenten unserer eigenen Möbel werden könnten: zu Prosumern.

Von Peter Backof |
    Ein 3D-Drucker entwirft eine rot-grüne Tülle, im Hintergrund schaut eine Frau zu.
    Ein 3D-Drucker auf einer Ausstellung. Der 3-D-Pencil ist noch flexibler. (picture alliance / dpa / Savostyanov Sergei)
    "Es ist tatsächlich ein Stift, aber ein dicker: Aus kommt ein wunderschöner kleiner Faden, der sich - wie soll man sagen - selbst fixiert, ziemlich schnell. Sie können damit in die Luft schreiben!“
    Es ist verblüffend. Guus Beumer, Leiter des Nieuwe Instituut Rotterdam, erklärt, wie der 3-D-Pencil funktioniert. Ich nehme ein Blatt Papier, male ein Quadrat - also zunächst ganz normal, in 2-D - und dann wird es magisch: Ich setze an den Ecken des Quadrats an, und ziehe, mit der Plastikflüssigkeit, die aus dem Stift kommt und im Nu trocknet, Fäden in die Höhe. Und baue mir: ein Miniaturregal. Oder schreibe in 3-D, entgegen der Schwerkraft, wirklich in die Luft.
    "Es braucht ein bisschen Übung, aber sie können damit zu einer Spinne werden, die ein 3D Netz baut."
    Oder anders gesagt: Ich bin jetzt ein Tintenstrahldrucker oder Plastikstrahl - jedenfalls ein Drucker ohne Druckergehäuse. Ein Ding mit gewaltigem Potenzial: Es eignet sich als Kinderspielzeug, aber auch als Werkzeug für Designer, die frei in der Luft konstruieren wollen. Es ist noch ein Schritt weiter, als der 3-D-Drucker, der digitale Entwürfe in Form setzt. Guus Beumer treffe ich auf der Ausstellung "Domestic Affairs", die parallel zur Möbelmesse in Köln stattfindet und neues niederländisches Design zeigt. Dort stellt zum Beispiel der Designer Bas van Beek 3-D-gedruckte Objekte aus. Tulpenformen aus Plastik, aber auch aus Bronze oder Bambusmasse: Einen 3-D-Drucker kann man mit allem möglichen befüllen. Guus Beumer kommentiert:
    "3-D-Drucker sind demokratische Werkzeuge"
    "Im Design waren wir in den letzten 20 Jahren fokussiert auf das Endprodukt, also das fertige Möbelstück, das wir uns dann in die Wohnung stellen. Und jetzt kommt das Neue: Es geht zunehmend um Schnittstellen und Werkzeuge, wie ein Möbelstück überhaupt entsteht. Ich würde soweit gehen, den 3-D-Pencil und den 3-D-Drucker demokratische Werkzeuge zu nennen: Der Konsument wird immer mehr auch zum Produzenten. Oder beides: als Prosumer."
    Das Szenario der digitalen Revolution: man ließe sich Ersatzteile, oder ganze Möbel im Shop an der Ecke ausdrucken, habe vielleicht sogar selber einen Printer und skizziere Möbel am Rechner mit dem Programm "Minecraft", einer Mischung aus Computerspiel und professionellem Tool, passgenau zur Wohnung: man entkopple sich im Prinzip von der klassischen Möbelindustrie.
    "Das ist doch der große Wandel derzeit. Und gut, wir sollten diese neuen Möglichkeiten feiern, aber auch einen kritischen Blick darauf werfen. Das erforschen wir, über das Ästhetische am Design hinaus, am Nieuwe Instituut: Entwickeln sich nicht auch neue Monopole hinter diesem ganzen Abfeiern demokratischer Designer Tools und Produkte? Man kann ja sehen, dass derzeit Startup-Unternehmen aufgekauft werden, es gibt keine vernünftige kartellrechtliche Regelung, Urheberschaften sind nicht geklärt, also das hat alles auch Kehrseiten. Es geht um Herzblut, Hirn, aber auch um unseren Geldbeutel.“
    Weg vom Formalen, hin zu sozialen Prozessen
    Guus Beumer macht natürlich auch Lobbyarbeit für die Branche. Designer sollen Geld verdienen. Am kommenden Wochenende gibt es die Möglichkeit, ihnen über die Schulter zu schauen und selbst zu gestalten. Workshops für verschiedene Altersstufen: Wie wird heute professionell gearbeitet? Mit dem 3-D-Pencil buchstäblich ein Luftschloss zu bauen oder mit "Minecraft" spielerisch nach dem Lego-Prinzip einen Tisch, ein Bett zu bauen, das ist natürlich kinderleicht und spaßig. Als Profi müsse man aber vor allem auch sozial netzwerken, mit Herstellern, potenziellen Kunden.
    "Schon lustig, eines unsrer Projekte, das wir auf der Messe vorstellen, heißt "Downloadfähiges Design", wie Form-Blaupausen heute im Netz zirkulieren, wie wir individuell uns Möbel ausdrucken können, eben dieser Schritt zum Prosumer. Ist es nicht großartig? Die Messe hier ist natürlich eine kommerzielle Veranstaltung, da sollen Möbel verkauft werden. Und sie geben uns hundert Quadratmeter für unsere Workshops und auch mal selbstkritischen, kontroversen Themen. Das ist doch der Trend im Design: eher weg vom Formalen, hin zu sozialen Prozessen, die mitdesignt werden.“
    Bezeichnenderweise sollen beim Kinder-Workshop am Wochenende mit dem 3-D-Pencil - auch nicht irgendwie - Tische und Regale gemalt werden, sondern das Nieuwe Instituut-Team hat sich eine Choreografie ausgedacht, in der die Kinder gemeinschaftlich gestalten sollen. Im besten Fall kommt bei diesem Experiment etwas Freies und Neues heraus.