Jörg Münchenberg: Seit Monaten brodelt die Gerüchteküche. Die Nummer eins und die Nummer zwei in der deutschen Bankenbranche, die Deutsche Bank und die Commerzbank könnten fusionieren, heißt es – ein Projekt, das sich auch Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier auf die Fahnen geschrieben haben. Beide fürchten letztlich den Ausverkauf der deutschen Institute, angesichts schwächelnder Aktienkurse und auch eines extrem schwierigen Geschäftsumfeldes – Stichwort die niedrigen Zinsen. Und offenbar soll es jetzt auch erstmals Gespräche zwischen den Vertretern der beiden Großbanken geben.
Zugehört hat der Finanz- und Haushaltsexperte der FDP, Otto Fricke. Herr Fricke, einen schönen guten Morgen.
Otto Fricke: Einen schönen, relativ frischen guten Morgen.
Münchenberg: Herr Fricke, braucht Deutschland einen nationalen Champion auch bei den Banken?
Fricke: Die Antwort wäre ganz einfach, indem wir sagen: Nein, sie braucht diesen Champion nicht, denn sie ist auch in den letzten Jahren – und das ist für mich eines der wichtigsten Argumente, um zu vergleichen – ohne diesen großen Champion klargekommen, weil, wie der Bericht ja gerade gesagt hat, es in den letzten Jahren mit den beiden Banken nun auch nicht so großartig war.
"Je größer die Banken, umso schwieriger wird es"
Münchenberg: Auf der anderen Seite sagt zum Beispiel der Wirtschaftsminister Peter Altmaier 'Size Matters', Größe C. Das gilt ja gerade auch bei den Banken. Da ist doch dann schon was dran an dem Argument.
Fricke: Na ja. Das hört sich auf den ersten Blick für alle, auch für die Hörer jetzt gut an: 'Size Matters' – je größer, je besser. Das Komische ist nur: Wenn wir zehn Jahre zurückdenken, dann haben wir gemerkt: Je größer die Banken sind, umso schwieriger wird es eigentlich. Hier, glaube ich, ist für mich etwas, was ich auch beim Bundesfinanzminister nicht verstehen kann, der seit August ja immer sagt, wir brauchen da eine große Bank. In der Finanzkrise hat die SPD noch mit allen Mitteln dagegen gekämpft, dass einzelne Banken too big, to fail sein können, und jetzt sagt man auf einmal, jetzt machen wir aber eine, die machen wir so groß, dass sie wirklich die allergrößte in Deutschland dann auch ist. Da gibt es für Politiker wie mich, die unter dem Druck stehen zu sagen, wir haben schlecht reguliert, deswegen kam es auch zu der Bankenkrise, deswegen müssen wir jetzt besser regulieren, zu folgendem Grundsatz: Je größer eine Bank ist, umso größer ist das systemische Risiko dieser einen Bank, umso größer muss ich sie regulieren, umso stärker muss ich sie regulieren. Das hat dann die Folge, dass das, was Deutschland groß macht – und das war nie too big; das war immer differenziert sich seine Position suchen, seine Nische suchen. Das ist für mich ein Widerspruch, den ich bisher nicht auflösen kann.
Münchenberg: Sie würden auch sagen, die Bundesregierung konterkariert ihre eigene Europapolitik?
Fricke: Jedenfalls mit den Gedanken, die sowohl der Sozialdemokrat Scholz hat als auch diejenigen, die der fast schon sozialdemokratische Peter Altmaier hat, die beide immer sagen, ich muss es ja nur groß genug machen. Das ist jedes Mal, das müssen wir ja auch sehen, wenn die Politik versucht, Industriepolitik in letzter Zeit zu machen. Dann macht sie eine Bauchlandung. Das letzte aktuelle Beispiel ist die Tatsache des A380, bei dem nun der Steuerzahler auch auf seinem Geld sitzen bleiben wird und hier auch Kredite, die er gegeben hat, nicht zurückbekommen wird, weil man ja dachte, je größer, je besser.
Münchenberg: Das war jetzt eine unternehmerische Entscheidung von Airbus, aber das ist jetzt gerade nicht unser Thema.
Fricke: In die eine Milliarde an Steuergeldern reingegangen ist, weil der Bund gesagt hat, wir müssen dieses große Unternehmen fördern, um ihm zu helfen, auf dem Markt kraft schierer Größe zu wirken.
Münchenberg: Das stimmt. Aber das Projekt A380 war jetzt keine Entscheidung der Bundesregierung.
Fricke: Nein.
Münchenberg: Stichwort Banken, dabei bleiben wir. Aber das Stichwort Airbus würde ich gerne noch mal aufgreifen. Ist es nicht vielleicht auch manchmal sinnvoll, wenn die Politik Geburtshelfer ist, weil zum Beispiel Airbus zeigt ja auch das Beispiel. Der europäische Konzern ist ja auch nicht alleine entstanden, sondern auch auf Druck und Unterstützung der Mitgliedsländer.
Fricke: Das hört sich auf den ersten Blick sehr, sehr gut an. Dann muss ich aber europäisch denken, und hier ist ein Unterschied zu Airbus im Bankenbereich. Wenn wir wirklich europäisch denken wollen, wenn das wirklich der Ansatz der Bundesregierung ist, dann kann ich gerade nicht sagen, jetzt schaffe ich mal einen nationalen Champion, dem ich übrigens dann regulatorisch oder an anderer Stelle Hilfe geben muss, damit aus zwei, ich sage jetzt mal, Hinkenden an der Stelle vielleicht ein besser laufender wird, wobei wir beide wissen, wenn man zwei Hinkende aneinanderbindet, dann hinken sie noch schlimmer. Dann habe ich aber im Endeffekt nicht diesen Vorteil, den ich eigentlich haben müsste. Dann muss ich europäisch denken und dann müsste ich sagen: Okay, ich sehe, dass wir hier zwei Banken haben, die zwar innerhalb Deutschlands die übrig gebliebenen Großen sind, relativ klein wegen des Drei-Säulen-Systems, wegen der Geschichte, wegen der Förderbanken, wegen der Konkurrenzen, aber ich muss dann eigentlich doch über den Tellerrand des Nationalstaates gucken und gucken, mit wem ich in Europa zusammen eine Fusion mache. Das wäre dann eigentlich die Überlegung, zumal ich dann auch das Risiko, dass nur in Deutschland ich einen großen Klumpen habe, der dann too big, to fail ist, vermeiden kann.
"Der Dünger ist schon immer reduziert gewesen"
Münchenberg: Auf der anderen Seite steckt ja wohl jetzt auch die Sorge dahinter, dass gerade die deutsche Politik, die Koalition diese mögliche Fusion unterstützt, dass die beiden deutschen Großbanken oder eine davon übernommen werden könnte, und danach bleibt nur noch ein Juniorpartner über. Ist diese Sorge nicht ganz unberechtigt?
Fricke: Ich verstehe die Sorge. Sie ist basiert auf einer Tatsache, dass in einem Vereinten Europa, wie auch immer vereint und wie tief vereint ich es haben will, ich bei den Banken in Deutschland eine möglichst große Bank haben muss. Komischerweise ist es aber, wenn es um Industrie geht, in Deutschland immer so gewesen, dass wir anderen Ländern Europas gesagt haben – nehmen wir Spanien -, ihr braucht keine eigene Automobilindustrie, wir übernehmen euren Automobilhersteller Seat, wir sagen das in Tschechien, wir machen das mit Mini in Großbritannien. Wir müssen als Bundesrepublik Deutschland uns doch fragen – und das ist auch gleichzeitig die Kritik der FDP am Papier von Herrn Altmaier -, ist denn diese Idee, nationale Champions zu schaffen, nicht eine Idee aus den 60er-, 70er-Jahren, die damals schon gescheitert ist, und müssen wir nicht gucken, wie wir europäische Dinge verbinden, und müssen wir dabei nicht auch akzeptieren, wenn wir uns für einen aufgeteilten Bankenmarkt entscheiden – und das muss man ja sehen -, dass der Dünger, den die beiden übrig gebliebenen großen Privatbanken haben müssten, nämlich die Frage des Geschäftsvolumens, in Deutschland für sie immer schon reduziert gewesen ist, weil wir ein funktionierendes Genossenschaftswesen und ein relativ gut funktionierendes Sparkassenwesen gehabt haben. Müssen wir denn nicht auch akzeptieren, dass es möglicherweise anders geht? - Das finde ich wichtig, da müssen wir uns immer dran erinnern: Wir haben schwache Privatbanken auch in den letzten zehn Jahren gehabt, und wie ist die Wirtschaft in den letzten zehn Jahren gelaufen. Sie lief! Ich kann nicht erkennen, dass irgendwo mal wir erkennen mussten, oh, weil die deutschen Privatbanken nicht groß genug sind, funktioniert die deutsche Wirtschaft nicht.
Münchenberg: Jetzt haben wir ja noch die Commerzbank und auch die Deutsche Bank. Wenn die aber verkauft werden sollten, Herr Fricke, dann geht es ja auch um einen möglichen nicht mehr so guten Zugang zu den Märkten, zu Finanzabwicklungen. Das kann der Politik doch alles nicht gleichgültig sein.
Fricke: Wenn das wirklich in Europa noch so wäre, dass der Zugang dann schwieriger wäre, dann hätte ja die gesamte Arbeit der letzten Jahre des Bundesfinanzministers, unter anderem des aktuellen, des vorherigen, einen europäischen Bankenmarkt herzustellen, nicht funktioniert. Das ist genau das, wo ich nicht höre aus der deutschen Wirtschaft, oh, wir brauchen dafür die Deutsche Bank. Selbst bei mir – ich komme vom Niederrhein – wird dann gesagt, wenn ich hier Schwierigkeiten habe und ich brauche eine spezialisierte international agierende Bank, dann gucke ich doch heute nicht mehr nur einfach nach Frankfurt, sondern ich gucke im europäischen Umfeld. Bei uns am Niederrhein sind das oft die Niederlande mit einem sehr starken Bankenmarkt. Ich gucke, wo ich da meinen Spezialisten habe. Denn die Frage, ob ich nun mit einem Deutschen Englisch sprechen muss auf einem englischen Markt oder einem Englisch sprechenden Markt, oder mit einem Niederländer, kommt für mich am Ende auf dasselbe raus. Das ist für mich das, was so verführerisch auf den ersten Blick ist: Lasst es uns national machen, dann ist es gut. Gleichzeitig sagen wir, nee, wir müssen es europäisch eigentlich machen, und engagieren uns so auf europäischer Ebene.
Schwierigkeiten beim Vereinen mit der Dresdner Bank
Münchenberg: Herr Fricke, Sie sagen, lieber keine deutsche Großbank mehr, wenn es darum geht, die ordnungspolitische Lehre einzuhalten?
Fricke: Na ja, nicht nur dann, sondern das Erste ist natürlich – und das muss immer vorstellen; da sprechen Sie dann schon mit einem Liberalen -, wenn die beiden Unternehmen für sich sagen, für uns ist das eine marktwirtschaftlich vernünftige Sache, wir haben da Skaleneffekte, wir haben da bestimmte Vorteile, die Deutsche Bank kann ihr Investmentbanking trotzdem weitermachen, wir müssen aber dann bei den Filialen mehr schließen, dann ist das gut. Nur da bin ich dann wieder skeptisch, weil die Deutsche Bank arbeitet immer noch an ihrer Fusion mit der Postbank. Und wenn wir ehrlich sind: Der Grund, warum der Bund 15 Prozent an der Commerzbank hält, ist ja der, dass er helfen musste, weil die Commerzbank beim Verschlucken oder Vereinen mit der Dresdner Bank damals Schwierigkeiten hatte. Aber das ist dann eine Entscheidung, die müssen die Unternehmen treffen. Da sollte die Politik sich raushalten.
Münchenberg: Was heißt das denn oder was würde das denn für die Kunden heißen, wenn jetzt nur noch eine Großbank, eine deutsche Privatbank am Markt ist? Das heißt ja faktisch auch weniger Auswahl.
Fricke: Es kommt jetzt darauf an, welchen Kunden wir nehmen. Nehmen wir den – und das darf ich bei meinem Vornamen immer sagen – Otto Normalverbraucher für sein Konto. Der kann immer noch gucken, zu welcher Bank er geht. Übrigens hier entwickeln sich ja auch große Veränderungen. Hier ist es ja gerade so, dass immer mehr die Frage ist, was ist die bessere Direktbank, wo zum Beispiel nach den Zahlen der Commerzbank die Commerzbank Erfolg hat. Ob man damit Geld verdienen kann, ist eine andere Frage. Aber ich glaube, es gibt für den Privatkunden, für die Frage, zu welcher Bank, Sparkasse, Genossenschaftsbank er gehen kann, dann nur noch die Einschränkung, die er ja auch schon gehabt hat, wenn in seiner Stadt, seinem Stadtteil auf einmal es nicht mehr eine Commerzbank und eine Dresdner Bank gab, sondern es entsprechend nur noch die Commerzbank gab.
Für Unternehmen ist das dann die Frage, ob es heute schon so ist, dass durch eine solche Fusion auf einmal auf dem Markt nicht mehr der Anspruch da ist, und da müssen wir noch viel weiter denken, denn da wird es nicht mehr nur noch um die Frage gehen, welche Bank das ist, sondern es wird darum gehen, welche modernen Finanzinstitute werden wir eigentlich in Zukunft brauchen.
Münchenberg: Jetzt läuft uns, Herr Fricke, leider die Zeit ein bisschen davon. Aber trotzdem danke schön für das Interview. Das war der Finanz- und Wirtschaftsexperte der FDP, Otto Fricke. Herr Fricke, Ihnen noch einen schönen Tag.
Fricke: Ich danke und sicheres Geld wünsche ich Ihnen für die Woche.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.