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Mögliche Großbanken-Fusion
"Dahinter verbirgt sich ein massiver Arbeitsplatzabbau"

Wenn Commerzbank und Deutsche Bank fusionieren, läuft das dem Aktionärsschützer Klaus Nieding zufolge vor allem auf Kosteneinsparungen hinaus. Nieding geht davon aus, dass mehr als 20.000 Stellen abgebaut werden. Ein Problem sei auch die treibende Rolle des Bundesfinanzministeriums.

Klaus Nieding im Gespräch mit Börsenreporterin Claudia Wehrle |
Die Türme der Deutschen Bank und der Commerzbank mit ihrem jeweiligen Logo. Davor ein Baukran.
Klau Nieding glaubt, dass bei einer Fusion der Banken Zehntausende Stellen bedroht wären. (Imago Images)
Claudia Wehrle: Herr Nieding, es gibt kritische Stimmen, was sind denn für Sie die stärksten Argumente?
Klaus Nieding: Nun, die stärksten Argumente gegen diese Fusion kann ich Ihnen geben. Das ist aus meiner Sicht zum einen, dass beide Banken viel zu viel überlappende Geschäftsfelder haben. Eine Fusion macht ja immer dann Sinn, wenn beide Parteien wie Zahnräder ähnlich ineinandergreifen und jeder dem anderen quasi mit in diese Ehe gibt, was der andere vorher noch nicht hatte. Das haben wir hier in der Form nicht. Das heißt, wir würden im Wesentlichen über Kostensynergien reden. Das klingt immer so positiv dieses Wort, tatsächlich verbirgt sich dahinter ein massiver Arbeitsplatzabbau. Ich gehe von deutlich mehr als 20.000 Stellen aus. Wenn Sie einmal schauen, Commerzbank, Dresdner Bank, die Fusion, da sind insgesamt Arbeitsplätze auf der Strecke geblieben, die der Belegschaftsstärke der Dresdner Bank vor der Fusion entsprochen haben. Ich vermute, wir reden hier über 30- bis vielleicht sogar 50.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die da entlassen werden können im Zuge der ganzen Geschichte, und dass ein sozialdemokratischer Bundesfinanzminister einem solchen Projekt das Wort redet, finde ich schon bemerkenswert.
"Achleitner hat sich in der Vergangenheit nicht mit Ruhm bekleckert"
Wehrle: Den Finanzminister haben Sie angesprochen, welche Rolle spielt denn bei dem Ganzen Paul Michael Achleitner, also der Aufsichtsratsvorsitzende bei der Deutschen Bank?
Nieding: Herr Achleitner ist natürlich als Vorsitzender des Aufsichtsgremiums der Deutschen Bank ganz eng involviert in diese Themen. Wir haben der Verlautbarung der Deutschen Bank und auch, ich sage mal, der zwischenzeitlichen Äußerung von Herrn Sewing ja entnommen, dass offensichtlich der Vorstand beziehungsweise er selbst, Herr Sewing, die Dinge ja nicht ganz so euphorisch sieht, um es mal ganz vorsichtig auszudrücken, und wenn ich das mal sagen darf, Herr Achleitner hat sich in der Vergangenheit ja nun auch nicht mit Ruhm bekleckert, was große, ich sage mal, Investmentbanking-Maßnahmen wie Fusionsprojekte angeht. Er hat zunächst als Allianz-Finanzvorstand die Dresdner Bank gekauft und hat sie dann schließlich wieder an die Commerzbank verkauft, und beides ist nicht ganz so gut gelaufen.
"Wenn der Bund sich als Aktionär beteiligt, muss er sich auch verhalten wie ein Aktionär"
Wehrle: Nun will der Bundesfinanzminister einen nationalen Champion in der Bankenbranche haben, schön und gut, der Bund ist aber immer noch Großaktionär bei der Commerzbank. Wie passt das denn zusammen?
Nieding: Also zum einen habe ich Probleme damit, dass der Bund als Großaktionär diese treibende Rolle hier einnimmt. Ich meine, wir würden ja, wenn es ein institutioneller Investor wäre und eben nicht die Bundesregierung wäre, würden wir doch auch mindestens mal mit den Augenbrauen runzeln, wenn nicht sogar die BaFin einschalten, wenn ein Großaktionär, der Commerzbank sich so verhalten würde, also im Vorfeld die eine oder andere Information an die Presse durchstechen und all diese Dinge, das kann ich so nicht akzeptieren. Wenn der Bund sich als Aktionär beteiligt, dann muss er sich bitte auch verhalten wie ein Aktionär. Dann muss er sich an die Kapitalmarktregeln halten und kann nicht so agieren, wie das hier passiert ist. Wir haben ein Wahljahr, und das ist aus meiner Sicht der wahre Grund dafür, warum Herr Scholz hier diesen Aktivismus an den Tag legt. Ich sage mal, unglücklicherweise ist sein Staatssekretär dann auch noch von Goldman Sachs und hat wahrscheinlich eine gewisse Sympathie für solche Pläne und für solche Vorhaben, aber da muss man rational drangehen. Man muss sich davon entfernen, hier sich selbst ein Denkmal setzen zu wollen und Industriepolitik treiben zu wollen. Überall da, wo der Bund das versucht hat oder wo die Politik das versucht hat, ist das schiefgelaufen. Deswegen, ich hoffe, dass diese Fusion so nicht kommt.
"Wären international immer noch nicht in der Weltspitze angekommen"
Wehrle: Warum brauchen wir überhaupt eine große Deutsche Bank?
Nieding: Klar ist, wir brauchen eine große Deutsche Bank, damit wir nicht komplett abhängig sind bei Investitionsprojekten im Ausland von ausländischen Banken, aber auf der anderen Seite, wir haben jetzt zehn Jahre Aufschwung, ich hätte es fast gesagt: hinter uns. Ich habe jetzt eigentlich nicht gesehen, dass in den vergangenen zehn Jahren große Projekte der deutschen Industrie oder der deutschen Wirtschaft daran gescheitert sind, dass man keine begleitende Bank gefunden hat. Also da war eine Deutsche Bank auch immer da, und man hat auch andere Banken gefunden, und die Dinge sind alle gelaufen, ohne dass man jetzt hier ein solches Institut braucht. Ganz ehrlich, wenn man sich das anschaut, wir würden zwar einen nationalen Champion schaffen, und Herr Erhardt hat es im Beitrag erwähnt, mit äußerster Systemrelevanz für unser Finanzsystem, und bei einer Finanzkrise 2.0 wahrscheinlich wieder nur mit Steuergeldern zu stabilisieren, aber wir wären doch international immer noch nicht in der Weltspitze angekommen. Diese fusionierte Bank wäre immer noch nicht unter den Top-Zehn-Banken der Welt, und da frage ich mich wirklich, welchen Sinn macht das.
Wehrle: Also Finanzkrise haben Sie eben angesprochen. So gesehen haben wir nichts aus der Finanzkrise gelernt, wenn jetzt wieder so eine riesige große Bank entstehen soll.
Nieding: In der Tat. Die Politik müsste ein großes Interesse daran haben, dass genau das nicht passiert, dass ein Haus too big to fail wird. Offensichtlich gibt es da mittlerweile andere Strömungen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, je länger die Finanzkrise vorbei ist desto weniger erinnern wir uns an die Dinge.
"Wir potenzieren Probleme, anstatt dass wir welche lösen"
Wehrle: Wie könnten denn beide Institute wirklich auf die Beine kommen?
Nieding: Sie sind ja auf einem gewissen Weg, wenn auch einem mühsamen und einem langwierigen Weg. Die Deutsche Bank baut ja Themen ab, sie hat allerdings auch in etlichen Unternehmensbereichen Wettbewerbsanteile und Marktanteile verloren. Das muss man auch sehen. Ich könnte mir eine punktuelle Kooperation zwischen beiden Häusern gut vorstellen, und wenn wir über das Thema, ich sage mal, Fusion und Internationalität sprechen, dann, meine ich, gibt es andere Partner für eine Deutsche Bank, die dieses gemeinsame neue Unternehmen dann auch richtig nach vorne bringen würden als die Commerzbank. Ich kann es nur wiederholen: Wenn sich zwei Lahme zusammentun, wird da kein Olympia-tauglicher Leichtathlet draus, und wir potenzieren Probleme, anstatt dass wir welche lösen. Es wäre eine Flucht vor der Problemlösung. Man würde sich drei bis fünf Jahre mit sich selbst beschäftigen, und letztlich hätten wir immer noch nicht, ich sage mal, die Dinge wirklich alle gelöst. Das Thema, ich sage mal, digitale Systeme et cetera, das wird ja nicht einfacher für die Deutsche Bank, wenn wir jetzt auch noch die Commerzbank dazunehmen.
Wehrle: Kurz zum Schluss: Wenn Sie von punktuellen Kooperationen sprechen, wäre dann das Modell, was wir momentan in der Automobilindustrie sehen?
Nieding: Ja, das wäre in der Tat das Modell, was mir vorschweben würde. Ich will mal nur ein Beispiel nehmen: Wieso muss jede Bank eine eigenständige Filiale haben. Man könnte auch an Shop-in-Shop-Lösungen denken, dass man sagt, in einem Gebäude sind zwei Filialen von beiden Banken, dadurch kann man auch Kosten sparen et cetera.
Wehrle: Sagt Kaus Nieding von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.