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Möglicher Gewaltaufruf
"Trump spielt mit dem Feuer"

Hat der US-Präsidentschaftskandidat Trump zur Gewalt gegen seine Kontrahentin Clinton aufgerufen - oder handelt es sich um ein Missverständnis? Der frühere Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, Karsten Voigt (SPD), sagte im Deutschlandfunk, wer so uneindeutig bei Fragen von Gewaltanwendung rede, sei ungeeignet für den Job des mächtigsten Mannes der Welt.

Karsten Voigt im Gespräch mit Bettina Klein |
    Der frühere SPD-Politiker Karsten Voigt
    Trump stelle eine Gefahr für die politische Kultur dar, sagte der frühere Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, Karsten Voigt. (imago stock&people)
    Es sei zwar nicht klug, sich auf jede von Trumps provokanten Äußerung einzulassen und aufgeregt zu reagieren. Aber in einer langen Liste von Stellungnahmen zeige sich, dass der Präsidentschaftskandidat weder lernfähig noch lernwillig sei - das dürfe man nicht verharmlosen.
    Trump hatte in Richtung Clinton gesagt: "Wenn sie die Richter auswählen kann, könnt ihr nichts machen, Leute. Obwohl, die Unterstützer des zweiten Verfassungszusatzes - vielleicht doch, ich weiß nicht." Die Worte wurden von vielen als Aufruf zur Gewalt gegen die demokratische Präsidentschaftsbewerberin verstanden.
    Gefahr für "politische Kultur"
    Trump stelle eine Gefahr für die politische Kultur dar, so Voigt, und auch eine reale Gefahr. Es sei in der amerikanischen Geschichte vorgekommen, dass Präsidenten ermordet wurden. Insgesamt sei Gewalt in den USA wesentlich ausgeprägter als in Deutschland.
    Da Donald Trump bereits jetzt den transatlantischen Beziehungen schade, sei es für deutsche Politiker unmöglich, nichts dazu zu sagen. Dies sei keine Einmischung, sondern gehe Deutschland unmittelbar an. Bundesaußenminister Steinmeier war dafür kritisiert worden, dass er Trump mehrfach als Gefahr bezeichnet hatte.

    Das Interview in voller Länge:
    Am Telefon Karsten Voigt, SPD, ehemals Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen. Guten Morgen, Herr Voigt!
    Karsten Voigt: Guten Morgen, Frau Klein!
    Klein: Beginnen wir mit dem letzten Aufregersatz, den wir gerade noch mal im Originalton und in der Übersetzung gehört haben: Wie viel Aufregungspotenzial hat für Sie diese Äußerung, dass er angeblich aufgefordert hat, die Waffen gegen Clinton zu erheben, was das Zitat aber nicht hergibt?
    Voigt: Wenn jemand so uneindeutig bei Fragen von Gewaltanwendung redet, dann muss man im Hinterkopf immer haben, dass so ein potenzieller Präsidentenkandidat ja auch … Präsidentenkandidat ist er bereits, aber so ein potenzieller Präsident ja auch sich schon sehr uneindeutig zum Einsatz von Nuklearwaffen geäußert hat. Das heißt, ein solcher Mann ist ungeeignet für den Job des wichtigsten Mannes auf dieser Welt, dieses mächtigsten Mannes dieser Welt. Und er hat jetzt schon so viel Schaden angerichtet, dass man sich nur vorstellen kann, dass, falls er Präsident werden sollte, das auch zu einer tiefen Krise in den europäisch-atlantischen Beziehungen und internationalen Beziehungen überhaupt beitragen könnte.
    Verhaltensweisen sind "Gefahr für die politische und demokratische Kultur"
    Klein: Die Uneindeutigkeit ist vor allen Dingen das Problem, sagen Sie. Ist es denn klug, auf jede zweideutige Äußerung von Trump aufzuspringen und gewissermaßen diesen Aufregungsmechanismus mitzumachen?
    Voigt: Nein, es ist nicht klug, sich auf jede Äußerung einzulassen und gleich aufgeregt zu reagieren. Aber wenn in einer langen Liste von Stellungnahmen sich zeigt, dass ein Präsidentschaftskandidat der Republikaner weder lernwillig noch lernfähig ist, sondern dass es Teil seines politischen Charakters ist, sich so zu verhalten, dann darf man auch nicht verhandeln.
    Klein: Ist es aber nicht einfach seine Strategie im Augenblick, möglichst viel Aufregung und Aufmerksamkeit zu erzeugen, und genau damit hat er ja seit einem Jahr den Erfolg, den seit einem Jahr eigentlich keiner vorhergesehen hat?
    Voigt: Genau dies ist die Strategie, die Strategie von ihm, das ist die Strategie von allen rechten Populisten dieser Welt. Auch nicht nur in USA, sondern auch in Europa. Aber es wäre noch schlimmer, wenn man sich an solche Verhaltensweisen, solche Strategien gewöhnen würde. Auch wenn sie erfolgreich sind, sie stellen eine Gefahr für die politische und demokratische Kultur eines Landes dar. Das gilt in den USA, das gilt in Europa. Und deshalb darf man sich auch nicht daran gewöhnen, man darf das auch nicht verharmlosen, man darf auch nicht sagen, na ja, irgendwann, wenn sie im Amt sind, werden sie ja wahrscheinlich ganz was anderes tun und das Gegenteil von dem tun und verantwortungsbewusst sein. Ich glaube, damit kann man jetzt nicht mehr rechnen, man muss sich darauf einstellen, dass ein solcher Mann auch ernst genommen werden muss. Selbst wenn er solchen Blödsinn und so was Gefährliches sagt.
    "Ein Präsidentschaftskandidat müsste eher vor Gewalt warnen"
    Klein: Wie viel Gefahrenpotenzial sehen Sie darin? Also, es gab ja auch schon Kolumnisten, die erinnert haben an den Fall Yitzhak Rabin vor 20 Jahren. Also, glauben Sie tatsächlich, dass die Gefahr besteht, dass Leute sich aufgestachelt fühlen zu Gewalt und zu den Waffen greifen?
    Voigt: Natürlich. Und das ist ja in der amerikanischen Geschichte nichts Neues, es sind ja amerikanische Präsidenten ermordet worden. Und die Ermordung von politischen Gegnern ist in den USA ja nicht etwas völlig Neues, sondern sie ist ja immer wieder passiert. Und gerade vor diesem Hintergrund solcher Gewalt in den USA, die ja wesentlich größer ist als Gewalt zum Beispiel in Deutschland, müsste ein Präsidentschaftskandidat viel zurückhaltender sich äußern und müsste eher vor Gewalt warnen und jedes Missverständnis sozusagen vermeiden. Und wenn er das nicht tut, dann spielt er mit dem Feuer. Und wenn er mit dem Feuer spielt, darf er sich nicht wundern, wenn andere zum Feuer greifen.
    Klein: Jetzt wollen wir hier auf keinen Fall den Teufel an die Wand malen, das möchte ich noch mal betonen an dieser Stelle und noch mal kurz auf diesen Satz schauen. Genauso gut kann ja auch gemeint gewesen sein, die Waffenanhänger, die waren ja bisher auch schon sehr wirksam, und zwar ohne selber zu den Waffen zu greifen, mit einer äußerst professionellen Lobby-Arbeit, mit der sie ja im Prinzip praktisch schon den ganzen Kongress in den Griff gebracht haben. Also, diese Bedeutung kann man ja eigentlich auch hineinlegen?
    Voigt: Sie haben völlig recht, der Satz kann auch anders gedeutet werden, das ändert aber nichts am Problem. Es ist unverantwortlich, wenn ein Präsidentschaftskandidat in diesem Kontext – und das gilt ja auch für andere Zusammenhänge – nicht eindeutig klar sich äußert, sondern dass man etwas hineininterpretieren kann und dass man überhaupt sich auf Deutungen einlassen muss. Das ist schon das Problem.
    Auch deutsche Politiker müssen Stellung beziehen
    Klein: Jetzt schauen wir mal auf die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, Sie haben es vorhin gerade auch angedeutet. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat sich gestern noch mal über seine Sprecherin klar distanziert von Trump, er hat damit seine Neutralität aufgegeben, er hat deutlich schärfere Worte auch vor einigen Tagen schon verwendet. Ist es klug, sich so in Position zu bringen, jetzt schon, drei Monate vor der Wahl?
    Voigt: Man hat sich monatelang immer auf die Hoffnung eingelassen, dass Trump sich, sobald er offizieller Kandidat ist, zurücknehmen würde. Das scheint nicht zuzutreffen. Und wenn ein Präsidentschaftskandidat der Republikaner – man muss ja immer an die Rolle von amerikanischen Präsidenten in der Welt denken –, wenn ein Präsidentschaftskandidat der Republikaner sich auch nach seiner offiziellen Nominierung wie ein Elefant im Porzellanladen bewegt, dann wird bei aller Liebe zur Zurückhaltung es auf Dauer gesehen auch für deutsche Politiker unmöglich sein, gar nichts mehr dazu zu sagen. Denn er spielt ja für die Bündnisbeziehungen, er spielt für die internationale Wirtschaftsbeziehung und er spielt für die europäischen und deutsch-amerikanischen Beziehungen eine so wichtige Rolle, dass man dann auch irgendwie sagt … Da muss man auch sagen, halt, mit so was gehen wir … Das ist nicht eine Einmischung sozusagen in amerikanische Angelegenheiten, sondern das sind Dinge, die uns unmittelbar angehen, und dazu müssen wir dann auch Stellung beziehen.
    Klein: Das meinte ich auch gar nicht, sondern die Frage ist ja: Was macht eigentlich die Bundesregierung, wenn dieser Mann tatsächlich gewählt wird und man ihn heute schon quasi zur Unperson erklärt?
    Voigt: Ich gehe davon aus, dass es sehr umfangreiche interne Analysen und Berichte gibt und dass man sich bewusst bisher öffentlich zurückgehalten hat, und auch die Stellungnahme von Frank-Walter Steinmeier ist ja in Wirklichkeit sehr zurückhaltend. Aber nachdem der überwiegende Teil der amerikanischen Elite, der amerikanischen republikanischen außenpolitischen Elite in den letzten Tagen schon gesagt hat, dieser Mann ist gefährlich, den dürft ihr auf keinen Fall wählen, ist es natürlich auch so, dass auch deutsche Politiker und auch deutsche Mitglieder der Regierung bei aller Zurückhaltung, die ich auch für richtig halte, auf Dauer nicht darum herumkommen werden zu sagen, hier schadet jemand nicht erst in den Augenblick, wo er gewählt werden sollte – was ja nicht auszuschließen ist, nach wie vor nicht –, sondern bereits jetzt durch seine Äußerungen den internationalen Beziehungen, den transatlantischen Beziehungen.
    "Mehrheit der republikanischen Elite hält nichts von Trump"
    Klein: Und das ist ja auch interessant, Herr Voigt: Bei den etwa 50 Mitarbeitern, ehemaligen Mitarbeitern der Bush-Regierung, denen man ja in Deutschland jetzt auch nicht so sonderlich wohlgesonnen war, die eigentlich für eine verfehlte Politik standen, die sind jetzt die Kronzeugen für die Gegnerschaft zu Donald Trump geworden!
    Voigt: Da sind nicht nur Mitarbeiter dabei von Bush Junior, also, mit dem wir ja wirklich viele Probleme hatten, und zwar zu Recht. Sondern da sind auch viele bei wie Bob Zoellick und Philip Zelikow und Bob Blackwill die in der Phase von Bushs Vater während der deutschen Einigung eine sehr wichtige positive Rolle gespielt haben. Da sind auch Leute dabei, die Mitarbeiter von Cheney waren. Das heißt, wir haben es damit zu tun, dass bis auf wenige Ausnahmen – dazu gehört zum Beispiel der ehemalige Botschafter in Deutschland Burt, der ist eher für Trump –, aber die überwiegende Mehrheit der republikanischen Elite, ganz egal, welcher Richtung sie herkommen, halten von diesem Trump nichts, warnen vor ihm. Und sie warnen nicht nur die Amerikaner, aus innenpolitischen Gründen vor ihm, sondern sie warnen vor ihm aus außenpolitischen Gründen. Und da sind unsere Interessen und natürlich auch unsere Gesichtspunkte gefragt und auch berührt.
    Klein: Karsten Voigt, der frühere Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen zum Wahlkampf in den Vereinigten Staaten und zu den jüngsten Äußerungen von Donald Trump. Herr Voigt, danke Ihnen für das Gespräch heute Morgen!
    Voigt: Ich danke Ihnen auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.