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Möglicher Richtungswechsel in Tirana mit Edi Rama

Die Parlamentswahlen in Albanien waren überschattet von Gewalt und Chaos. Ein Mann wurde erschossen, zwei wurden verletzt. Das amtliche Endergebnis steht noch nicht fest, aber Edi Rama von der sozialistischen Opposition wird schon von der Bevölkerung als Hoffnungsträger begrüßt.

Von Karla Engelhard | 26.06.2013
    Vor allem junge Männer und Frauen feiern den neuen Mann Albaniens: Edi Rama. Der große Mann mit dem grauen Stoppelhaarschnitt und dem Dreitagebart ist der Sieger bei der albanischen Parlamentswahl und steht als Führer der Sozialisten für den Richtungswechsel:

    "Jeder Albaner, der am 23. Juni gewählt hat, egal für welche politische Kraft auch immer, sollte stolz sein, weil er Albanien vor den Augen der Welt stolz gemacht hat, die mit Freude die einfache Wahrheit spürt, dass mit dieser Wahl Albanien gewonnen hat. Unsere Gegner sollten ihre Niederlage akzeptieren und ihn als großen Sieg für Albanien begreifen."

    Als Sieg der Demokratie - für den 48-Jährigen steht es außer Frage, dass sein Land mit dieser Wahl den Demokratietest bestanden hat, den die Europäische Union mit dieser Abstimmung verband. Auch die internationalen Wahlbeobachter sahen Fortschritte, kritisierten aber auch etliche Unregelmäßigkeiten in und die Gewaltausbrüche zwischen politischen Gegnern vor den Wahllokalen. Ein Mann wurde erschossen, zwei wurden verletzt.

    Albanische Medien berichteten erstmals rund um die Uhr aus allen Teilen des Landes über diese Wahl und seit Tagen über die Auszählungen der Stimmzettel.

    Beobachter sprachen in diesem Zusammenhang von einer disziplinierenden Wirkung der Öffentlichkeit, denn keine Wahl verlief bisher in Albanien vergleichsweise so ruhig und geregelt.

    Dabei ging es um viel bei dieser Abstimmung, denn jeder politische Wechsel zieht im kleinen Balkanland den Wechsel von Ämtern, Posten und Stellen nach sich – vom Ministerposten bis zur Putzfrauenstelle. Vielen Familien sind davon abhängig. Albaniens politisches System beruht bisher auf Vettern- und Günstlingswirtschaft, der sich auch ein Edi Rama nicht ganz entziehen kann. Zwar haben seine Sozialisten mit mehr als 80 Abgeordnetenmandaten von 140 eine satte Mehrheit, aber ihren Wahlsieg verdanken sie einem linken Bündnis aus rund 40 kleinen Parteien und Gruppierungen, die auch versorgt werden wollen. Spartak Ngjela, ein alter Dissident, Rechtsanwalt, politischer Häftling und wahrscheinlich der neue Justizminister unter Rama, meint euphorisch:

    "Diese Wahl ist die endgültige Befreiung für alle, für die Arbeitslosen, die Unternehmer, für die junge Generation und auch für Auslandsalbaner – alle können nun hoffen."

    Viele von ihnen waren im erstarrten System des konservativen Dauerpremier Sali Berisha gefangen oder davon abgeschreckt. Der 70-jährige Wahlverlierer Berisha schweigt und wartet das offizielle Wahlergebnis ab.

    Doch in Tirana und anderen Städten feiern junge Männer und Frauen den Sieg und sich selbst.