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Möglicher US-Truppenabzug aus Europa
"Schwächung des NATO-Bündnisses"

Die Absicht der US-Regierung, die Präsenz ihrer Truppen in Europa und Deutschland zu verringern, sei zwar keine Überraschung, sagte der ehemalige Bundeswehrgeneral Klaus Naumann im Dlf. Doch sie schwäche das NATO-Bündnis. Damit verminderten sich auch die Chancen auf Abrüstung und Rüstungskontrolle.

Klaus Naumann im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
Ein U.S. Air Force C-47 Skytrain Flugträger bei der Landung im US-Stützpunkt Ramstein
Eine Strategie hinter dem Abzugsplan der US-Regierung sei nicht erkennbar, sagte Klaus Naumann, früherer Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, im Dlf (imago / Stocktrek Images )
Die USA planen offenbar, einen größeren Teil ihrer in Deutschland stationierten Truppen abzuziehen. Die Rede ist von etwa 9.500 US-Soldaten, die Deutschland verlassen würden, das wäre etwa ein Viertel der US-Einsatzkräfte hierzulande. Ein Teil von ihnen werde nach Polen und in andere Staaten von Verbündeten verlegt, ein anderer Teil kehre in die USA zurück, hatte ein Regierungsmitarbeiter gesagt. Offiziell bestätigt sind diese Pläne aus dem Weißen Haus noch nicht, aber es gibt mehrere Berichte, die schon Details dieser Abzugspläne liefern.
Klaus Naumann war einer der prägendsten Bundeswehrgeneräle der vergangenen Jahrzehnte, er war unter anderem in den 90er-Jahren Generalinspekteur und Vorsitzender des NATO-Militärausschusses.
Donald Trump, Praesident der Vereinigten Staaten von Amerika, und Xi Jinping, Praesident der Volksrepublik China, sind auf einem Graffitto des Strassenkuenstlers Eme Freethinker kuessend und mit Mundschutz zu sehen // Donald Trump, President of the United States of America, and Xi Jinping, President of the People s Republic of China, can be seen kissing and wearing a face mask on a graffiti by street artist Eme Freethinker Foto: bildgehege Donald Trump und Xi Jinping von Eme Freethinker
Coronakrise - Die Welt in Unordnung
Um den Multilateralismus stand es schon vor der Corona-Pandemie schlecht. Vor allem die USA und China machen lieber ihre eigene Politik. Die Coronakrise verschärft diese Situation noch. Für die EU könnte das eine Chance sein.
Tobias Armbrüster: Herr Naumann, wenn es jetzt tatsächlich zu diesem amerikanischen Truppenabzug kommt, wäre das überraschend?
Naumann: Insgesamt natürlich nicht, denn das Gerücht, dass Präsident Trump die Präsenz amerikanischer Truppen in Europa und in Deutschland verringern möchte, steht ja seit mehr als einem Jahr im Raum. Was zu beanstanden ist, das klang ja eben auch schon an: Es gibt im Bündnis festgelegte Spielregeln, mit denen man derartige Schritte konsultiert und vorab informiert. Und es ist auch eine vertragliche Verpflichtung der USA, die Bundesregierung vor Verringerungen zu informieren, das ergibt sich aus den Stationierungsvereinbarungen. Das ist nicht erfolgt, aber wir sprechen gegenwärtig ja noch von Absichten, die noch nicht offiziell bestätigt sind.
"Weiterer Verstoß gegen den Geist der Bündnisverpflichtungen"
Armbrüster: Dass diese Information aus Washington nicht erfolgt ist, was bedeutet das für Sie?
Naumann: Ich halte das für einen weiteren Verstoß gegen den Geist der Bündnisverpflichtungen, die beide Seiten eingegangen sind. Ein Bündnis funktioniert nun einmal auf der Grundlage von Vertrauen und gegenseitiger enger Information und Abstimmung. Derartiges hat man von den Vereinigten Staaten ja nun in den Zeiten der Trump-Regierung öfters erlebt. Insofern auch keine Überraschung, aber dennoch bedauerlich und eine Schwächung des Bündnisses. Und Herr Wadephul hat sicher recht: Derartige Schritte freuen nur zwei auf dieser Welt, das sind Russland und China.
Gewinner der Truppenverlegung könnte am Ende Putin sein
Armbrüster: Herr Naumann, wenn es tatsächlich zu diesem Truppenabzug kommt, welche Folge hätte das für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands?
Naumann: Wenn diese Truppen nach Polen verlegt werden oder zum Teil nach Polen verlegt werden, dann hat das keine dramatischen Auswirkungen für Deutschland und für Europa. Man muss allerdings fragen, ob das dann noch in Übereinstimmung steht mit der NATO-Russland-Akte, die ja eine permanente Stationierung von amerikanischen Truppen in Polen nicht vorsieht. Wenn die Zahl erheblich aus Europa verringert wird, dann ist der Gewinner der ganzen Sache Putin. Und im Gegensatz zu der doch recht laienhaften und beinahe dümmlichen Äußerung, die wir von Herrn Bartsch vorhin gehört haben, vermindern sich mit solchen Schritten dann die Chancen auf Abrüstung und Rüstungskontrolle. Das ist allerdings für einige deutsche Politiker ja kein Thema, denn die glauben ja, man könne Abrüstung vorantreiben und damit Sicherheit erreichen, was natürlich auch ein absoluter Trugschluss ist.
Jeder amerikanische Abzug schwäche die NATO-Strategie
Armbrüster: Aber es wäre ja de facto tatsächlich eine Verringerung von Soldaten in Deutschland, das heißt ...
Naumann: Wissen Sie, Herr Armbrüster, es geht ja nicht um die Zahl der Soldaten, es geht darum, welche Kampfkraft dahintersteckt. Die amerikanischen Truppen sind sicherlich die am modernsten ausgestatteten und kampffähigsten des NATO-Bündnisses. Von daher gesehen ist eine Schwächung des gesamten Dispositivs der NATO natürlich mit jedem amerikanischen Abzug verbunden.
"Verteidigungsfähigkeit im NATO-Europa nicht so arg gut"
Armbrüster: Sie müssen uns jetzt noch mal genauer erklären, was sich da jetzt in Osteuropa tut. Sie sagen, Putin könnte der große Gewinner sein, woran liegt das?
Naumann: Putin rüstet doch sehr einseitig und sehr deutlich auf, vor allem im nuklearen Bereich. Das ist aber offensichtlich einigen deutschen Politikern bisher weitgehend entgangen, die glauben, man könnte in einer solchen Situation einer Aufrüstung mit Atomwaffen, die ausschließlich auf Europa gerichtet sind, Sicherheit durch Abrüstung erreichen. Mich macht diese Situation besorgt, weil sie im Grunde genommen an das erinnert, was wir in den späten 80er- und frühen 90er-Jahren erlebt haben und dann glücklicherweise überwunden haben durch einen Doppelansatz von Abrüstung und glaubhafter Verteidigungsfähigkeit. Aber mit der glaubhaften Verteidigungsfähigkeit ist es heute im NATO-Europa und eben auch in Deutschland nicht mehr so arg gut bestellt, insofern haben wir auch für Verhandlungen nichts auf die Waagschale zu werfen.
Vorwand zur Aufrüstung für russisches Militär
Armbrüster: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe, mit so einer Truppenverlegung nach Polen würden die USA Russland eine weitere Entschuldigung, einen weiteren Vorwand liefern, um weiter aufzurüsten. Ist diese Schlussfolgerung so korrekt?
Naumann: Na ja, also wissen Sie, das russische Militär nutzt jede Gelegenheit, um das Gespenst einer angriffsbereiten NATO an die Wand zu malen, das ist das alte Feindbild, das aus den Köpfen des russischen Generalstabs offensichtlich nie verschwunden ist. Und wenn man angesichts Kräftedispositivs, das von dem Oblast Kaliningrad bis in die westlichen Bezirke der russischen Föderation reicht, das Kräfteverhältnis sieht, dann müssen die sich weiß Gott nicht fürchten, wenn ein- bis zweitausend zusätzliche amerikanische Soldaten nach Polen verlegt werden. Eine Angriffsfähigkeit entsteht daraus gewiss nicht, aber man wird das so darstellen und das als Rechtfertigung nutzen, um weitere Aufrüstungsschritte voranzutreiben.
"Die Amerikaner brauchen Europa"
Armbrüster: Herr Naumann, jetzt haben wir über Deutschland und Osteuropa gesprochen. Was würde ein solcher Truppenabzug denn für die US-Armee selbst bedeuten und für die US-Verteidigungsstrategie?
Naumann: Das Wort Strategie im Zusammenhang mit US-Präsident Trump in den Mund zu nehmen, das ist gewagt. Ich von diesem Mann noch nichts gesehen, was auf irgendwie strategische Weisheit schließen lässt, aber lassen wir das beiseite. Die Amerikaner brauchen Europa als Drehscheibe für ihr weltweites strategisches Dispositiv. Und wenn sie hier Kräfte abziehen aus der idealen Drehscheibe Deutschland, dann schwächen sie ihre eigene strategische Handlungsfähigkeit. Dazu kommt, sie werden erhebliche Kosten verursachen, denn hier haben sie ein im Grunde gemachtes Nest, zu dem ja auch Deutschland nicht unerhebliche finanzielle Mittel in den letzten Jahren beigetragen hat. Wenn sie das woanders wiederaufbauen wollen, das gilt übrigens auch für Polen, müssen sie erst mal Geld in die Hand nehmen. Ob man das als klug bezeichnen kann in einer Zeit, in der auch Amerika, genauso wie wir, sein Geld für andere Dinge brauchen könnte, wage ich zu bezweifeln.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.