Mogadischu kurz vor Mitternacht. Die Tanzfläche ist voll, Männer und Frauen gehen geübt und geschmeidig mit den Rhythmen mit. Bei einigen ist schwer zu unterscheiden, ob sie flirten oder sich einfach nur vom Tanzen mitreißen lassen, aber eins ist sicher: alle genießen den Abend.
"Die Party ist super. Jedes Mal wenn ich herkomme, lerne ich neue Leute kennen: Männer und Frauen. Wir reden darüber, was wir so machen. Einige haben studiert, und zwar an den unterschiedlichsten Universitäten. Andere arbeiten für verschiedene Humanitäre Organisation. Es ist einfach toll."
"Die Party erinnert mich an mein Leben in Großbritannien. Ich komme immer, wenn es so eine Gelegenheit gibt!"
Die Musikquelle ist ein Laptop, ein paar junge Männer kümmern sich gemeinsam um die Auswahl. Wenn ein Titel nicht zündet und die Tanzfläche leer bleibt, wechseln sie abrupt zum nächsten Stück. Wobei man sich die Tanzfläche kaum einfacher vorstellen kann: es ist eine große Plastikplane auf dem sandigen Boden. Überhaupt ist die Location ziemlich traditionell:
Tagsüber dient sie als einfaches somalisches Restaurant, die Plastiktische und Plastikstühle stehen auch jetzt rund um die Tanzfläche. Zu trinken gibt es: Limo. Zu essen: für jeden ein Stück Kuchen und einen Keks. Das ist der Standard bei somalischen Festen, Barbesitzer Mohamed Abdi hat am Anfang des Abends die Pappteller mit den Süßigkeiten und die Limo-Flaschen an alle verteilt.
"Ein oder zwei Mal im Monat bucht jemand eine Party. Das sind Somalier, die aus dem Ausland zurückgekommen sind, aber auch für alle anderen somalischen Jugendlichen. Sie fragen mich, ob sie wieder mal eine Party machen dürfen, geben mir einen Teil des Geldes, das ich dafür nehme, und dann geht es los. Die Leute, die kommen, sind ganz unterschiedlichen Alters. Wir fangen in der Regel um neun Uhr abends an, und manchmal dauern die Partys bis zwei Uhr morgens."
Was aus seinem Mund so selbstverständlich klingt, ist für Mogadischu eine Revolution. Seit über zwanzig Jahren ist in Somalia Krieg, die Kämpfe dauern immer noch an. Viele Teile des Landes sind in der Hand der islamistischen Shabaab-Miliz, die zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehört. Bis vor acht Monaten galt das auch für Mogadischu.
Musik und Tanzen waren verboten, ebenso wie Fußballspielen oder Fernsehen. Dann, im August 2011, mussten sich die islamistischen Milizionäre aus der Hauptstadt zurückziehen. Nach jahrelangen, schweren Kämpfen hatten die afrikanische Eingreiftruppe AMISOM und somalische Truppen endlich die Kontrolle über Mogadischu erobert. Jedenfalls weitgehend: Einzelne Kämpfer sind noch immer an der Stadt, Selbstmordattentate fordern regelmäßig Opfer. Eine Party, die im ganzen Viertel zu hören ist, ist deshalb immer noch riskant. Entsprechend vorsichtig macht Mohamed Abdi sie jeweils bekannt:
"Es ist gefährlich, wenn jeder Bescheid weiß. Sobald sich so etwas allzu sehr rum spricht, erfahren das auch die Shabaab und können das für ihre Zwecke nutzen. Deshalb sagen wir erst am Tag selbst einzelnen Leuten Bescheid: 'Heute ist es.'"
Dabei sind die Frauen noch immer so züchtig gekleidet, wie es den strengen Regeln der Shabaab-Miliz entspricht: mit weiten, bodenlangen Gewändern, und Kopftüchern, die keine Haarsträhne freilassen. Ihre Gesichter sind allerdings unverhüllt, und die Stoffe nicht schwarz, sondern bunt. Trotz dieser ganzen Stoffmenge ist die Geschmeidigkeit ihrer tanzenden Körper nicht zu übersehen. An diesem Abend scheint ein Teil von Mogadischu vor Lebensfreude zu explodieren.
"Ich bin vor acht Monaten nach Mogadischu zurückgekommen, und bis jetzt genieße ich es. Klar, hin und wieder gibt es kleinere Vorfälle, jemand sprengt sich in die Luft oder so, aber im allgemeinen ist es ruhig. Jeden Freitag gehe ich mit meinen Freunden an den Strand, wir bleiben den ganzen Tag und spielen Fußball. Manchmal machen wir zusammen mit den Somaliern aus der Nachbarschaft Partys, damit wir uns gegenseitig kennen lernen."
Seinen Namen möchte er aus Gründen der Sicherheit allerdings lieber nicht nennen, und auch nicht allzu viele Details über seine jetzige Arbeit. Nur so viel. Er hat in England studiert und arbeitet jetzt für die Stadtverwaltung von Mogadischu. Ähnliches gilt für seinen Freund, der ebenfalls anonym bleiben will:
"Ich bin auch einer aus der Diaspora, der zurückgekommen ist, und zwar aus Westeuropa. Ich bin gekommen, weil ich etwas zur Entwicklung Somalias beitragen will. Ich habe ein Diplom in Makro-Ökonomie und will mein Wissen an die Somalier weitergeben."
Wie sehr sich die Stadt nach dem Abzug der Islamisten verändert hat, ist auch auf dem Bakhara-Markt spürbar. Aus den Megafonen schallen nicht mehr Koranverse - sondern Werbung! Die Händler preisen ihre Medikamente oder Schuhe an, oder die Handykarten der verschiedenen Telefonunternehmen. Der Bakhara-Markt ist der größte in Somalia, und war vom Krieg besonders schwer getroffen. Weil die Islamisten im Gewirr der Gassen Unterschlupf fanden, wurde der Markt von der Armee immer wieder bombardiert und beschossen, etliche Zivilisten starben. Zuletzt war er sogar ganz geschlossen, jeder der sich trotzdem zeigte, galt für die Regierung als Islamist und konnte getötet werden.
Jetzt sind auch die Händlerinnen wieder zurück. Fadumo verkauft Koffer.
"Das Geschäft läuft gut, die Sicherheitslage ist gut - wir sind zufrieden."
Nach den besonders schweren Kämpfen um den Markt war sie geflohen, in ein Gebiet unter islamistischer Kontrolle ganz in die Nähe. Dort habe sie, sagt sie, keine Probleme gehabt und ebenfalls mit Waren gehandelt.
"Beide Seiten sind unsere Brüder, die Regierung und die Shabaab."
Die Geschäfte seien sogar noch besser gelaufen als hier in Mogadischu, sagt sie: Es gebe keinerlei Kriminalität, keinen Diebstahl. Im Gebiet der Shabaab gilt eine harte Form der Scharia, Dieben wird die Hand abgehackt. Fadumo ist nicht die einzige, die für die Shabaab lobende Worte hat: Sie bieten eine klare Ordnung, während auf dem Gebiet der Regierung noch viel mehr Anarchie und Chaos herrschen. Als Geschäftsfrau, sagt Fadumo, brauchst du vor allem eins, nämlich Sicherheit.
Weil selbst Mogadischu zur Zeit relativ sicher ist, kriegt die Wirtschaft neuen Schwung, und das Leben kehrt zurück.
"Die Party ist super. Jedes Mal wenn ich herkomme, lerne ich neue Leute kennen: Männer und Frauen. Wir reden darüber, was wir so machen. Einige haben studiert, und zwar an den unterschiedlichsten Universitäten. Andere arbeiten für verschiedene Humanitäre Organisation. Es ist einfach toll."
"Die Party erinnert mich an mein Leben in Großbritannien. Ich komme immer, wenn es so eine Gelegenheit gibt!"
Die Musikquelle ist ein Laptop, ein paar junge Männer kümmern sich gemeinsam um die Auswahl. Wenn ein Titel nicht zündet und die Tanzfläche leer bleibt, wechseln sie abrupt zum nächsten Stück. Wobei man sich die Tanzfläche kaum einfacher vorstellen kann: es ist eine große Plastikplane auf dem sandigen Boden. Überhaupt ist die Location ziemlich traditionell:
Tagsüber dient sie als einfaches somalisches Restaurant, die Plastiktische und Plastikstühle stehen auch jetzt rund um die Tanzfläche. Zu trinken gibt es: Limo. Zu essen: für jeden ein Stück Kuchen und einen Keks. Das ist der Standard bei somalischen Festen, Barbesitzer Mohamed Abdi hat am Anfang des Abends die Pappteller mit den Süßigkeiten und die Limo-Flaschen an alle verteilt.
"Ein oder zwei Mal im Monat bucht jemand eine Party. Das sind Somalier, die aus dem Ausland zurückgekommen sind, aber auch für alle anderen somalischen Jugendlichen. Sie fragen mich, ob sie wieder mal eine Party machen dürfen, geben mir einen Teil des Geldes, das ich dafür nehme, und dann geht es los. Die Leute, die kommen, sind ganz unterschiedlichen Alters. Wir fangen in der Regel um neun Uhr abends an, und manchmal dauern die Partys bis zwei Uhr morgens."
Was aus seinem Mund so selbstverständlich klingt, ist für Mogadischu eine Revolution. Seit über zwanzig Jahren ist in Somalia Krieg, die Kämpfe dauern immer noch an. Viele Teile des Landes sind in der Hand der islamistischen Shabaab-Miliz, die zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehört. Bis vor acht Monaten galt das auch für Mogadischu.
Musik und Tanzen waren verboten, ebenso wie Fußballspielen oder Fernsehen. Dann, im August 2011, mussten sich die islamistischen Milizionäre aus der Hauptstadt zurückziehen. Nach jahrelangen, schweren Kämpfen hatten die afrikanische Eingreiftruppe AMISOM und somalische Truppen endlich die Kontrolle über Mogadischu erobert. Jedenfalls weitgehend: Einzelne Kämpfer sind noch immer an der Stadt, Selbstmordattentate fordern regelmäßig Opfer. Eine Party, die im ganzen Viertel zu hören ist, ist deshalb immer noch riskant. Entsprechend vorsichtig macht Mohamed Abdi sie jeweils bekannt:
"Es ist gefährlich, wenn jeder Bescheid weiß. Sobald sich so etwas allzu sehr rum spricht, erfahren das auch die Shabaab und können das für ihre Zwecke nutzen. Deshalb sagen wir erst am Tag selbst einzelnen Leuten Bescheid: 'Heute ist es.'"
Dabei sind die Frauen noch immer so züchtig gekleidet, wie es den strengen Regeln der Shabaab-Miliz entspricht: mit weiten, bodenlangen Gewändern, und Kopftüchern, die keine Haarsträhne freilassen. Ihre Gesichter sind allerdings unverhüllt, und die Stoffe nicht schwarz, sondern bunt. Trotz dieser ganzen Stoffmenge ist die Geschmeidigkeit ihrer tanzenden Körper nicht zu übersehen. An diesem Abend scheint ein Teil von Mogadischu vor Lebensfreude zu explodieren.
"Ich bin vor acht Monaten nach Mogadischu zurückgekommen, und bis jetzt genieße ich es. Klar, hin und wieder gibt es kleinere Vorfälle, jemand sprengt sich in die Luft oder so, aber im allgemeinen ist es ruhig. Jeden Freitag gehe ich mit meinen Freunden an den Strand, wir bleiben den ganzen Tag und spielen Fußball. Manchmal machen wir zusammen mit den Somaliern aus der Nachbarschaft Partys, damit wir uns gegenseitig kennen lernen."
Seinen Namen möchte er aus Gründen der Sicherheit allerdings lieber nicht nennen, und auch nicht allzu viele Details über seine jetzige Arbeit. Nur so viel. Er hat in England studiert und arbeitet jetzt für die Stadtverwaltung von Mogadischu. Ähnliches gilt für seinen Freund, der ebenfalls anonym bleiben will:
"Ich bin auch einer aus der Diaspora, der zurückgekommen ist, und zwar aus Westeuropa. Ich bin gekommen, weil ich etwas zur Entwicklung Somalias beitragen will. Ich habe ein Diplom in Makro-Ökonomie und will mein Wissen an die Somalier weitergeben."
Wie sehr sich die Stadt nach dem Abzug der Islamisten verändert hat, ist auch auf dem Bakhara-Markt spürbar. Aus den Megafonen schallen nicht mehr Koranverse - sondern Werbung! Die Händler preisen ihre Medikamente oder Schuhe an, oder die Handykarten der verschiedenen Telefonunternehmen. Der Bakhara-Markt ist der größte in Somalia, und war vom Krieg besonders schwer getroffen. Weil die Islamisten im Gewirr der Gassen Unterschlupf fanden, wurde der Markt von der Armee immer wieder bombardiert und beschossen, etliche Zivilisten starben. Zuletzt war er sogar ganz geschlossen, jeder der sich trotzdem zeigte, galt für die Regierung als Islamist und konnte getötet werden.
Jetzt sind auch die Händlerinnen wieder zurück. Fadumo verkauft Koffer.
"Das Geschäft läuft gut, die Sicherheitslage ist gut - wir sind zufrieden."
Nach den besonders schweren Kämpfen um den Markt war sie geflohen, in ein Gebiet unter islamistischer Kontrolle ganz in die Nähe. Dort habe sie, sagt sie, keine Probleme gehabt und ebenfalls mit Waren gehandelt.
"Beide Seiten sind unsere Brüder, die Regierung und die Shabaab."
Die Geschäfte seien sogar noch besser gelaufen als hier in Mogadischu, sagt sie: Es gebe keinerlei Kriminalität, keinen Diebstahl. Im Gebiet der Shabaab gilt eine harte Form der Scharia, Dieben wird die Hand abgehackt. Fadumo ist nicht die einzige, die für die Shabaab lobende Worte hat: Sie bieten eine klare Ordnung, während auf dem Gebiet der Regierung noch viel mehr Anarchie und Chaos herrschen. Als Geschäftsfrau, sagt Fadumo, brauchst du vor allem eins, nämlich Sicherheit.
Weil selbst Mogadischu zur Zeit relativ sicher ist, kriegt die Wirtschaft neuen Schwung, und das Leben kehrt zurück.