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Mogelpackung 3D

"Der König der Löwen" kam 1994 ins Kino und wurde zum erfolgreichsten Zeichentrickfilm aller Zeiten. Übermorgen läuft der Disney-Klassiker erneut an - diesmal in 3D. Allerdings wurde die Geschichte vom Löwenjungen Simba nicht neu gedreht, sondern nur "hochgerechnet".

Josef Schnelle im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske | 08.11.2011
    Doris Schäfer-Noske: "König des Dschungels", so sollte der Film ursprünglich heißen. Doch dann fiel jemandem bei Disney auf, dass Löwen gar nicht im Dschungel leben. Um Löwen sollte es nämlich gehen im "König der Löwen", wie der Film schließlich genannt wurde. 1994 kam der Film in die Kinos und wurde zum erfolgreichsten Zeichen-Trickfilm aller Zeiten. Inhaltlich stark an Hamlet angelehnt, geht es um einen jungen Löwen, dessen böser Onkel die Macht an sich reißen will, nachdem er seinen Bruder, den Vater des jungen Löwen, getötet hat.
    Übermorgen läuft der Film nun wieder im Kino an, diesmal in 3D. Frage an meinen Kollegen Josef Schnelle: Herr Schnelle, ist das der Beginn einer Renaissance alter Kinoklassiker im neuen Format?

    Josef Schnelle: Ja offenbar hat sich da was getan. Im letzten Jahr gab es ja 30 3D-Filme, in diesem Jahr 50, also da ist schon eine Steigerung da. Man kann mehr verlangen für die Kinokarte, und deswegen gibt es immer mehr 3D-Filme. Nun ist es aber aufwendig, 3D-Filme herzustellen, und man kann auch nicht immer sicher sein, dass jeder Film erfolgreich sein wird. Deswegen nimmt man alte Erfolge und möbelt sie auf. Man nennt das so in Fachkreisen Schummel-3D, also der Film ist nicht in 3D gedreht, sondern hochgerechnet.

    Schäfer-Noske: Das heißt, das ist das Einzige, was jetzt an diesem "König der Löwen" neu gemacht worden ist?

    Schnelle: Sie haben offenbar auch an der Musik gearbeitet. Vielleicht gibt es auch noch die eine oder andere Szene, die früher rausgefallen ist. Aber im Prinzip geht es um den 3D-Effekt.

    Schäfer-Noske: Wie kann man denn nun einen echten 3D-Film sozusagen von einem Schummel-3D-Film unterscheiden?

    Schnelle: Ja, das ist ganz schwer. Manche sagen, man kann es an der Helligkeit sehen. Wenn der Film hell ist, ist er eine Schummel-Variante, sonst sind in 3D gedrehte Filme etwas dunkler – dadurch, dass die Kameras sich quasi das Licht mehr oder weniger teilen -, aber ganz sicher ist das auch nicht. Man weiß auch nicht, wie gut hat der Regisseur die 3D-Effekte beherrscht, und dann entdeckt man was, was einem nicht gefällt 3D-technisch, und es hat gar nichts damit zu tun, dass das ein Schummel-3D ist. Wim Wenders hat ja gefordert, der ja einen sehr schönen 3D-Film gedreht hat, "Pina" - ganz aufwendig mit vielen Kameras und vielen Effekten, die Pina-Bausch-Verfilmung, wo das auch sehr viel Sinn macht -, und der hat gefordert, dass man diese Schummel-3D-Filme kennzeichnet.

    Schäfer-Noske: Was steckt denn noch dahinter, dass jetzt so viele Filme in 3D angeboten werden? Man denkt ja auch immer an die Zukunft, wenn die dann vielleicht ins Fernsehen kommen.

    Schnelle: Ja. Der Heimkino-Markt sozusagen, also der Pantoffelkino-Markt, der hat zugelegt. Es sind immer mehr Fernseher 3D-fähig. Man kann damit auch Fußball gucken, das kann man in den entsprechenden Läden auch ausprobieren. Und für die ist natürlich auch dann dieser neue Effekt interessant. Man kann da nicht mehr Fernsehgebühren verlangen, aber es ist ein größerer Markt, es werden Geräte gekauft. Allerdings muss man auch zu Hause dann immer noch eine Brille anziehen.

    Schäfer-Noske: Wie weit ist da die Entwicklung schon?

    Schnelle: Also ich habe schon vor einem gestanden, bei dem man den 3D-Effekt ohne Brille ziemlich gut genießen konnte. Allerdings ging das nur von einer auf dem Boden gekennzeichneten Position aus. Man musste ganz gerade stehen vor dem Fernseher. Also das ist noch nicht so richtig durch, aber es wird daran gearbeitet und das ist natürlich der nächste Schritt. Man stelle sich vor: Jeder muss sich einen neuen Fernsehapparat kaufen, um 3D zu genießen. Das ist doch eine Entwicklung.

    Schäfer-Noske: Wie groß ist denn der Druck heute schon für die Filmstudios, ihre Filme in 3D anzubieten?

    Schnelle: Der Druck ist groß. Man muss ja dabei auch bedenken, dass die großen Major Companies inzwischen eigentlich immer Bankenkonglomeraten gehören, und da ist jeder Film ein volles Risiko und das will man minimieren. Das ist auch in der klassischen Hollywood-Geschichte so. Diesen Zwang zum Minimieren des Risikos hat man über Stars gemacht oder über Genre-Kino, und jetzt macht man es eben über 3D.
    Auf der anderen Seite fällt den neuen Studiobossen, die keine klassischen Filmleute mehr sind – man sieht das auch manchmal, weil so seltsame Regisseur-Namen auftauchen, von denen man noch nie gehört hat, auch manchmal mehrere -, nicht mehr so richtig was ein. Deswegen gibt es neben den 3D-Filmen ja auch so viele Fortsetzungen.

    Schäfer-Noske: Welche Folgen hat denn die 3D-Welle für anspruchsvolle Filmemacher? Für "Tim und Struppi" zeichnet ja zum Beispiel auch Steven Spielberg verantwortlich.

    Schnelle: Ja das weiß man immer nicht, wer so genau dahinter steckt. Natürlich ist er dafür verantwortlich, was er da gemacht hat. Das Problem ist, dass die Kinos noch nicht alle dafür bereit sind und dass sie eigentlich zu etwas gezwungen werden, was aus ihrer Sicht unsinnig ist. Sie müssen sich nämlich teure Technik zulegen und kriegen gar nicht so viel von dem zusätzlichen Eintrittspreis. Deswegen gibt es ja Förderung von der Bundesregierung dafür, dass immer mehr Kinos umrüsten, aber letztlich wird es die Zuschauerzahlen nicht erhöhen. Im letzten Jahr gab es mehr Umsatz der Kinos, aber weniger Zuschauer.

    Schäfer-Noske: Josef Schnelle war das über die 3D-Welle im Kino. Übermorgen kommt mit dem "König der Löwen" auch ein Klassiker im neuen Format raus.