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Mogelpackung Biosprit

Agrotreibstoffe gelten als die Sprit-Alternative der Zukunft. Allerdings ist ihre Herstellung nicht so umwelt- und menschenfreundlich, wie allgemein angenommen. So ist die Produktion von Sojaöl für den Biosprit trotz Zertifizierungssiegels mehr als umstritten.

Von Verena Kemna |
    EU-weit sind bisher sieben Zertifizierungssysteme für Agrotreibstoffe anerkannt. So dürfen die Rohstoffe dafür nicht auf Flächen wachsen, für die tropische Wälder gerodet oder Torfmoore entwässert wurden – es sei denn, dies geschah bereits vor 2008. Außerdem sollen die CO2-Emissionen der Agrotreibstoffe in ihrer Gesamtbilanz um mindestens 35 Prozent niedriger sein als bei fossilen Kraftstoffen. An vier Siegeln hat auch die Nichtregierungsorganisation WWF, der World Wide Fund for Nature mitgearbeitet. Die komplexen Probleme zeigen sich etwa am Beispiel der Sojabohne. Grundsätzlich, so beteuern deutsche WWF-Vertreter, lehne der Fund den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft ab. Trotzdem garantiert keines der Siegel, dass bei der Produktion von Agrosprit nicht auch gentechnisch veränderte Sojabohnen verwendet werden. Die WWF Referentin Ilka Petersen:

    "Gensoja ist bei keinem der Systeme wirklich ausgeschlossen. Das heißt, das landet im Tank. Wir haben aber hier in Deutschland den Vorteil, dass nur geringe Mengen Soja und Palmöl bei uns im Biodiesel landen. Es gab kürzlich eine Untersuchung. Es sind ungefähr acht Prozent. Das liegt sicherlich auch daran, dass in Deutschland diese Nachhaltigkeitskriterien sehr ernst genommen werden und auch schon länger existieren. Das heißt, hier muss auch vorher schon zertifiziert sein."

    Zwar setzt sich der WWF dafür ein, dass in Deutschland vor allem nachhaltig produziertes Soja verwendet wird, doch die Realitäten in den Hauptanbaugebieten wie Argentinien und Brasilien lassen sich nicht einfach ausblenden.

    "In Argentinien sind bereits über 90 Prozent des Sojas gentechnisch verändert. Das heißt, wenn wir dort Regenwald retten möchten, dann können wir die Produzenten von Gensoja nicht einfach ausschließen. Es ist einfach die Realität vor Ort, der wir uns stellen müssen. Wir können da nicht einfach weggucken und sagen, wir wollen da gar nichts mit zu tun haben."


    Mit der jüngsten EU-weiten Anerkennung der Siegel werden die Importe von Sojaöl absehbar zunehmen. Die Siegel sollen eigentlich Nachhaltigkeit garantieren, doch sie können allenfalls ein Anfang sein, glaubt Ilka Petersen. Kein Zertifizierungssystem löst bisher das Problem der Verdrängungseffekte. So werden Urwälder etwa in Indonesien und Brasilien gerodet, um dort Nahrungsmittel anzubauen, weil auf den ursprünglichen Feldern Biokraftstoffe wachsen. Ilka Petersen:

    "Allein Biodiesel löst das Problem nicht. Wir müssen das Auto lieber stehen lassen. Wir müssen Verkehr vermeiden, mehr auf die Schiene bringen und so weiter. Also, es reicht nicht, einfach zu sagen, ich tanke jetzt Biodiesel und damit ist die Welt gerettet."

    Greenpeace lehnt die durch die EU-Kommission anerkannten Gütesiegel ab. Greenpeace-Sprecherin Gesche Jürgens.

    "Wir kritisieren auch die Kriterien, die von der EU aufgestellt worden sind. Diese Nachhaltigkeitskriterien verdienen den Namen nicht, denn sie ignorieren die Realität. Einfach, dass es nicht genug landwirtschaftliche Fläche gibt, um sowohl Lebensmittel als auch Pflanzen für Treibstoffe anzubauen."

    Ein Dieseltest von Greenpeace bei fast einhundert europäischen Tankstellen hat ergeben, dass Biodiesel in Europa bis zu einem Drittel Palmöl enthält. Agrosprit sei der falsche Weg, um im Verkehrssektor den Ausstoß von CO2 Emissionen zu senken.

    "Also, was wir zuerst brauchen, ist diese Beimischungspflicht von Agrotreibstoffen zum herkömmlichen Diesel abzuschaffen, denn daraus resultieren viele Probleme, die wir jetzt haben, etwa die zusätzliche Abholzung in Urwaldregionen. Und wir brauchen einfach alternative Verkehrskonzepte wie zum Beispiel verbrauchsärmere, leichtere Autos."