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Molkereigenossenschaft
Verbraucher bestimmen mit

Manche Lebensmittel verschwinden nach und nach aus den Regalen, doch nicht immer ist mangelndes Kundeninteresse der Grund. Frische Vollmilch ist so ein Beispiel: Sie hält nur bis zu zehn Tage, doch der Handel hätte gern länger haltbare Ware. Deshalb wurde eine Milch entwickelt, die mehrere Wochen übersteht, ohne schlecht zu werden. Eine kleine Molkerei geht andere Wege.

Von Maike Strietholt |
    Eine Milchkuh steht auf einer Weide.
    Die Landwirte der Genossenschaft erhalten Preiszuschläge, wenn sie ihren Kühen Weidegang ermöglichen. (picture-alliance / dpa / Horst Ossinger)
    "Das sind die beiden Rohmilchtanks, je 5.000 Liter, und von den Tanks gelangt die Milch da hinten in den Separator, und der separiert grobe Teile aus der Milch raus - zum Beispiel Zellen aus dem Euter, die werden hier dann abgeschöpft ..."
    Landwirt Hans Möller steht neben den glänzenden Stahlkesseln der 120 Jahre alten Molkerei Horst. Um ihn herum drängen sich gut 40 Personen in weißen Overalls und blauen Schuhüberziehern - die Verarbeitungsräume sollen keimfrei bleiben. Im Lagerraum nebenan freuen sich die Besucher über die zusätzliche Kleidungsschicht - es sind nur vier Grad Lufttemperatur.
    "Wir liefen auch noch in Kannen aus, für Großverbraucher, und in Schläuchen, also fünf bis zehn Liter Schläuche."
    Für Einzelverbraucher lagern hier außerdem palettenweise Tetrapaks - insgesamt 15.000 Liter werden täglich verarbeitet. Allerdings wird die Milch nicht wie sonst üblich auf 100 Grad oder mehr erhitzt, um Mikroorganismen komplett abzutöten, sondern lediglich kurzzeitig auf maximal 72 Grad. Die so sanft pasteurisierte Milch ist dann gut gekühlt immer noch zehn Tage lang haltbar, behält aber einen Großteil ihrer Vitamine und Mineralstoffe. Und das ist gut so - findet nicht nur Andre Konjetzko aus dem benachbarten Elmshorn:
    "Ich bin mit meiner Frau heute hier und wir sind interessiert an der Horster Milch, weil wir weiterhin gern Frischmilch trinken wollen. Und wir wollen auch gerne Genossen werden."
    Genossen soll es demnächst viele geben: Hans Möller übernahm mit zwei befreundeten Milchbauern jüngst die kleine Horster Meierei, als ihr aufgrund der sinkenden Milchpreise in den vergangenen Jahren die Schließung drohte. Nun wollen sie die Genossenschaftsanteile in der Region neu verteilen - und zwar an Landwirte und Privatleute. Achim Bock, der zweite Bauer im Bunde:
    "Letztlich ist es so, dass die Nähe zwischen dem Erzeuger und dem Verbraucher viel enger wird. Der Verbraucher kann viel direkter sehen, was produziert wird und hat auch Einfluss auf die Produktion."
    Supermärkte bekunden Interesse
    Ab einer Einlage von sieben Anteilen im Wert von insgesamt 539 Euro ist eine Beteiligung möglich. Bei Entscheidungen - beispielsweise über die Ausschüttung von Gewinnen - zählt die Menge der gezeichneten Anteile jedoch nicht, sondern nur die eine Stimme, die jeder Genosse hat. Dass ein solches gleichwertiges Nebeneinander von Erzeugern und Konsumenten nicht das einfachste Konzept ist, gibt auch Achim Bock zu. Aber:
    "Für die Landwirte ist der Vorteil und auch die Herausforderung: Sie können nur das produzieren, was der Verbraucher will. Wir wollen uns am Verbraucher orientieren."
    Die Milchbauern in der Region sind jedenfalls nicht abgeneigt - Wilhelm Schnoor aus dem 60 Kilometer entfernten Bokel ist bereits Genosse. Liefern kann er allerdings erst in zwei Jahren, wenn die Kündigungsfrist bei seiner alten Meierei endet.
    "Ich glaube, wir können hier regional besser vermarkten, und die Vermarktung ist hier besser als bei der Meierei, bei der ich jetzt bin. Das Konzept meines Betriebs ist, dass ich auch Weidemilch herstelle, da ist das keine Umstellung."
    Denn die Horster Milch soll sich langfristig nicht nur durch Frische und Regionalität von anderer Milch unterscheiden: Die Landwirte erhalten Preiszuschläge, wenn sie beispielsweise ihren Kühen Weidegang ermöglichen oder gentechnikfreie Futtermittel verwenden. Das gehe durchaus Richtung Biomilch, sagt Achim Bock - eine Biozertifizierung sei zur Zeit aber aus Mangel an Lieferanten schlichtweg nicht möglich.
    "Wir müssen mal sehen, wo da die Entwicklung hingeht - wenn viele bereit sind umzustellen, dann können wir uns durchaus auch vorstellen, dass wir hier verstärkt Biomilch machen."
    Achim Bock, selbst Bioland-Bauer, weiß, dass es selten das Anliegen der Landwirte ist, ihren Gewinn allein über die Produktionsmenge zu generieren. Vielmehr sei ein angemessener Milchpreis Dreh- und Angelpunkt des Ganzen - aber der muss dann natürlich auch an den Endverbraucher weitergegeben werden.
    Mehrere große Supermarktketten haben aber bereits ihr Interesse am Weiterverkauf der Frischmilch bekundet. Achim Bock ist daher optimistisch, dass der Handel bei einer Preiserhöhung mitziehen wird:
    "Den Vorteil, den wir haben: Wir sind die einzige Meierei aus der Region, die frische Vollmilch macht - an uns kommt da sozusagen keiner vorbei."