Unverkennbar in Stimme und Attitude - so klingt Roisin Murphy. Auf 'Roisin Machine', ihrem neuen, fünften Soloalbum, betritt die gebürtige Irin einmal mehr den Ort, an dem sie sich am wohlsten fühlt: Die Disco. Aber es ist nicht irgendein nebelschwadenverhangener Club-Dancefloor, den die 47jährige durchschüttelt, es ist eine erfahrene, geradezu erwachsene Version. Jeder der zehn Songs, nimmt sich seine Zeit – Dramaturgien werden aufgebaut, die schnellen Beats langsam ins Spiel gebracht, und erst, wenn man es kaum noch aushalten kann, erlöst einen der strahlende Höhepunkt.
"So lange wie möglich die Euphorie hinauszuzögern, und dann loszulassen – das machen wir oft auf der Platte. Aber diese Euphorie entspringt nicht den offensichtlichen Orten, sondern sie stammt aus einer Dunkelheit. In einem Song wie "Simulation" gibt es dieses rosa Rauschen von den Hihhats. Und so wird es sogar noch euphorischer, denn es ist unerwartet, und hat eine unheimliche Note."
Nostalgiefreie Erinnerung an Clubzeiten
'Roisin Machine' ist wie eine einzige lange, mal geheimnisvolle, mal melancholische Tanzhymne gestaltet – eine nostalgiefreie Erinnerung an Zeiten, in denen der Groove durch alle Knochen und alle Frequenzen ging, und man seinen Eskapismus in den Club trug. Produziert wurde das Album wieder von Murphys langjährigem Wegbegleiter und Vertrautem, DJ Parrot alias Crooked Man.
"Parrot ist in meinem Leben seit ich ein Kind, ein Teenager war. Er weiß alles über Dance-Musik, er war DJ als ich 1990 nach Sheffield zog. Und er ist ein sehr fokussierter Produzent. Im Studio hält er seine Augen meistens geschlossen, und ist tatsächlich in den Songs, in den verschiedenen Räumen, in der Architektur der Musik. Er kennt sie wirklich - von innen wie von außen."
'I feel my story’s still untold / but I make my own happy ending', spricht sie im Oldschool-Stampfer 'Murphy’s Law' über die Handclaps, ihre in diesem Fall tiefe Frauenstimme passt zur Schwerelosigkeit des Songs. Die Tonlage verändert sich auf dem Album – so nuanciert hat die ehemalige Moloko-Sängerin zuvor selten geklungen. Zu streicherschwangeren Beats und tiefem Soul erzählen ihre Texte darüber von einem Disco-Leben.
Ende des Begehrens
"Songs können Gefühle spezifisch ansprechen, manchmal ist man auf der Tanzfläche und hat ein sehr persönliches Gefühl zu einem Song, das kann sogar schmerzhaft sein, aber um einen herum sind alle mit dem gleichen Song verbunden – das sind zwei extreme Erlebnisse. Und das interessiert mich in meiner Arbeit, das versuche ich zu erreichen – eine Art von Komplexität."
Als musikalischen Höhepunkt von Roisin Machine darf man den Song 'Kingdom of Ends' betrachten – in dem über sechs Minuten langen, komplexen Stück steigert sich die notorische Spannung aus zwei Basstönen, Feen singen im Hintergrund, und Discohexe Murphy ruft dazu Parolen, die im Nebel verschwinden.
"Textlich ist dieser Song ein Tribut an Marc Fisher, ein brillanter Autor und Polemiker, der über Musik, Bücher, Kund und Film schrieb. Leider starb er vor ein paar Jahren, aber er benutzte den Ausdruck 'Kingdom of Ends' oft – es ist der Moment, wenn man am Ende seines Begehrens ankommt, und die Enttäuschung darüber."
Und wenn so viel Spannung und Rhythmus in einem Ende stecken, kann das vielleicht sogar tröstlich sein.