Früher wurde Kunst für die Ewigkeit geschaffen. Heute herrscht das ewige Jetzt. So jedenfalls lautet die Prämisse der ambitionierten Winterausstellung im New Yorker Museum of Modern Art "The Forever Now: Contemporary Painting in an Atemporal World". Der Kuratorin Laura Hoptman zufolge manifestiert sich die Zeitlosigkeit in der zeitgenössischen Kunst nirgendwo deutlicher als in der Malerei.
"Historisch betrachtet war die Malerei schon immer ein Vorbote von Veränderungen in unserer visuellen Kultur. Im vergangenen Jahrhundert diskutierte man über Gegenständlichkeit und Abstraktion. Es ist ganz klar, dass auch heute einige der wichtigsten Auseinandersetzungen der bildenden Künste in der Malerei ausgetragen werden."
Alles ist möglich, heißt die Devise. Kein einheitlicher Stil, keine Thematik in der Gegenwartskunst lässt auf den Augenblick schließen, in der sie gemacht worden ist. Von den 17 Jüngern des Präsens in dieser Ausstellung stammen drei aus Deutschland, der Rest aus den Vereinigten Staaten. Das wirft die Frage auf, ob es sich bei der diagnostizierten Undatierbarkeit in der Kunst nicht eher um ein bilaterales als um ein globales Phänomen handelt. Die Frage bleibt unbeantwortet. Stattdessen sind die neunzig versammelten Werke in Kategorien unterteilt:
"Man kann eine künstlerische Sprache wiederbeleben und eine Art Gespenst kreieren, das aber doch ganz anders ist als das Vorhergegangene. Die Elemente der alten Sprache dienen als Inspiration, aber heraus kommt eine völlig neue."
Ergebnisse elektronischer Renaissance
Zu diesen sogenannten Wiederbelebern werden Charline von Heyl und Michaela Eichwald gezählt, die beide in Berlin leben. Charline von Heyls Bilder changieren zwischen flächiger Abstraktion und Gegenständlichkeit. Die wilden Kompositionen von Michaela Eichwald aus Ölfarbe, Lack und anderen Materialien tragen Titel wie "Ansengen, sieden, missrichten und Verjagung im fassähnlichen Schandmantel mit aufgepflanzter Schandfahne quer durch die Stadt".
Kerstin Brätsch firmiert unter der Rubrik jener, die malerische Gesten der Vergangenheit in einem neuen Umfeld vollziehen. Die gebürtige Hamburgerin verweist auf Martin Kippenberger und Sigmar Polke auf Papierbögen mit glühenden Zentren, die ungerahmt an der Wand hängen.
"Das ist das Ergebnis unserer elektronischen Renaissance. Wir können uns Höhlenzeichnungen und einen Joe Bradley nebeneinander auf dem Computer ansehen. Diese Gleichzeitigkeit von Information aus der Vergangenheit und der Zukunft hat eine synchrone Informationslandschaft geschaffen. In der Kunst bewegen wir uns deshalb nicht mehr entlang einer Kurve, die von einem zum nächsten führt, sondern auf einer Fläche, die von allen Seiten bespielt werden kann."
Der von Laura Hoptman erwähnte Joe Bradley ist ein Liebling des Marktes, der in der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen gerne mit primitivistischen Symbolen operiert. Ähnliches gilt für seinen nicht minder geschätzten Kollegen Mark Grotjahn, auf dessen Bildern sich in einem Dschungel aus Farbsträngen die Umrisse archaischer Masken verbergen. Derlei mag man als zeitlos interpretieren – oder auch einfach als zusammenhanglos und zusammengewürfelt.
Der theoretische Überbau von "Forever Now" ist aus einem Widerspruch gezimmert. Wenn die Zeitlosigkeit ein Zeichen der Zeit ist, ist sie nicht weniger ans Jetzt gebunden als das Biedermeier oder das Barock es ans damals waren. Und wenn diese Ausstellung etwas demonstriert, dann das Primat der Beliebigkeit in der Gegenwartskunst. Das ist weder ewig präsent noch passé, sondern schlicht eine Tatsache.
Museum of Modern Art, New York: "The Forever Now: Contemporary Painting in an Atemoporal World", bis 5. April 2015.