Wenn man an das Schicksal von Hexen im Mittelalter denkt, lässt das Adjektiv "unbesiegt" im Titel stutzen. Zugleich macht es neugierig. Hexe war und ist ja zuvorderst ein Stigma, bedeutet Ausgrenzung, Geringschätzung, im besten Fall hatte man Angst vor Hexen und ihrem Wissen. Aber für die Feministin Mona Chollet war die vermeintlich böse Hexe im Märchen eher das Role Model als die liebe Gretel.
Und so schreibt sie: "Die Hexe verkörpert die von jeglicher Dominanz, von jeglicher Begrenzung befreite Frau. Sie ist ein anzustrebendes Ideal, sie weist den Weg."
Chollet wandele das Stigma in etwas Positives um, erläutert unsere Rezensentin Christiane Florin. Die Autorin referiere auch auf moderne Hexenbewegungen etwa in den USA oder in Frankreich, die aber weniger als Kult denn politisch ausgerichtet seien.
Von Diskriminierung bis Gewalt
Kern des Buches ist, dass wissende, unabhängige und selbstbestimmte Frauen auch heute noch diskriminiert werden. So seien etwa alte Frauen, analog zum Mittelalter, Feindbilder geblieben. Zusätzlich zum Jugendwahn werde das Alter bei Frauen nach wie vor als etwas Hässliches und Abstoßendes dargestellt. In der männerdominierten Medizin würden Frauen anders behandelt als Männer, zumal auch von Frauen. Chollet schreibt über Gewalt im Kreißsaal, das Thema wurde in Frankreich heftig diskutiert, und die Debatte ist auch nach Deutschland übergeschwappt.
Mona Chollet ist Feministin, und die Autorin setzt viel feministisches Wissen voraus. Das Buch sei ein wilder Ritt auf dem Hexenbesen, bemerkt Christiane Florin. Es vereine Populärkultur und feministische Geschichtsforschung sowie aktuelle Diskurse.
Mona Chollet: "Hexen. Die unbesiegte Macht der Frauen",
Edition Nautilus, Übersetzung Birgit Althaler, 288 Seiten, 20 Euro.
Edition Nautilus, Übersetzung Birgit Althaler, 288 Seiten, 20 Euro.