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Mona Lisa, die Zweite

Weniger rätselhaft, dafür viel hübscher und mindestens zehn Jahre jünger - was chauvinistisch klingt, ist eine echte Sensation: Restaurateure des Madrider Prado haben eine Kopie von Leonardo da Vincis "Mona Lisa" entdeckt.

Paul Ingendaay im Gespräch mit Karin Fischer |
    Karin Fischer: Die Mona Lisa oder "La Gioconda", wie sie im Original heißt, ist das berühmteste Werk von Leonardo da Vinci, sie ist das meistbesuchte Gemälde im Pariser Louvre, sie ist überhaupt das bekannteste Gemälde der Welt, und natürlich erregt jede Meldung Aufsehen, die mit diesem Bild zusammenhängt. Wenn nun aber Nachrichtenagenturen gestern am späten Nachmittag texteten, dass den Restaurateuren im Madrider Prado ein "sensationeller Fund" gelungen sei, dass sie nämlich eine Kopie der "Mona Lisa" entdeckt hätten, die jahrzehntelang unbeachtet in der Pinakothek dort hing, dann schrillen ein paar journalistische Alarmglocken, und der Laie fragt sich: Wie kann das sein?

    Die "Geschichte hinter der Nachricht" kennt der FAZ-Redakteur Paul Ingendaay in Madrid. Herr Ingendaay, wie erklären Sie sich die Diskrepanz zwischen den handfesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die es ja tatsächlich zu vermelden gibt, und dem Sensationston solcher Nachrichten?

    Paul Ingendaay: Na ja, die Nachricht ist natürlich sehr schön, weil es sich um diese Frau handelt, wie Sie gerade auch sagten. Das Gemälde im Prado war weitgehend unbeachtet, weil der Hintergrund komplett schwarz war, dunkel, und es war in unrestauriertem Zustand, und da es ja einige Kopien der Mona Lisa gibt, war das also nicht besonders beachtet worden. Jetzt allerdings hat man nach zwei Jahren Restauration den Hintergrund freigelegt, und es ist dieselbe Landschaft wie im Original im Louvre. Mehr: Man glaubt, dass ein Schüler von Leonardo diese Mona Lisa neben Leonardo in derselben Werkstatt unter seiner Aufsicht gemalt hat.

    Fischer: Das heißt, man hat das Werk mit Hilfe von Infrarotstrahlung untersucht, neben dieser Freilegung, und konnte dadurch Angaben über den Entstehungszeitraum machen, was die Sache tatsächlich sensationell macht.

    Ingendaay: Ja ich glaube eher, die Schlüsse sind deduktiv. Das heißt, man hat gesehen, der Schüler – man erkennt sogar zwei Namen, die es sein könnten – hat die Korrekturen von Leonardo kopiert, so dass wir also den Entstehungsprozess dieses Werkes viel genauer kennen, und wir wissen auch viel mehr über ihre Kleidung, wir wissen, ihre Haut ist wirklich toll, sie hat fein geschwungene Augenbrauen, die Fingernägel sind gut geschnitten, sie ist – ich muss das mal sagen - eigentlich viel hübscher, wenn auch weniger rätselhaft, aber sie ist wahnsinnig hübsch und etwa zehn Jahre jünger.

    Fischer: Herr Ingendaay, diese vermutete zeitliche Parallelität und die Parallelität der Landschaften im Hintergrund des Bildes, lassen die weitere Erhellungen des Mona-Lisa-Originals auch zu, die jetzt möglich sein könnten nach dieser Entdeckung?

    Ingendaay: Na ja, weil man sich ja doch bei diesem Gemälde alles fragt, was man eben fragen kann. Wir erkennen die Landschaft im Hintergrund viel genauer, sie ist von einem hellen Blau und sehr präzise gezeichnet. Wir sehen ja bis zu den Zöpfen und bis zu den Einzelheiten, den Details der Kleidung, dem Schmuck der Kleidung, viel genauer, was diese Frau trug. Und alles das wird jetzt dem Louvre, wo das Gemälde im kommenden Monat hinreist und ausgestellt wird, die Gelegenheit geben, die beiden Gemälde nebeneinander zu studieren und eigentlich auch Einblick in den Schaffens- und den Werkstattprozess der Mona Lisa zu erhalten.

    Fischer: Trotzdem noch mal die Frage: Die technischen Möglichkeiten gibt es ja nun auch schon länger. Warum erst jetzt?

    Ingendaay: Ich glaube, die Zahl, die hohe Zahl der Kopien, die nach dem Entstehen der Mona Lisa selber gefertigt wurden, hat den Prado einfach nicht groß animiert, das Gemälde zu untersuchen, und diese Restaurationen dauern sehr lange. Ich war mal in der Werkstatt im Prado – diese Leute arbeiten mehrere Jahre im Team an einem einzigen Bild, und nachdem sie auch den Hieronymus Bosch wunderbar restauriert haben, den "Garten der Lüste", das sind große Unternehmen, die viel Geld kosten. Man kann nicht den ganzen Bestand von vielen Tausend Bildern so genau überschauen. Und jetzt ist es eben so weit und alle freuen sich, dass der Prado etwas viel Bedeutenderes hat, als er glaubte.

    Fischer: Und das Werk wird demnächst auch öffentlich präsentiert?

    Ingendaay: Es wird offiziell in drei Wochen in Madrid präsentiert. Der Grund, warum wir jetzt schon davon wissen, ist, dass eine englische Zeitung das vorweggenommen hat, da musste man also hinterher. Und dann wird es, wie ich sagte, im Louvre im nächsten Monat zu sehen sein, um dann einmal den Vergleich zu ermöglichen.

    Fischer: Herzlichen Dank an Paul Ingendaay in Madrid. Er sprach über die Zwillingsschwester der Mona Lisa, die vom Madrider Prado untersucht und jetzt der erstaunten Öffentlichkeit vorgestellt wurde.