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Monarch, Air Berlin, Alitalia
Was ist los in Europas Flugbranche?

Nach Air Berlin und Alitalia hat nun auch die fünftgrößte britische Airline, Monarch, das Geschäft eingestellt. Der Pleitereigen in der europäischen Luftfahrtbranche geht weiter.

Von Michael Braun | 02.10.2017
    Eine Maschine der Fluggesellschaft Lufthansa rollt am 21.09.2017 auf dem Flughafen in Berlin-Tegel an Maschinen von Air Berlin vorbei.
    Derzeit gärt es auf dem europäischen Flugzeugmarkt (picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm)
    Alle wissen: So kann es nicht weitergehen, mit 237 Fluggesellschaften in Westeuropa. Auch wenn einige schon in einem Konzern zusammengeschlossen sind – Lufthansa, Eurowings, Austrian und Swiss etwa gehören zur Lufthansa Group –, es sind zu viele, um für alle eine auskömmliche Rendite zu erwirtschaften. In Amerika, wo die fünf größten Anbieter 85 Prozent aller Sitzplätze zur Verfügung stellen, bleiben von 100 Dollar Umsatz 13 als Gewinn übrig. In Europa sind es von 100 Euro nur sechs Euro, in Deutschland nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft nur 4,9 Euro.
    Viele Anbieter, geringe Marge also. Deshalb spricht Eric Heymann, der Branchenexperte der Deutschen Bank, von Überkapazitäten auf dem westeuropäischen Luftfahrtmarkt. Und die seien mit der Pleite von Alitalia, Air Berlin und jetzt Monarch Airlines noch nicht beseitigt:
    "Gemessen an anderen, relativ reifen Branchen – schauen Sie sich die Automobilindustrie an – haben wir in Europa aber immer noch relativ viele Fluggesellschaften. Es gibt im Automobilbereich vielleicht noch fünf bis zehn Anbieter, je nachdem, wie man das kalkuliert. Im Luftverkehr haben wir sehr viel mehr Anbieter immer noch auf dem Markt. Das liegt aber auch daran, dass eine Konsolidierung in Krisenzeiten relativ rasch erfolgt, dass kleinere Fluggesellschaften ausscheiden. Allerdings gab es in der Vergangenheit auch immer wieder Neugründungen, neue Fluggesellschaften, die auf den Markt gedrängt sind. Und insofern wird es weiterhin zu einer Konsolidierung kommen. Aber das wird nicht so schnell geschehen, wie man das vielleicht heute vermutet."
    "Auf zu vielen Hochzeiten getanzt"
    Die Unternehmen haben ausprobiert, welches Geschäftsmodell am besten passt. Ryanair hatte bis zuletzt eine sehr erfolgreiche Strategie: eindeutig Billigangebote, vor allem innereuropäische Direktflüge mit kurzen Standzeiten, um schnell wieder in der Luft zu sein. Mit "Masse statt Klasse" also wurde Ryanair mit im vorigen Jahr knapp 117 Millionen Passagieren der größte Anbieter in Europa. Air Berlin aber hatte kein klares Konzept, zerteilte seine im vorigen Jahr knapp 29 Millionen Passagiere auf drei Angebote, auf den Ferienflieger, den Billiganbieter und auf die Langstrecke für Geschäftskunden. Das habe nicht funktioniert, meint der Luftfahrtexperte Cord Schellenberg:
    "Air Berlin hat immer gesagt, wir haben ein hybrides Geschäftsmodell. Und das war diese Aufteilung in Langstreckenflüge, in Europaflüge und Ferienflüge. Was nun daran erfolgreich sein sollte, das hat Air Berlin nie dargestellt, also Hybrid ist ja jetzt nicht automatisch eine Lizenz zum Gelddrucken, ganz offensichtlich. Man könnte auf der anderen Seite sagen, Air Berlin hat auf zu vielen Hochzeiten getanzt und hat sich vielleicht auch in den Einzelheiten des Geschäfts mit Wettbewerb auf jeder dieser drei strategischen Säulen verzettelt."
    Dass das kaum funktionieren konnte, lag auch daran, dass die internen Gehaltsstrukturen, also die Personalkosten, nicht auf diese drei Modelle abgestellt waren. Darauf weist etwa der Branchenkenner Heinrich Großbongardt hin:
    "Tarifverträge, Gehälter aus dem vorigen Jahrzehnt sind in einem Umfeld, wie wir es heute haben, in dem 'Low Cost' nicht die Ausnahme ist, sondern der Normalfall, überhaupt nicht mehr zu finanzieren."
    Spezifische EU-Wettbewerbsnachteile
    Hinzu kommt weltweiter Wettbewerb. In Europa drängt Turkish Airlines mit im vorigen Jahr 63 Millionen Passagieren engagiert in den Markt. Und vor allem für den Verkehr nach Asien graben die Fluggesellschaften der Golfstaaten den europäischen Anbietern viel Wasser ab – und spielen dabei ihre Wettbewerbsvorteile aus. Deutsche-Bank-Experte Eric Heymann:
    "Was strukturell für Deutschland und Europa ein Problem ist, sind die unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen: in Sachen regulatorischer Belastungen, Steuern, Energie, Lärmschutz, wie schnell ein Flughafen gebaut werden kann. Das sind auch künftig Faktoren, bei denen die Golfstaaten einfach besser positioniert sind."
    Das wirkt umso mehr, weil die Märkte in den Vereinigten Staaten und auch in Europa langsam als gesättigt gelten. Ja, es gibt noch Wachstum. Aber fünf Prozent jährlich, von denen die Branche mal ausging, dürften wohl nicht mehr realistisch sein, vielleicht nur weniger als die Hälfte.