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Monets "Aufgehende Sonne"
Als der Impressionismus begann

Eine Ausstellung in Paris untersucht Monets Schlüsselwerk "Impression – aufgehende Sonne". Eine sehenswerte Ausstellung. Nicht nur, weil sie wunderbare Bilder zeigt, sondern sie macht auch deutlich, dass sogenannte Meisterwerke nicht nur gemalt, sondern auch gemacht werden.

Von Kathrin Hondl |
    Blaue Stunde in Le Havre. Das Licht der Sonne, einer orangefarbenen Kugel, spiegelt sich auf dem Wasser. Es ist neblig. Große Schiffe und Hafenanlagen verschwinden fast im Nebel, davor sind schemenhaft kleinere Boote zu erkennen. "Impression, soleil levant" ist ein radikales Bild, in dem sich die industrielle Hafenlandschaft in Licht und Farbe auflöst. Ein Manifest des Impressionismus, den der zeitgenössische Kritiker Louis Leroy einst wortspielerisch erfand. Sarkastisch schrieb er 1874 über die - so die Überschrift seines Artikels - "Ausstellung der Impressionisten" und schimpfte: "Eine Tapete im Urzustand ist ausgearbeiteter als dieses Seestück."
    Deutlich erkennbar aber ist links unten auf dem Bild die Signatur: "Claude Monet, 72". Und doch war es diese Zahl, das Entstehungsjahr des berühmten Bildes, worüber Kunsthistoriker seit Jahrzehnten stritten. Nicht 1872, sondern ein Jahr später habe Monet seine Hafen-Impression gemalt, behauptet nämlich das Werkverzeichnis des Künstlers. Schließlich sei dokumentiert, dass Monet im April 1873 in der Normandie war. Es herrschte ein kleiner Glaubenskrieg um die wahre Geburtsstunde des Bildes, das dem Impressionismus den Namen gab. Umso erstaunlicher, dass man erst jetzt auf die Idee kam, das Gemälde selbst genauer zu studieren.
    "Monets Bild zeigt den Hafen bei Flut."
    Der Beginn einer neuen Epoche
    "Und die Schleuse in der Mitte des Bildes ist geöffnet. Die Gezeiten, die Öffnungszeiten der Schleuse und auch die Uhrzeiten von Sonnenauf- und untergang der Jahre 1872 und '73 sind bekannt. Wir brachten alles zusammen und kamen auf mehrere mögliche Entstehungstage für das Bild. Dann verglichen wir die Wetterberichte der fraglichen Tage und baten einen Astrophysiker, alles zu überprüfen. Und so kam heraus: Das wahrscheinlichste Entstehungsdatum war der 13. November 1872 morgens um 7 Uhr 35."
    Und damit wäre also auch ein für alle Mal geklärt, dass Monet damals in Le Havre tatsächlich die aufgehende Sonne malte und nicht den Sonnenuntergang. Denn auch das wurde immer wieder behauptet: Unter dem Titel "Impression, soleil couchant" wechselte das Bild 1878 den Besitzer. Und noch Anfang der 50er-Jahre wurde es im Musée Marmottan als Sonnenuntergang geführt. Der Grund für die Schlamperei liegt im erstaunlichen Werdegang des Bildes nach der legendären Impressionisten-Ausstellung von 1874.
    "Da ist einerseits ein neuer Begriff - Impression - der sich sofort durchsetzt. Und andererseits ein Bild, das mehr und mehr in Vergessenheit gerät."
    Denn die harsche Kritik an der - wie wir heute wissen - kunsthistorisch so außerordentlich bedeutenden Impressionisten-Ausstellung von 1874 hatte Folgen. Zwar konnte Monet sein Hafen-Bild für 800 Francs verkaufen. Als es aber vier Jahre später an den Kunstsammler Georges de Bellio weiterverkauft wurde, erzielte es nur noch 210 Francs. Deutlich weniger als andere Monet-Bilder. Und als 1878 ein erstes Buch über die "impressionistischen Maler" erscheint, wird "Impression, soleil levant" nicht einmal erwähnt. Der Impressionismus setzt sich durch, doch das namengebende Bild wird zweitrangig. Die Organisatoren späterer großer Impressionismus-Ausstellungen fragen nicht einmal danach, zeigen von Monet lieber den Bahnhof Saint Lazare oder Ansichten der Tuilerien.
    Es ist eine im besten Sinn historische Ausstellung, die das Musée Marmottan rund um "Impression, soleil levant" zeigt. Zu sehen sind sowohl die kunsthistorischen Vorläufer des innovativen Bildes – maritime Landschaften von Gustave Courbet bis Eugène Boudin -, als auch die Bilder, die Publikum und Museumsleute lange Zeit der heutigen Ikone des Impressionismus vorzogen. Rechnungen und Versicherungspolicen dokumentieren den zunächst niedrigen Marktwert, der sich in den 1950er-Jahren drastisch erhöhte, als man sich der historischen Bedeutung bewusst wurde.
    "Auf einmal erscheint dieses Bild, von dem im Musée Marmottan nie die Rede war, als Symbol, für das 1959 ein Wert von 50 Millionen Francs angegeben wird."
    "Impression, soleil levant" ist eine absolut sehenswerte Ausstellung. Nicht nur weil sie wunderbare Bilder zeigt, sondern weil sie zugleich deutlich macht, dass sogenannte Meisterwerke nicht nur gemalt, sondern gemacht werden.