Michael Köhler: Anfang der Woche kamen im Berliner Tränenpalast Experten zusammen, um über "Denkmalkultur in Deutschland" zu sprechen. Das Scheitern des Einheitsdenkmals in Berlin und Leipzig waren unter anderem Thema. In einem eröffnenden Grußwort hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters fast unbemerkt das Brandenburger Tor als Sinnbild für die Einheit ins Spiel und zur Sprache gebracht. Sie habe ich gefragt: War das eine zufällige Laune oder Absicht?
Monika Grütters: Nein, das ist weder eine Laune, noch Zufall, sondern die Fragestellung ist die: Wie denkmalfähig sind wir Deutschen, wenn man sieht, bei wie vielen Denkmalvorhaben, auch gut gemeinten, wir uns so wahnsinnig schwer tun. Das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas hat Jahrzehnte gebraucht, bis es so stand; jetzt ist es großartig und angenommen. Aber das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma hat mit mehr als 15-jähriger Geschichte und mehreren Firmenpleiten, drei Bundespräsidenten haben sich an Inschrift-Texten versucht, ewig gebraucht, bevor es Gestalt annehmen konnte. Das Freiheits- und Einheitsdenkmal - endlich geht es nicht um die Abgründe unserer Geschichte, sondern um die Freiheitstradition, um die guten, um die glücklichen Erlebnisse - hat nach drei Anläufen in Leipzig nicht reüssieren können, das ist gestoppt worden, und jetzt zweimal in Berlin nicht. Also ist die Frage: Tun wir uns mit Denkmälern generell so schwer, oder sind es besonders die, wo es um unsere guten Seiten geht, um das, was auch im besten Sinne etwas Nationales ist - und unser Verhältnis zu allem, was national ist, ist ja wirklich besonders schwierig -, wie gehen wir damit um?
Aus diesem Grund haben wir die Generaldebatte mal angestoßen. Das war mir besonders wichtig, eh wir einfach weitermachen. Und da ist natürlich das Freiheits- und Einheitsdenkmal der Auslöser gewesen und da gibt es unterschiedliche Antworten. Eins davon ist der Verweis aufs Brandenburger Tor.
"Es steht wie kein anderes Bauwerk für das Glück der Wiedervereinigung"
Köhler: Es war also mehr ein Anstoß für eine Debatte und nicht ein ernst gemeinter Vorschlag, dieses Denkmal, das in meiner Wahrnehmung eher für Krieg und Teilung steht, als künftiges Einheitsdenkmal zu nehmen?
Grütters: Sagen wir mal so: Als die erste Debatte darum anging, brauchen wir auch in Berlin ein Freiheits- und Einheitsdenkmal und nicht nur - der Beschluss war damals schon gefasst - in Leipzig, dem Ausgangspunkt ja für die friedliche Revolution, die am Ende zum Sturz des SED-Regimes führte, also auch in Berlin ja oder nein, schon damals ist immer wieder debattiert worden, gibt es nicht ein Symbol, was ohnehin auf diese Geschichte verweist, nämlich das Brandenburger Tor. Und für mich ist das sehr einleuchtend. Ausgerechnet das Brandenburger Tor mit seiner wechselvollen 225-jährigen Geschichte hat ja mittlerweile eine Symbolkraft weltweit entwickelt, die weit über seine ursprüngliche Rolle als Stadttor hinausweist. Es steht natürlich für die brutalen Brüche in unserer Geschichte, für Ideologie, Krieg, Zerstörung, Unfreiheit, natürlich für die Teilung Deutschlands und Europas und der Welt. Aber viel mehr noch ist es in den vergangenen 26 Jahren mindestens zum Symbol geworden für Einheit, Freiheit und Frieden. Es steht wie kein anderes Bauwerk auch für das Glück der Wiedervereinigung und für die wiedergewonnene Freiheit und in gewisser Hinsicht ist es quasi das nationale und internationale Freiheits- und Einheitsdenkmal, weil die Menschen, die Bevölkerung, nicht nur die Berlinerinnen und Berliner, sondern weltweit sich das quasi angeeignet haben als solches.
Köhler: Fühlen Sie sich richtig wiedergegeben, wenn ich bis hierhin zusammenfasse: Sie halten am Wunsch für ein Einheitsdenkmal fest, A, und haben B nichts dagegen, wenn es das Brandenburger Tor ist?
Grütters: Sagen wir es doch besser so: Ich finde, die Debatte darum sollte weiter geführt werden. Ich würde auf jeden Fall für einen Standort in Leipzig plädieren und ich glaube, dass wir in Berlin mit einer angemessenen Würdigung des Brandenburger Tores sehr viel über Teilung und Einheit sagen könnten.
Debatte über Kauf der Exilvilla von Thomas Mann
Köhler: Bis hierhin vielen Dank. - Jetzt noch zu einem Thema, das uns schon seit längerem beschäftigt. Ich ärgere Sie noch einmal: Machen Sie es sich nicht zu einfach und die Rechnung ohne die Wirtin, wenn Sie sagen, Sie würden gerne die Exilvilla von Thomas Mann, San Remo Drive 1550, Pacific Palisades in Los Angeles, für die Bundesrepublik als kulturellen Begegnungsort erwerben wollen? Das ist ja schon lange immer wieder im Gespräch, aber so richtig wollen tut es keiner, und ich sehe auch nicht, dass es da Fortschritte gibt. Sehen Sie das?
Grütters: Es gibt insofern Fortschritte, als überhaupt dieses Gebäude, das Thomas Mann einst bewohnt hat, jetzt zum Verkauf steht und dass in der Tat die deutsche Botschaft da bereits mit dem Makler im Gespräch ist. Insofern ist das ganze Vorhaben realistischer geworden.
Köhler: Wäre es nicht die Gelegenheit, zur Staatsministerin des Auswärtigen, Frau Böhmer, zu sagen, jetzt lösen wir mal Ihren Etat raus und den geben wir mal rüber an das BKM?
Grütters: Tatsächlich habe ich heute auch mit meinem Kollegen, dem Außenminister darüber gesprochen, ob wir hier nicht gemeinsam noch mal einen Vorstoß versuchen sollen: erstens ausloten, wie realistisch ist der Erwerb da hinten? Es geht dabei auch um ein sehr großes Grundstück, das in Amerika bei den Immobilienpreisen mutmaßlich hoch eingepreist werden wird. Das ist das eine. Zweitens sind die Spuren von Thomas Mann nicht mehr so stark. Drittens steht das Haus sogar zum Abriss frei. Also man muss da mit mehreren, wie ich finde, Schwierigkeiten realistisch rechnen. Aber wir sehen beide, dass es kulturpolitisch, auch außenkulturpolitisch ein ganz großes Signal wäre, und müssen jetzt auch mit dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages darüber sprechen.
"Ich würde mich sehr freuen, wenn das klappen würde"
Köhler: Sie wünschen sich das und würden sich freuen, wenn es klappt?
Grütters: Ich wünsche mir das und würde mich sehr freuen, wenn das klappen würde, weil es das große Thema Exil wirklich in Worte und in ein Gebäude fasst.
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