Das Vorhaben ist ambitiös: Marek will Don Juan sein, er will Frauen beglücken und verstoßen, wie es ihm gefällt. Weil dieser Don Juan aber ein bloß selbsternannter ist, interessieren sich die Frauen nicht für ihn, und es bleibt ihm nichts anderes übrig als die Flucht in die eigene Phantasie, in der er siegreich von zahlreichen Eroberungsfeldzügen durch das Wiener Liebesleben zurückkehrt. Im Grunde also ein Scheitern auf der ganzen Linie, aber eines von jener tragikomischen Leichtigkeit, die man auch von Woody Allen kennt.
Scheitern ist unheimlich wichtig. Ohne ein Scheitern gibt es keine Geschichte. Wenn alles gelingt, gibt es nichts mehr zu erzählen. In jeder Geschichte geht etwas schief. Das kann tragische oder komische oder auch tragikomische Folgen aber, aber irgendetwas muss einfach immer schiefgehen. Im literarischen Sinne ist das Scheitern für mich schon immer sehr wichtig gewesen. Ich habe nicht zufällig so viele Essays über Slapstick geschreiben, über Buster Keaton und Charlie Chaplin, die aus dem Scheitern große Kunst gemacht haben. Aber auch in der außerliterarischen Wirklichkeit spielt das Scheitern eine sehr große Rolle. Heutzutage leben wir ständig in der Illusion, wir könnten leben, ohne jemals an irgendetwas zu scheitern. Unsere ganze Kultur und Gesellschaft ist darauf ausgerichtet, dass es niemand sieht, wenn wir an irgendetwas scheitern. Dann gilt man gleich als Looser oder als Versager. Und ein bißchen habe ich die Hoffnung, dass die Leute, wenn ich über solches Scheitern nicht nur tragisch, sondern auch leichtfüßig schreibe, dass die Leute dann vielleicht mal ein bißchen mehr Wertschätzung für ihr eigenes Scheitern aufbringen. -- Das gerade einmal 90 Seiten dicke Bändchen mit dem Titel "Monogam" ist schwerlich ein Roman zu nennen. Auf dem Umschlag der niederländischen Ausgabe steht als Gattungsbezeichnung "Essay", und auch das ist sehr hoch gegriffen, zeigt aber immerhin bereits, dass zwischen den Buchdeckeln mehr als reines Erzählen stattfindet.
Ich denke, dass "Monogam" schon ein bißchen essayistischer ist als ein Roman. In einem Roman wäre ich doch etwas sparsamer gewesen mit literarischen Verweisungen und Zitaten.
Als Romanfigur ist Marek ein Leser, noch bevor er zu handeln beginnt. Und die Auswahl seiner Lektüre ist erlesen: Albert Camus, Frank Wedekind, Benjamin Constant, vor allem aber die Aphorismen "Über die Liebe" von Stendhal. Marek benutzt Literatur als Gebrauchsanweisung für das eigene Leben. Wenn Stendhal Don Juan beschreibt, so mißbraucht Marek diese Analyse einer literarischen Figur als Anleitung dazu, selbst ein möglichst erfolgreicher Don Juan zu werden. "Daß er die Pflichten leugnete, die ihn an andere Menschen banden, kam mir sehr gelegen", stellt er dabei erfreut fest.
Eine Figur, die zu viele Bücher liest und schließlich nicht mehr zwischen den Büchern und der Wirklichkeit unterscheiden kann, findet sich auch in der Literaturgeschichte: Don Quijote fing an, gegen Windmühlenflügel zu kämpfen, nachdem er zu viele Ritterromane gelesen hatte. Ob Grünberg bei seiner Figur Marek auch an diesen literarischen Ahnen dachte?
Ja, auch. Don Quijote ist eine meiner Lieblingsfiguren. Ich denke ständig an Don Quijote. Aber die Frage, die man natürlich auch bei Don Quijote stellen kann, ist: Wäre es ihm besser ergangen, wenn er nicht gelesen hätte? Ich glaube, eine bestimmte Art und Weise, Literatur zu lesen, kann tatsächlich sehr gefährlich sein. Aber gleichzeitig willst du als Autor natürlich auch, dass dein Buch gefährlich ist für den Leser. Eigentlich hoffst du darauf, dass unter deinen Lesern ein paar Don Quijotes sitzen, die sich von deinem Buch den Kopf verdrehen lassen.
Monogam hat viel von einem Schelmenroman, und der besondere Trick dabei ist, dass der Autor sich einer Form bedient, die das genaue Gegenteil impliziert. Das Buch kommt als autobiographisches Bekenntnis daher.
Man kann die Form von Bekenntnisliteratur benutzen, ohne dass es dann auch tatsächlich so ist, dass eine Figur anfängt, aus ihrem Leben zu erzählen, und alles, was gesagt wird, ist wahr, es wird also wirklich etwas bekannt. Wenn man das will, soll man zum Psychiater gehen, oder wenn man ein Verbrechen begangen hat, gibt es in dafür eine Gerichtsverhandlung.
Dass Literatur lügt, dass gerade literarischen Bekenntnissen nicht unbedingt zu trauen ist, ist indes nicht so neu. Die Versicherung eines Erzählers, er werde im folgenden die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zum Besten geben, war schon im 18. Jahrhundert eine beliebte, ja eine konventionalisierte Beglaubigungsstrategie für literarische Erfindungen. Was "Monogam" oder auch den Vorgänger "Amour fou" von solchen klassischen Vorbildern unterscheidet, ist, dass der Bogen erkennbar überspannt wird. Marek van der Jagts Jagd auf das Glück und die Frauen hat slapstickhafte Züge, besteht mitunter aus grotesken und absurden Übertreibungen. Die angebliche Authentizität des Bekenntnisses ist nur noch eine leere Floskel. Autor und Leser werden sich schneller denn je einig: Man muss nichts davon glauben, es ist ein Spiel. Umso erstaunlicher erscheint es deshalb, dass Arnon Grünberg, als er sich das Pseudonym Marek van der Jagt und damit auch eine erfundene Identität zulegte, in den Niederlanden einen regelrechten Literaturskandal auslöste. Einem aufmerksamen Rezensenten war zuerst aufgefallen, dass der Stil von Marek van der Jagt doch sehr nach Grünberg klang.
Das war ein ziemlicher Aufruhr. Das Buch hat den Preis bekommen für das beste Debüt, und den hatte ich früher schon mal bekommen. Da wollten sie mir jetzt das Geld nicht geben - was ich auch völlig in Ordnung finde, ich brauch das Geld nicht - aber dann hieß es: Marek van der Jagt soll persönlich erscheinen, und er soll gefälligst einen Ausweis mitbringen. Und ich habe geantwortet: Da denke ich gar nicht dran! Nun ja, und langsam entstand da so eine Atmosphäre, als ob ich irgendein dahergelaufener Betrüger wäre. Während ich eigentlich dachte, es sei das Recht eines Autors, ein literarisches Spiel zu spielen, und letztlich ging es schließlich nur um ein Pseudonym. Jedenfalls ging es wieder mal nicht um das Buch, sondern um die Frage, ob das, was ich getan hatte, ethisch vertretbar war.
Ob ethisch vertretbar oder nicht, Marek van der Jagts "Monogam" ist eine ebenso geistreiche wie unterhaltsame Lektüre. Etliche Romane, Erzählungen und Essays aus der Feder Arnon Grünbergs verlangen vom Leser mehr Konzentration, als er hier aufbringen muss. Monogam ist kein großer Wurf, kein vielschichtiges und komplexes Werk, aber ein amüsanter Zeitvertreib.
Scheitern ist unheimlich wichtig. Ohne ein Scheitern gibt es keine Geschichte. Wenn alles gelingt, gibt es nichts mehr zu erzählen. In jeder Geschichte geht etwas schief. Das kann tragische oder komische oder auch tragikomische Folgen aber, aber irgendetwas muss einfach immer schiefgehen. Im literarischen Sinne ist das Scheitern für mich schon immer sehr wichtig gewesen. Ich habe nicht zufällig so viele Essays über Slapstick geschreiben, über Buster Keaton und Charlie Chaplin, die aus dem Scheitern große Kunst gemacht haben. Aber auch in der außerliterarischen Wirklichkeit spielt das Scheitern eine sehr große Rolle. Heutzutage leben wir ständig in der Illusion, wir könnten leben, ohne jemals an irgendetwas zu scheitern. Unsere ganze Kultur und Gesellschaft ist darauf ausgerichtet, dass es niemand sieht, wenn wir an irgendetwas scheitern. Dann gilt man gleich als Looser oder als Versager. Und ein bißchen habe ich die Hoffnung, dass die Leute, wenn ich über solches Scheitern nicht nur tragisch, sondern auch leichtfüßig schreibe, dass die Leute dann vielleicht mal ein bißchen mehr Wertschätzung für ihr eigenes Scheitern aufbringen. -- Das gerade einmal 90 Seiten dicke Bändchen mit dem Titel "Monogam" ist schwerlich ein Roman zu nennen. Auf dem Umschlag der niederländischen Ausgabe steht als Gattungsbezeichnung "Essay", und auch das ist sehr hoch gegriffen, zeigt aber immerhin bereits, dass zwischen den Buchdeckeln mehr als reines Erzählen stattfindet.
Ich denke, dass "Monogam" schon ein bißchen essayistischer ist als ein Roman. In einem Roman wäre ich doch etwas sparsamer gewesen mit literarischen Verweisungen und Zitaten.
Als Romanfigur ist Marek ein Leser, noch bevor er zu handeln beginnt. Und die Auswahl seiner Lektüre ist erlesen: Albert Camus, Frank Wedekind, Benjamin Constant, vor allem aber die Aphorismen "Über die Liebe" von Stendhal. Marek benutzt Literatur als Gebrauchsanweisung für das eigene Leben. Wenn Stendhal Don Juan beschreibt, so mißbraucht Marek diese Analyse einer literarischen Figur als Anleitung dazu, selbst ein möglichst erfolgreicher Don Juan zu werden. "Daß er die Pflichten leugnete, die ihn an andere Menschen banden, kam mir sehr gelegen", stellt er dabei erfreut fest.
Eine Figur, die zu viele Bücher liest und schließlich nicht mehr zwischen den Büchern und der Wirklichkeit unterscheiden kann, findet sich auch in der Literaturgeschichte: Don Quijote fing an, gegen Windmühlenflügel zu kämpfen, nachdem er zu viele Ritterromane gelesen hatte. Ob Grünberg bei seiner Figur Marek auch an diesen literarischen Ahnen dachte?
Ja, auch. Don Quijote ist eine meiner Lieblingsfiguren. Ich denke ständig an Don Quijote. Aber die Frage, die man natürlich auch bei Don Quijote stellen kann, ist: Wäre es ihm besser ergangen, wenn er nicht gelesen hätte? Ich glaube, eine bestimmte Art und Weise, Literatur zu lesen, kann tatsächlich sehr gefährlich sein. Aber gleichzeitig willst du als Autor natürlich auch, dass dein Buch gefährlich ist für den Leser. Eigentlich hoffst du darauf, dass unter deinen Lesern ein paar Don Quijotes sitzen, die sich von deinem Buch den Kopf verdrehen lassen.
Monogam hat viel von einem Schelmenroman, und der besondere Trick dabei ist, dass der Autor sich einer Form bedient, die das genaue Gegenteil impliziert. Das Buch kommt als autobiographisches Bekenntnis daher.
Man kann die Form von Bekenntnisliteratur benutzen, ohne dass es dann auch tatsächlich so ist, dass eine Figur anfängt, aus ihrem Leben zu erzählen, und alles, was gesagt wird, ist wahr, es wird also wirklich etwas bekannt. Wenn man das will, soll man zum Psychiater gehen, oder wenn man ein Verbrechen begangen hat, gibt es in dafür eine Gerichtsverhandlung.
Dass Literatur lügt, dass gerade literarischen Bekenntnissen nicht unbedingt zu trauen ist, ist indes nicht so neu. Die Versicherung eines Erzählers, er werde im folgenden die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zum Besten geben, war schon im 18. Jahrhundert eine beliebte, ja eine konventionalisierte Beglaubigungsstrategie für literarische Erfindungen. Was "Monogam" oder auch den Vorgänger "Amour fou" von solchen klassischen Vorbildern unterscheidet, ist, dass der Bogen erkennbar überspannt wird. Marek van der Jagts Jagd auf das Glück und die Frauen hat slapstickhafte Züge, besteht mitunter aus grotesken und absurden Übertreibungen. Die angebliche Authentizität des Bekenntnisses ist nur noch eine leere Floskel. Autor und Leser werden sich schneller denn je einig: Man muss nichts davon glauben, es ist ein Spiel. Umso erstaunlicher erscheint es deshalb, dass Arnon Grünberg, als er sich das Pseudonym Marek van der Jagt und damit auch eine erfundene Identität zulegte, in den Niederlanden einen regelrechten Literaturskandal auslöste. Einem aufmerksamen Rezensenten war zuerst aufgefallen, dass der Stil von Marek van der Jagt doch sehr nach Grünberg klang.
Das war ein ziemlicher Aufruhr. Das Buch hat den Preis bekommen für das beste Debüt, und den hatte ich früher schon mal bekommen. Da wollten sie mir jetzt das Geld nicht geben - was ich auch völlig in Ordnung finde, ich brauch das Geld nicht - aber dann hieß es: Marek van der Jagt soll persönlich erscheinen, und er soll gefälligst einen Ausweis mitbringen. Und ich habe geantwortet: Da denke ich gar nicht dran! Nun ja, und langsam entstand da so eine Atmosphäre, als ob ich irgendein dahergelaufener Betrüger wäre. Während ich eigentlich dachte, es sei das Recht eines Autors, ein literarisches Spiel zu spielen, und letztlich ging es schließlich nur um ein Pseudonym. Jedenfalls ging es wieder mal nicht um das Buch, sondern um die Frage, ob das, was ich getan hatte, ethisch vertretbar war.
Ob ethisch vertretbar oder nicht, Marek van der Jagts "Monogam" ist eine ebenso geistreiche wie unterhaltsame Lektüre. Etliche Romane, Erzählungen und Essays aus der Feder Arnon Grünbergs verlangen vom Leser mehr Konzentration, als er hier aufbringen muss. Monogam ist kein großer Wurf, kein vielschichtiges und komplexes Werk, aber ein amüsanter Zeitvertreib.