Britta Fecke: Wenn alle geplanten Fusionen der Saatgut und Pflanzenschutz produzierenden Konzerne in diesem Jahr vollzogen sind, dann werden mindestens 60 Prozent des kommerziellen Saatgutmarktes und des inzwischen dazugehörigen Pestizidmarktes von nur noch drei Konzernen beherrscht. Diese weltweite Monopolisierung der Saatgutproduktion (Stichwort Monsanto/Bayer), die damit verbundenen Lizenzgebühren für die Landwirte und die Vereinheitlichung des Sortenangebotes bereitet Bauern, Umwelt- sowie Klimaschützern gleichermaßen Sorge. Denn wenn immer mehr Sorten verloren gehen, weil nur noch wenige als lukrativ erachtet werden, woher dann die Samen nehmen von den Getreidesorten, die besonders gut an bestimmte extreme Standorte angepasst sind. Was ist mit dem Recht der Bauern, einen Teil der Ernte zurückzubehalten, um sie im nächsten Jahr auszusäen, wenn die Großkonzerne darauf Lizenzgebühren erheben? Vor allem für Bauern in Entwicklungsländern ist das eine überlebenswichtige Frage.
Heute Abend wird eine neu gezüchtete Tomatensorte vorgestellt, die rechtlich als Allgemeingut in jedem Garten wachsen darf. Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forum Umwelt und Entwicklung, ist dabei. Herr Maier, lassen Sie uns zu Beginn aber mal klären: Wer hat überhaupt noch Zugang zum Saatgut?
Jürgen Maier: Saatgut gehört heute in der Tat nur noch wenigen Konzernen. Es gab in den letzten 10, 15 Jahren eine enorme Konzentration, weil die großen Saatgutkonzerne sehr viele kleine Saatgutfirmen aufgekauft haben, und wir haben dadurch heutzutage eine fast schon monopolartige Struktur. Saatgut wird sozusagen zum Privatbesitz weniger Konzerne. Das ist aber das Überleben der Menschheit und so eine Entwicklung kann man eigentlich nicht akzeptieren.
"Monsanto ist ja berüchtigt dafür, dass sie Saatgute patentieren"
Fecke: Jetzt kann man aber sagen, dass die ja auch in die Entwicklung von Saatgut viel Geld gesteckt haben. Die müssen das ja auch irgendwie wiederbekommen.
Maier: Ja. Viele dieser Patente wurden allerdings auf Entwicklungen erteilt, die gar keine wirklichen neuen Entwicklungen waren. Monsanto ist ja berüchtigt dafür, dass sie Saatgute, dass sie sogar Lebewesen patentieren, mit der Begründung, sie hätten diese Entwicklung finanziert, wo praktisch das ganze Patentsystem missbräuchlich verwendet wird. Wir haben da in der Tat gar nicht unbedingt neue Entwicklungsleistungen, sondern wir haben lediglich patentierte Verfahren, um zu einer Tomate zu kommen, um zu irgendeiner anderen Pflanze zu kommen, und dadurch wird die Tomate selber patentiert, obwohl man die natürlich auch durch ein anderes Verfahren erreichen kann. Diese Patente, die hier ausgesprochen wurden, die decken weit mehr ab als nur irgendwelche Entwicklungskosten.
Fecke: Warum ist der freie Zugang zum Saatgut so wichtig? Ich habe schon die Bauern in Entwicklungsländern angesprochen, aber das ist ja wahrlich nicht alles.
Maier: Das gilt natürlich auch für Bauern in anderen Ländern, auch bei uns. Es ist ja eigentlich üblich, dass Bauern einen Teil ihrer Ernte neu aussäen. Das war jahrtausendelang das Verfahren, mit dem man Sorten gezüchtet hat, zum Teil auch nebenher unabsichtlich gezüchtet hat, die an einen ganz bestimmten Standort angepasst sind. Wir kommen in ein Zeitalter, wo Klimaextreme immer weiter zunehmen. Das heißt, die Notwendigkeit von standortangepassten Sorten wird immer wichtiger. Aber dieses Aussäen von eigenem geernteten Saatgut, der sogenannte Nachbau, das wird ja illegalisiert durch die heutige Saatgutgesetzgebung, im Interesse der Konzerne, die natürlich jedes Mal neues Saatgut verkaufen wollen, und das ist aber in der Tat auch eine Gefahr für die Welternährung.
"Diese Open-Source-Lizenz wird öffentlich gemacht"
Fecke: Jetzt wird ja heute Abend eine neu gezüchtete Tomatensorte vorgestellt, die nicht mit Lizenzen geschützt wird. Das soll Allgemeingut werden. Wie ist das denn juristisch abgesichert?
Maier: Sie können natürlich eine neue Entwicklung, eine neue Pflanzensorte nur dann patentieren lassen, wenn Sie nachweisen können, dass Sie sie selber entwickelt haben. Wenn man Ihnen nachweisen kann, dass Sie das nur woanders abgeguckt haben, dann können Sie nichts mehr patentieren lassen. Das heißt, diese Open-Source-Lizenz wird öffentlich gemacht. Sie können alles in einer öffentlichen Datenbank nachsehen. Damit ist nichts mehr patentierbar, weil es ja öffentlich ist. Aber nutzen dürfen Sie das dann nur, wenn Sie sich verpflichten, Weiterentwicklungen auch nicht patentieren zu lassen, weil natürlich dadurch, dass es öffentlich ist, gehört die Sorte trotzdem nicht Ihnen und diese Vereinbarung, diese Nutzungsvereinbarung der offenen Lizenzen kennen wir ja aus dem Software-Sektor, wo das ja ähnlich ist, Linux und so weiter. Das werden wir jetzt beim Saatgut-Sektor auch haben und damit dieses Geschäftsmodell, dass wir Saatgut immer weiter zum Privatbesitz weniger Konzerne machen, versuchen, dieses Geschäftsmodell zu stören.
Fecke: Vielen Dank für diese Informationen. Ich sprach mit Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forum Umwelt und Entwicklung, über einen Gegenentwurf zur Monopolisierung des Saatgutmarktes.
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